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Das Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde.

© Patrick Pleul/dp

Deutschland in Europa: „Wir sind schon lange kein Vorreiter mehr“

Der einstige Saubermann der Umweltpolitik versagt im Klimaschutz. Die Deutschen leben auf zu großem Fuß.

[Der Text erschien zuerst in der gedruckten Beilage "Deutschland in Europa", einem Projekt mit Masterstudierenden der Universität Hamburg]

Jeden Freitag demonstrieren Schüler für mehr Klimaschutz. Bei den letzten Europawahlen räumten die Grünen ab. In Umfragen sagen Anhänger aller Parteien in Deutschland mehrheitlich, ihnen sei der Klimaschutz wichtiger als das Wirtschaftswachstum. Und zwölf Jahre ist es jetzt her, dass sich Angela Merkel vor Grönlands Gletschern als Klimakanzlerin fotografieren ließ.

„Aber seitdem hat sich nicht viel getan“, konstatiert Karsten Smid, der langjährige Energieexperte bei Greenpeace. „Wir sind schon lange kein Vorreiter mehr in Sachen Klimaschutz.“

Das belegen die nackten Zahlen. Auf einen Bundesbürger kommen elf Tonnen Treibhausgase im Jahr (gerechnet in CO2-Äquivalenten). Im europäischen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Top 6 der größten Emittenten. (siehe Grafik) Zum Vergleich: Ein Malteser verursacht mit fünf Tonnen im Schnitt nur halb so viele klimaschädliche Gase. Wie kommt es zu diesem europäischen Ungleichgewicht?

Noch immer werden 80 Prozent des Bedarfs in Deutschland fossil gedeckt

Hauptursache ist der deutsche Energiemix. Rund 80 Prozent des Bedarfs werden vor allem aus Kohle, Gas und Öl gedeckt. Der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen geht nur schleppend voran und betrifft auch fast nur die Stromproduktion. Verkehr und Heizwärme hängen noch vollständig am fossilen Tropf. Der Klima-Fußabdruck eines Franzosen ist auch deshalb so viel kleiner als der eines Deutschen, weil das Land an die 40 Prozent seines Energiebedarfs mit Atomkraft abdeckt. Dabei entstehen kaum Treibhausgase, es bleibt jedoch der radioaktive Müll. Für Umweltschützer Smid ist Atomstrom deshalb keine Option: „Da scheint die Halbwertszeit von Fukushima doch sehr gering zu sein.“

Ein weiterer Grund für die hohen Emissionen aus Deutschland sind die zahlreichen Exporte der Industrie. Auch die Treibhausgase, die bei der Produktion von Ausfuhrgütern freigesetzt werden, zahlen auf das deutsche Klimakonto ein. Seit der Wiedervereinigung hat die Bundesrepublik die Emissionen zwar um rund 35 Prozent gesenkt. Um das Pariser Klimaabkommen und die EU-Klimaziele noch einhalten zu können, müsse sich „die Geschwindigkeit des Transformationsprozesses in Deutschland aber verfünffachen“, fordert Smid.

Zudem leben die Deutschen „auf zu großem Fuße“, mahnt er. Nur ein Beispiel: Während auf 100 Deutsche im Schnitt 61 Autos kommen, sind es in Rumänien nur 36 pro 100 Einwohner. Smid ist dennoch optimistisch: „Deutschland hat die besten Voraussetzungen als Industrieland diese Transformation zu gestalten.“ Andere EU-Länder, beispielsweise Dänemark oder Portugal, könnten dabei als Vorbilder dienen.

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