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US-Präsident Joe Biden bei einem Wahlkampfauftritt in Rockville/Maryland.

© IMAGO/ZUMA Wire

Ukraine-Invasion Tag 207: Biden zögert bei Selenskyjs Raketen-Bitte

Was iranische Drohnen anrichten, Polen verteilt Jodtabletten, Kiew kündigt neue Offensive an. Der Überblick am Abend.

Nach der erfolgreichen Offensive in Charkiw hat die Ukraine ihre Bitten nach weiteren Waffensystemen bekräftigt. Von Deutschland will Kiew unter anderem die Leopard-Kampfpanzer, von den USA auch Kampfjets und Bomber. Außerdem auf der Wunschliste, die in Washington liegt: sogenannte Atacms-Raketen, die von den Himars-Raketenwerfern abgefeuert werden können. Rund 20 Himars hat die Ukraine im Einsatz.

Der entscheidende Unterschied zu den bisher verwendeten Geschossen: Die Atacms haben bis zu 300 Kilometer Reichweite statt der bisher möglichen 80. Damit könnte die Ukraine auch weiter von der Front entfernte Ziele zum Beispiel auf der Krim angreifen. 

Während die USA die Lieferung von Kampfjets und Bombern wohl nicht ausschließen - tatsächlich gibt es Bemühungen, ukrainische Piloten an älteren US-Modellen auszubilden (Quellen hier und hier) - ist Washington bei den reichweitenstärkeren Raketen zurückhaltender. Laut einem Bericht der „New York Times“ will Joe Biden Putin keinen Grund liefern, den Krieg zu eskalieren. Genau dazu könnte seiner Meinung nach die Lieferung der mächtigeren Raketen führen. Der Kreml scheint um diese Sorge zu wissen. 

Das russische Außenministerium ließ kürzlich mitteilen, dass die USA sich hüten sollten, „eine rote Linie“ zu überschreiten. Eine solche Linie würde zum Beispiel die Lieferung reichweitenstärkerer Raketen darstellen. Die USA würden dann zur Konfliktpartei in der Ukraine. Genau das will Joe Biden unbedingt vermeiden. „Wir versuchen hier einen dritten Weltkrieg zu verhindern“, soll er mehrfach gesagt haben. Laut Einschätzungen von US-Experten würden die neuen Raketen der Ukraine in der aktuellen Situation ohnehin keinen entscheidenden Vorteil verschaffen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • In den besetzten Gebieten in der Ukraine bestimmen pro-russische Behörden den Lehrplan an den Schulen. Wie groß der Druck ist, schildert eine Lehrerin dem britischen „Guardian“. Mehr hier.
  • Ein ukrainischer Oberst schildert, wie Irans Kamikaze-Drohnen zur Gefahr werden: Russland setzt die Flugwaffen aus Teheran mittlerweile erfolgreich ein. Experten gehen davon aus, dass sie den Kriegsverlauf deutlich beeinflussen könnten. Mehr hier.
  • Selenskyj kündigt neue Offensive an: Die ukrainische Führung ist überzeugt, die russischen Besatzer militärisch aus dem Land vertreiben zu können. In Charkiw steht womöglich ein strategisch wichtiger Erfolg an. Mehr hier.
  • Ein Gericht in der russisch besetzten Ostukraine hat zwei Ex-Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Männer hätten Informationen über das Militärpersonal und die Ausrüstung von Luhansk an die US-Regierung weitergegeben, erklären die Behörden der von Russland unterstützten selbsternannten Volksrepublik. Mehr in unserem Newsblog. 
  • Mit Blick auf die Kämpfe um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja hat Polens Innenministerium landesweit Jodtabletten an die Berufsfeuerwehr ausgegeben. Für jeden polnischen Bürger werde eine ausreichende Menge an Kaliumjodid-Tabletten bereitgehalten, teilte das Ministerium am Montag in Warschau mit.
  • In der von prorussischen Separatisten kontrollierten ostukrainischen Stadt Donezk sind nach Angaben des Bürgermeisters 13 Menschen durch Artilleriebeschuss getötet worden. Es handle sich um Zivilisten, zwei Kinder seien unter den Toten, schreibt der von Russland unterstützte Bürgermeister Alexej Kulemsin auf Telegram.
  • FDP-Chef Christian Lindner sieht in der Bundesregierung keine Kursänderung hin zu einer Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Auf Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angesprochen sagte Lindner am Montag in Berlin, er habe sich innerhalb der Bundesregierung rückversichert und amtlich gefragt, ob sich die Haltung einzelner Ressorts konkret verändert habe. „Das konnte nicht bestätigt werden“, sagte der Bundesfinanzminister dazu weiter.
  • Angesichts bedeutender Verluste bei seinen Streitkräften im Ukraine-Krieg ist Russlands Präsident Wladimir Putin nach Ansicht unabhängiger Militärexperten immer stärker auf Alternativen angewiesen. Der Kreml konzentriere sich zunehmend darauf, schlecht vorbereitete Freiwillige in irregulären improvisierten Einheiten zu rekrutieren, statt sie als Reserve oder Ersatz für reguläre russische Truppen einzusetzen, schrieben die Analysten des Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington am Sonntagabend. 
  • Moskau hat die ukrainischen Vorwürfe zu hunderten Gräbern in der Nähe der Stadt Isjum im Osten der Ukraine als „Lügen“ zurückgewiesen. „Das sind Lügen. Wir werden natürlich die Wahrheit in dieser Geschichte verteidigen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Nach Angaben ukrainischer Behörden wurden nach der Rückeroberung des lang von russischen Truppen besetzten Gebietes von Isjum durch ukrainische Einheiten mehr als 440 Gräber und ein Massengrab entdeckt.
  • Die Ukraine hat russische Angriffe auf das Atomkraftwerk Piwdennoukrajinsk im Süden des Landes gemeldet. Alle drei Reaktoren des AKW blieben aber unbeschädigt und funktionierten normal, teilte der staatliche Betreiber Energoatom mit. Eine Detonation habe es 300 Meter entfernt von den Reaktoren gegeben. 
  • Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen beschränken die Einreise für Menschen aus Russland weiter. Sie werden von Montag an die Grenzen für Staatsbürger des Nachbarlandes mit einem Schengen-Visum für touristische Aufenthalte, Geschäftsreisen, Sport- und Kulturveranstaltungen geschlossen halten. Entsprechende Regelungen treten in den vier EU- und Nato-Ländern simultan in Kraft. 
  • Durch die Pipeline Nord Stream 2 wird nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nie Gas von Russland nach Deutschland fließen - auch nicht nach einem Ende der Ära von Präsident Wladimir Putin. „Der Vertrauensverlust ist so fundamental, dass es nie wieder eine Situation geben wird, in der eine deutsche Bundesregierung auf Energie aus Russland setzen kann“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Er sei sehr sicher: „Nord Stream 2 wird nie in Betrieb gehen.“

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