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Richtfest Lichtenrader Revier,

© Tagesspiegel/Sigrid Kneist

Bauen, bauen, bauen: Berliner Bezirk feiert mit Politprominenz

In Tempelhof-Schöneberg werden derzeit große Bauprojekte realisiert – in der City und am äußersten Stadtrand. Da lässt sich die Politprominenz gerne blicken.

In Tempelhof-Schöneberg gibt es gerade einige Termine mit hoher Politikerdichte. Es ist die Zeit der Richtfeste und Grundsteinlegungen. Anfang Mai war Richtfest beim Gasometer-Umbau auf dem Euref-Campus, vergangenen Donnerstag die Grundsteinlegung fürs Schöneberger Eck am sogenannten Barbarossa-Dreieck, am Freitag dann wieder Richtfest im Lichtenrader Revier. An diesem Donnerstag geht’s gleich weiter, dann wird der Richtkranz auf der Friedenauer Höhe hochgezogen.

Wer zeigt sich nicht gern bei einem solchen Anlass, der auch symbolisiert, dass es im Bezirk vorangeht? Und natürlich lassen sich auch die Bauherren die Gelegenheit nicht entgehen, Prominente aus der Politik zu begrüßen. Denn diese Kontakte sind für sie natürlich unabdingbar. Auf allen politischen Ebenen: Bezirk, Land und Bund.

Selbstverständlich sind die Stadtentwicklungsstadträtin Eva Majewski (CDU) dabei und Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne). Er hat im Übrigen als früherer Baustadtrat einige dieser Projekte mit auf den Weg gebracht. Beim Lichtenrader Revier war das Bezirksamt sogar komplett vertreten. Bezirksverordnete kommen natürlich, sie sind diejenigen, die über Bebauungspläne abzustimmen haben. Mitglieder des Abgeordnetenhauses und Bausenator Christian Gaebler (SPD) sind ebenfalls gern gesehene Gäste.

Grundsteinlegung fürs Schöneberger Eck mit einigen prominenten Gästen.
Grundsteinlegung fürs Schöneberger Eck mit einigen prominenten Gästen.

© Monique Wüstenhagen/Rockstone Real Estate

Auch die Bundesebene darf nicht fehlen: aus dem Bezirk stammende Bundestagsabgeordnete wie Jan-Marco Luczak (CDU), Kevin Kühnert (SPD), der als ehemaliger Bezirksverordneter die politischen Voraussetzungen für einige der Projekte mitbeschlossen hat, und Michael Müller (SPD). Der derzeitige Bundestagsabgeordnete und ehemalige Regierende Bürgermeister stammt ja aus Tempelhof.

Wiedersehen gab es beim Schöneberger Eck mit einem Politiker, der seine politische Karriere vor neun Jahren beendete, aber dessen Name immer noch bundesweit Strahlkraft hat: Klaus Wowereit (SPD), der als Regierender Bürgermeister von 2001 bis 2014 wie kein zweiter die Berliner Politik verkörperte. Auch er ist ein Kind des Bezirks, aufgewachsen in Lichtenrade, lange Jahre in der Bezirkspolitik aktiv, bevor er in Abgeordnetenhaus wechselte und von da an die Spitze des Berliner Senats.

1 Lichtenrader Revier: Gemeinschaftliches Wohnen am Stadtrand

Lichtenrade ist wohl der Ortsteil im Bezirk, in dem auf engem Raum an vielen Bauprojekten gleichzeitig gearbeitet wird. Die Belastungen sind also hoch für die Anwohnerinnen und Anwohner. Der Ausbau der Dresdener Bahn ist mit einer Großbaustelle verbunden, die Bahnhofstraße, die zentrale Straße Lichtenrades, wird umgebaut. Und direkt angrenzend entsteht mit der Alten Mälzerei als Landmarke das neue Wohnquartier "Lichtenrader Revier". Dort hatte Investor Thomas Bestgen mit seiner Projektentwicklungsgesellschaft UTB am Freitag zu einem großen Fest geladen. Über den Rohbauten der fünfgeschossigen Gebäude, die ein neues Stadtquartier bilden, wurde der Richtkranz hochgezogen.

202 neue Wohnungen entstehen hier am südlichen Stadtrand Berlins, alles ausschließlich Mietwohnungen, knapp zwei Drittel barrierefrei. 52 Prozent der Wohnungen sind öffentlich gefördert und sollen später zwischen 6,80 und 9 Euro pro Quadratmeter kosten. Die frei finanzierten Wohnungen werden in zwei Segmenten angeboten: mit einer freiwilligen Staffelung zwischen 7,92 und 12,80 Euro und einkommensunabhängig für 14,50 Euro den Quadratmeter. Die Mieten sollen laut Bestgen dauerhaft bezahlbar und gesichert sein. Außerdem sollen sämtliche Wohnungen einen gleich hohen Ausstattungsstandard haben mit Parkett, hochwertigen Fliesen und Sanitäreinrichtungen sowie Holzfenstern.

Wohnen an der Alten Mälzerei. Der Kiez bleibt autofrei.
Wohnen an der Alten Mälzerei. Der Kiez bleibt autofrei.

© UTB

Eine Inklusions-WG und eine Demenz-WG sollen Räume finden, ebenso wie eine Kita und Gemeinschaftsräume. Eine Besonderheit ist das Kiezschwimmbad mit seinem 15 mal 5 Meter großen Becken im Erdgeschoss eines der Gebäude. Die Bewohner sollen hier kostenlos schwimmen können. Dazu gibt es auch eine Sauna. Und Räume mit Waschmaschinen und Wäschetrocknern; denn in den Wohnungen sind keine Waschmaschinenanschlüsse verlegt. Alle diese Einrichtungen können digital gebucht werden. Zum Projekt gehören die Sanierung eines Bestandsgebäudes, der sogenannten Wohnscheibe, mit 53 Wohnungen sowie das alte Landhaus Lichtenrade an der Bahnhofstraße, das ein Restaurant mit einem Biergarten beherbergen wird.

Die Parkplätze werden in Tiefgaragen angeboten. Aber eigentlich bräuchten die Mieter kein eigenes Auto, sagt Bestgen. Das Quartier ist gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, der S-Bahnhof direkt benachbart. Es werden viele Fahrradparkplätze gebaut und Sharing-Angebote sollen zur Verfügung stehen. Das neue Quartier bietet auch viel Platz für Gemeinschaft, drei neue öffentliche Plätze entstehen, die für die Nachbarschaft offen sind – ebenso wie die Wege.

Künftige Bewohner erarbeiten ein Konzept für gemeinschaftliches Wohnen

Bestgen war von Anfang wichtig, die Nachbarschaft in die Planungen einzubeziehen und diese Planungen gemeinschaftlich auszurichten. Eine Gruppe künftiger Bewohner arbeitet seit einigen Jahren schon an Konzepten für gemeinschaftliches Wohnen und hat den Verein „Lichtenrader ReWIR“ gegründet. Der Verein hat auch ein Mitspracherecht bei der Auswahl der künftigen Mieter. Im letzten Quartal 2024 sollen die Bauarbeiten beendet sein.

Vor sieben Jahren haben die ersten Planungen für das Lichtenrader Revier begonnen. Für ein Projekt dieser Größenordnung keine ungewöhnliche Dauer. Investor Bestgen lobte in dieser Hinsicht die Politik: Mit Anspielung auf die benachbarte Bahn-Baustelle sagte er, der Bebauungsplan sei "mit der Geschwindigkeit eines ICE" erstellt worden.

Ein wesentlicher Bestandteil ist auch die Alte Mälzerei, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die Malzproduktion gebaut, aber nur wenige Jahre dafür und später vor allem als Lagerhaus genutzt wurde. 2016 kaufte Bestgen die Mälzerei und sanierte sie. Das Bezirksamt zog in mehreren Etagen als Mieter mit Volkshochschule, Musikschule, Bibliothek und Kindermuseum ein. Das alte Industriedenkmal wurde so zu einem Anziehungspunkt über die Bezirksgrenzen hinaus.

2 Schöneberger Eck: Mit Büros hoch hinaus

Dieses große Bauvorhaben wurde in den vergangenen Jahren wegen seines markanten Standortes und der Proteste einer sehr aktiven Anwohnerinitiative bekannt. Jetzt wurde auf dem Barbarossadreieck, einem keilförmigen Grundstück zwischen Martin-Luther-Straße, Barbarossastraße und Speyerer Straße, der Grundstein für ein zwölfgeschossiges Bürogebäude gelegt.

Investor ist die Immobilienentwicklungsgesellschaft Rockstone Real Estate, die seit zehn Jahren in Berlin aktiv ist und schon etliche Projekte hier realisiert hat, unter anderem an der Budapester Straße, der Kurfürstenstraße und in Prenzlauer Berg. Zudem werden auf dem Gelände, auf dem lange Jahre die Autowerkstatt Pitstop ansässig war, zwei Wohn- und Gewerbehäuser mit insgesamt 22 Wohnungen, die Hälfte davon barrierefrei, entstehen, die vom Projektpartner Kotek/Semel gebaut werden.

Wer mitten in der Stadt wohnt, muss auch eine gewisse Großstadtatmosphäre ertragen, sonst ist man fehl am Platz.

Klaus Wowereit

Das Bürohochhaus soll auf seinen zwölf Etagen 6000 Quadratmeter Bürofläche sowie 600 Quadratmeter für Gewerbe bieten. In das Erdgeschoss zieht die Drogeriekette Budni ein. Mieter wird auch die Caritas. Die Büroflächen können individuell an die Bedürfnisse der Mieter angepasst werden und so „New-Work-Büroformen mit großzügigen Meeting- und Kommunikationsflächen“ ermöglichen.

Rockstone-Gründer und -CEO, Dietrich E. Rogge, zeigte sich überzeugt davon, dass es nach wie vor eine hohe Nachfrage an solchen Büroflächen gebe. „Deshalb trauen wir uns auch zu, dort ein solches Bürohochhaus ohne Vorvermietung zu bauen.“ Das Gebäude soll ein begrüntes Dach erhalten sowie eine vertikale Fassadenbegrünung. Gebaut wird mit CO₂-reduziertem Beton, sodass man die CO₂-Belastung durch den Bau um 40 Prozent senken konnte.

An der Martin-Luther-Straße entsteht ein Zwölfgeschosser.
An der Martin-Luther-Straße entsteht ein Zwölfgeschosser.

© Rockstone Real Estate

Die neue Stadtentwicklungsstadträtin Eva Majewski (CDU) lobte, dass das Projekt eine gute Mischung darstelle. Es biete modernen Büroraum, Gewerbe und Wohnungen. Dabei war es die CDU, die neben der Linken in den vergangenen Jahren nicht von dem Vorhaben überzeugt war. Als die Bezirksverordneten im Sommer 2021 den Bebauungsplan beschlossen, stimmten die beiden Fraktionen dagegen. Die Union fand, dass ein Hochhaus nicht in die Umgebung passte, wie der CDU-Bezirksverordnete Ralf Olschewski damals sagte. Linke und CDU nahmen auch die Argumente der Bürgerinitiative auf, die eine Verschattung der umliegenden Gebäude befürchtete, zunehmenden Verkehr, Lärm sowie einen Präzedenzfall für weitere Hochhäuser.

Anders sah es jetzt der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der seine politische Karriere vor 44 Jahren in der Tempelhofer Bezirkspolitik begann und der von den Investoren zu einem Grußwort eingeladen worden war. „Wer mitten in der Stadt wohnt, muss auch eine gewisse Großstadtatmosphäre ertragen, sonst ist man fehl am Platz.“ Städte müssten sich entwickeln und wachsen, sagte Wowereit. „Und das bedeutet auch Verdichtung.“

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