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Fuchsgrubers Studierende versahen unter anderem Friedrich Konrad Bellermanns „Zuckerrohrplantage von San Esteban bei Puerto Cabello“ mit machtkritischen Hinweisen.

© Seminar Weltbilder, TU Berlin

Zwischen Instagram und kolonialem Erbe: Der schwierige Spagat moderner Museen

Zwischen der Aufarbeitung der eigenen Geschichte und den Anforderungen der Gegenwart ringen Museen um ihren Kurs: Wie sie damit klarkommen, untersuchen Forschende der Berlin University Alliance.

Auf Instagram hat das Humboldt Forum 30.000 Abonnenten. Täglich informiert das Museum seine Follower über das Tagesgeschehen und das aktuelle Kulturangebot im Berliner Schloss. Man könnte sagen: Das Humboldt Forum ist ein modernes Museum, das einen beträchtlichen Teil seiner Besucher dort erreicht, wo diese sich aufhalten: Auf Instagram.

Lukas Fuchsgruber sieht das anders: „Soziale Medien sind nicht nur Ortes des Austauschs, sondern auch kommerzialisierte Plattformen, die Profile erstellen, um Nutzer*innen mit gezielter Werbung anzusprechen. Ein Museum sollte sich nicht daran beteiligen, seine Besucher*innen verwertbar zu machen.“

Der 38-jährige Kunsthistoriker von der Technischen Universität Berlin (TU) leitet die Fallstudie „Digitale Bildwelten“, die Teil des Projekts „Museums and Society. Mapping the Social“ ist. Als eines von sechs Projekten wird es seit 2020 von der Berlin University Alliance (BUA) zur Erforschung aktueller Debatten um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert. Zuletzt wurde die Förderung bis Juli 2024 verlängert. 

Zuletzt präsentierten Fuchsgruber und Co. ihre Arbeit auf der Berlin Science Week 2023.
Zuletzt präsentierten Fuchsgruber und Co. ihre Arbeit auf der Berlin Science Week 2023.

© Christian Kielmann

Fuchsgruber und seine Kollegen setzen sich damit auseinander, mit welchen Herausforderungen Museen im 21. Jahrhundert konfrontiert sind. Welche Emotionen lösen Museen aus, wie werden Museen wahrgenommen und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Das Ziel der Forschenden ist es, „Grundlagen für ein neues gemeinsames Forschungszentrum der Universitäten und Museen“ zu schaffen und zu einem kritischen, zeitgemäßen Verständnis des Museums zu gelangen. Beteiligt daran sind Wissenschaftler der TU, der Humboldt-Universität Berlin, des Naturkundemuseums und des Instituts für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin.

Schatten der Vergangenheit

Fuchsgruber hat sich dazu in der Fallstudie „Digitale Bilderwelten“ mit dem Online-Auftritt von Museen auseinandergesetzt. Den Social Media-Auftritt von Museen sieht Fuchsgruber aber nicht nur wegen des „Überwachungskapitalismus“ kritisch: Er zweifelt auch das zugrundliegende Argument an, dass Museen durch Online-Präsenz und digitale, spielerische Angebote in den Ausstellungsräumen grundsätzlich zugänglicher werden.

Seine imperiale Fassade kann das Humboldt Forum auch mit digitalen Angeboten und spielerischen Zugängen nicht durchbrechen.

Lukas Fuchsgruber, Kunsthistoriker an der Technischen Universität Berlin

Am Beispiel des Humboldt Forums veranschaulicht er seine These, dass es vor allem die Ausstellungsinhalte und -rahmen sind, die Museen unzugänglich machen: „Das Humboldt Forum ist ein Museum in den Mauern eines Schlosses, in dem Objekte ausgestellt werden, die eine koloniale Vergangenheit haben. Diese imperiale Fassade kann das Museum auch mit digitalen Angeboten und spielerischen Zugängen nicht durchbrechen.“

Open Source als Chance

Deswegen appelliert Fuchsgruber an die Museen, mehr Partizipation zuzulassen – nicht nur in Form von Workshops, sondern beispielsweise durch digitale Open Source-Projekte, in denen Online-User selbst Wissen beisteuern und die Perspektive auf Ausstellungsinhalte verändern können.

Wie das funktionieren kann, hat Fuchsgruber mit Studierenden in der gemeinsamen Semesterarbeit „Weltbilder“ erprobt. Über die Open Source Wikidata haben die Studierenden Bilder aus der Alten Nationalgalerie, die Szenen aus dem Kolonialismus im 19. Jahrhundert zeigen, zugegriffen, sie bearbeitet und anschließend online veröffentlicht. Auf den Bildern sind einzelne Bildelemente mit kritischen Anmerkungen versehen worden. Das harmonisch wirkende Ölgemälde „Zuckerrohrplantage von San Esteban bei Puerto Cabello“ von Ferdinand Konrad Bellermann wird etwa durch mehrere gelbe Punkte gestört, die auf die Versklavung der dargestellten Menschen verweisen.

Gibt es das perfekte Museum?

Auf der Zielgeraden des Forschungsprojekts konstatiert Fuchsgruber: „Seit mehreren Jahrzehnten gibt es einen kritischen Diskurs um die patriarchalen, klassistischen und kolonialen Logiken von Museen. Genauso kritisch müssen wir aber auch mit der Digitalisierung des Museums umgehen.“ Bisher würden Museen die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Vergrößerung ihrer Reichweite nutzen, während sie ihre Online-Besucher auf Plattformen der Überwachung ausliefern, aber kaum Möglichkeiten der nachhaltigen Partizipation zur Verfügung stellen, resümiert der Kunsthistoriker.

Ich glaube nicht, dass es das perfekte Museum gibt. Museen sind konfliktreiche Orte, die ihre Widersprüche nicht verstecken sollten. Wenn sie davon frei wären, wären sie vermutlich auch keine Museen mehr.

Lukas Fuchsgruber, Kunsthistoriker an der Technischen Universität Berlin

An den Pranger stellen will Fuchsgruber die Museen aber nicht. Vielmehr sieht er einen Prozess, in dem sich die Museen befinden. Auf die Frage, wie das perfekte Museum aussähe, antwortet er: „Ich glaube nicht, dass es das perfekte Museum gibt. Museen sind konfliktreiche Orte, die ihre Widersprüche nicht verstecken sollten. Wenn sie davon frei wären, wären sie vermutlich auch keine Museen mehr.“

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