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Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin (TU) in einem Labor der Uni am 01.06.2022.

© Tsp/Joana Nietfeld

Wiarda will’s wissen: Klamme Zeiten für die Hochschulen

Nicht nur die Energiekosten explodieren an den Unis, andere Mehrausgaben stehen auch ins Haus. Und vom Bund kommt 2023 eher weniger Geld.

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Wie will die TU im kommenden Jahr die von ihr geschätzten 66 bis 114 Millionen Euro Zusatzkosten für Strom, Gas und Fernwärme bezahlen? „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe keine Ahnung“, antwortete die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, auf die Frage des „RBB“.

Für die Hochschulbudgets überall im Land braut sich gerade der perfekte Sturm zusammen. Rauchs Schätzung mag mancher für übertrieben halten. Doch schon der Betrag am unteren Ende würde bedeuten, dass die Energie-Preissteigerungen allein auf einen Schlag ein Fünftel des aktuellen Staatszuschusses der TU auffressen würden. Der liegt dieses Jahr bei 366 Millionen Euro.

Hinzu kommen die Sekundäreffekte der massiven Inflation: Rekord-Tarifabschlüsse in der Stahlindustrie (plus 6,5 Prozent) geben auch die Richtung für den öffentlichen Dienst vor. Geht man nur von sechs Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftigten aus, bedeutet das allein für die TU mindestens weitere 14 Millionen obendrauf. Nicht sofort, aber nächstes Jahr wird verhandelt.

Bislang wenig beachtet, droht Anfang 2023 ein weiterer Kostenschock. Eine von den Hochschulen seit Jahren bekämpfte Reform des Umsatzsteuerrechts tritt in Kraft. Sie führt dazu, dass Kooperationen von Hochschulen untereinander und mit Forschungsinstituten in vielen Fällen umsatzsteuerpflichtig werden. Was vor allem bei Doppelberufungen richtig ins Geld gehen kann. Bisher waren diese besonders begehrte – und politisch gewollte – Instrumente der Exzellenzförderung.

Neuer Berliner Hochschulvertrag ist noch nicht unterschrieben

Allein die TU Berlin hat 51 davon, mit der Fraunhofer-Gesellschaft, mit Helmholtz, mit Leibniz-Instituten. Zahlen müssen die Kooperationspartner. Für die Hochschulen aber nur eine Scheinberuhigung, wenn Doppelberufungen künftig unattraktiver, da deutlich teurer werden.

Auf der Habenseite sieht es dagegen mau aus. In etlichen Bundesländern ist nächstes Jahr bislang gar kein zusätzliches Landesgeld für Hochschulen geplant. Den Berliner Unis geht es vergleichsweise noch gut, weil ihnen der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag weiter ein jährliches Plus von 3,5 Prozent zusichert. Bleibt es dabei (der Hochschulvertrag ist noch nicht unterschrieben), hätte die TU 2023 knapp 13 Millionen Euro mehr. Was die beschriebene Kostenlücke vielleicht um ein Sechstel verkleinern würde.

Jan-Martin Wiarda ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© privat

Immerhin versprach Berlins grüne Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote vergangene Woche weitere Linderung. „Das Land Berlin wird im Falle finanzieller Engpässe für seine Hochschulen selbstverständlich einstehen und sie finanziell als Zuwendungsempfangende unterstützen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Bislang nur Worte, doch schon die würden sich Hochschulchefs in vielen anderen Bundesländern zur Zeit wünschen. Die Frage ist nur: Bis wohin reicht die zusätzliche Unterstützung? Und was genau bedeutet „finanzielle Engpässe“ bei Unis, die wie die TU ohnehin ein Dauerdefizit fahren, das sie nur mit dem ständigen Unbesetztlassen von Planstellen ausgleichen kann?

Gote sah bislang übrigens die Bundesregierung besonders der Pflicht, einen Ausgleich für die Energiekosten zu schaffen. Doch schon die Verhandlungen zwischen Ländern und Bund um die Zukunft des „Zukunftsvertrages Studium und Lehre“ gestalten sich schwierig. Künftig drei Prozent Bundesgelder mehr hatten die Ampelparteien den Hochschulen versprochen, jedes Jahr. Eigentlich schon ab 2022. Bis das BMBF signalisierte: Mit der „Dynamisierung“ wird es erst 2023 was.

Und Stand jetzt könnte dieses Geschenk für die Hochschulen vorerst sogar zu einem Minusgeschäft werden. Bereits die alte Bundesregierung hatte nämlich im Zukunftsvertrag für 2024 einen einmaligen kräftigen Sprung vorgesehen – um 170 Millionen. Den will das BMBF jetzt im Gegenzug für die Dynamisierung offenbar kassieren. Doch würden zweimal drei Prozent zusätzlich bis 2024 den Hochschulen bundesweit gerade mal 115 Millionen mehr Bundesgeld bringen.

Auch schon fast egal, könnte Geraldine Rauch angesichts der finanziellen Großwetterlage für die Hochschulen sagen. Wird sie nicht. Aber ihre Ratlosigkeit teilen in diesen Tagen Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland.

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