zum Hauptinhalt
Berlin wünscht sich einen Nachfolger für das bundesweite 9-Euro-Ticket, das bis Ende August gegolten hat. Doch in Brandenburg gibt es Vorbehalte gegen den Berliner Alleingang.

© Foto: dpa/Christoph Soeder

Update

Einigung zu Nachfolgemodell: Verkehrsverbund spricht sich für 29-Euro-Ticket in Berlin aus

Der VBB macht den Weg frei für die Berliner Pläne zu einem befristeten Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Franziska Giffey hofft auf eine schnelle Lösung über Dezember hinaus.

| Update:

Der Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) hat sich für ein 29-Euro-Ticket in Berlin ausgesprochen. Dieses solle befristet bis zum 31. Dezember 2022 für den Tarifbereich Berlin AB gelten und voraussichtlich ab 1. Oktober als Abonnement ausgegeben werden, teilte der VBB mit. Eine tarifliche Ausweitung sei nicht vorgesehen. Ein formeller Beschluss muss allerdings erst noch erfolgen. Nach Tagesspiegel-Informationen ist damit in der kommenden Woche zu rechnen.

„VBB und Verkehrsunternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, operative Fragen des Vertriebs und der Abonnement-Verwaltung final zu klären. Analog zum 9-Euro-Ticket sollen Bestandskund*innen mit entsprechenden VBB-Abonnements im Gültigkeitsbereich Berlin AB automatisch berücksichtigt werden, sie müssen aktuell nicht tätig werden“, hieß es. Entsprechende Abstimmungen und Vorbereitungen würden nun getroffen, Fahrgäste sollen in Kürze weitere Informationen erhalten.

Nur Berliner Abonnenten sollen profitieren

Nun wird laut VBB ein schriftliches Beschlussverfahren eingeleitet. „Durch die Kurzfristigkeit der Sitzungseinladung konnten die Form- und Fristvorgaben nicht eingehalten werden, weswegen ein formeller Beschluss im Nachgang erfolgen muss“, heißt es in der Mitteilung.

Wie berichtet, soll das Ticket für Abonnenten im Tarifbereich AB gelten. Inbegriffen sind laut Beschlussvorlage etwa Abonnements von VBB-Umweltkarten, 10-Uhr-Karten und VBB-Firmentickets. Nicht abgesenkt werden die VBB-Abos Azubi und 65plus.

Wer kein bestehendes Zeitticket hat, muss für das 29-Euro-Ticket ab Oktober ein Abo abschließen. Anders als beim vorangegangenen Neun-Euro-Ticket kann der Fahrschein nicht monatlich bezogen werden. Die Abonnements sollen damit ab Januar zu den regulären Konditionen weitergelten. Jedoch soll allen Abonnenten zu Ende Dezember ein Sonderkündigungsrecht ermöglicht werden.

Zudem sollen alle Abonnenten zum 1. Januar selbst entscheiden können, ob sie ihr gewähltes Abonnement für den AB-Bereich weiterführen möchten, in eine Zeitkarte für einen anderen Tarifbereich wechseln wollen oder stattdessen fortan das für den Zeitraum ab Januar angedachte, bundesweit gültige Nachfolgeangebot zum Neun-Euro-Ticket beziehen.

Wir kämpfen dafür, dass Mobilität und soziale Teilhabe auch künftig nicht mehr als einen Euro pro Tag kosten.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD)

„Heute ist ein guter Tag für die Mobilität in Berlin“, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Roten Rathaus. „Wir sind der Überzeugung, dass wir gerade in diesen Zeiten für eine schnelle Entlastung sorgen müssen. Das Ticket wird sehr schnell ab Oktober wirken. Es ist aber auch langfristig der richtige Weg. Wir kämpfen dafür, dass Mobilität und soziale Teilhabe auch künftig nicht mehr als einen Euro pro Tag kosten.“

Giffey erklärte zu den Debatten um das neue Ticket im Vorfeld: „Bei einem so kurzfristigen Projekt braucht es viel Überzeugungsarbeit. Das ist uns gelungen. Wichtig ist, dass wir weiter gut im VBB und mit Brandenburg zusammenarbeiten.“ Und weiter: „Natürlich kann man sagen, das reicht nicht an Entlastung. Aber es war das was möglich ist. Die Brandenburger haben eine andere Entscheidung getroffen“, erklärte Giffey mit Blick darauf, dass das Ticket nur im Berliner Tarifbereich AB gültig ist. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) erklärte: „Das alles war keine einfache Geburt. Umso zufriedener können Sie uns heute sehen. Es wird eine spürbare Entlastung geben im Geldbeutel viele Hunderttausender Menschen.“

Veto im Vorfeld der Sitzung zurückgezogen

Im Vorfeld der VBB-Sitzung hatte Berlins Regierungschefin Giffey ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem 29-Euro-Ticket für Berlin aus dem Weg geräumt. Der Brandenburger Landrat Gernot Schmidt hat seinen Einspruch gegen die dringliche Sitzung des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) an diesem Donnerstag zurückgezogen, wie eine Sprecherin des Berliner Senats am Donnerstag sagte.

Nach Tagesspiegel-Informationen hatte Giffey zuvor mit ihrem Parteigenossen telefoniert. Damit konnte die Sitzung stattfinden, auf der das 29-Euro-Ticket für Berlin beraten und abgestimmt werden sollte. Zwar hatte Brandenburg trotz starker Bedenken angekündigt, das Hauptstadt-Ticket nicht zu blockieren, aber auch eine Mehrheit der Brandenburger Kommunen musste zustimmen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Landkreissprecher Thomas Berendt sagte der Deutschen Presse-Agentur vor der offiziellen Bekanntgabe des VBB, der Landrat habe die geänderte Beschlussvorlage des Gremiums inzwischen einsehen können. Aus dem Papier gehe hervor, dass die Brandenburger an den entstehenden Kosten nicht beteiligt seien – also auch keine Nachteile hätten.

„Ich möchte das Verfahren nicht blockieren“, sagte Gernot Schmidt am Donnerstag dieser Zeitung. „Es geht auch um die Zukunft des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg. Finanziell ist alles geklärt. Das Ticket wird keine finanziellen Belastungen für Brandenburg haben.“ Ehe der Landrat einlenkte, hatten sich dem Vernehmen nach Berlin und Brandenburg auf eine abgestimmte neue Vorlage geeinigt.

Brandenburg will die Berliner machen lassen

Landrat Schmidt hatte am Mittwoch förmlich Einspruch gegen die Dringlichkeit der Sitzung des VBB eingelegt. Hintergrund war offenbar, dass die Beschlussvorlage erst am Nachmittag von der VBB-Aufsichtsratsvorsitzenden und Berliner Mobilitätsstaatssekretärin Meike Niedbal verschickt wurde.

In Brandenburg gibt es ohnehin starke Vorbehalte und Widerstände gegen den bundesweiten Berliner Alleingang, vor dem vom Bund angekündigten deutschlandweiten 49- bis 69-Euro-Ticket ein eigenes Berliner Ticket aufzulegen. Ein gemeinsames Ticket für die drei Monate lehnt Brandenburg sowieso ab.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Jan Redmann, sagte am Donnerstag im rbb24 Inforadio, es sei „nicht die grundsätzliche Absicht von Brandenburg“, die Berliner Pläne im VBB zu stoppen. Redmann kritisierte die Idee jedoch scharf. „Wir halten das 29-Euro-Ticket für falsch. Wir halten auch das Vorgehen Berlins zu diesem Zeitpunkt für falsch, weil sich ja gerade alle Bundesländer mit dem Bund darüber unterhalten, wie eine Nachfolgeregelung aussehen könnte.“

Man sehe in Brandenburg „viel dringendere Prioritäten“, erklärte Redman weiter. Insbesondere sei nicht geklärt, wie man mit den immensen Energiemehrkosten im öffentlichen Nahverkehr umgehe. „Wir würden auch gern den Nahverkehr im ländlichen Raum stärker ausbauen. Deshalb haben wir uns auch nicht an den 29-Euro-Diskussionen beteiligt.“ Erstmal müsse man den Menschen auf dem Land ein Angebot machen.

Wirklich populistische Politik.

Jan Redmann, Brandenburger CDU-Fraktionsvorsitzender, über das Handeln Berlins

Wenn Berlin, das wie alle Bundesländer durch die nach Corona etwas angestiegene Konjunktur ein bisschen mehr Geld im Jahresverlauf zur Verfügung habe, dieses „sofort als Wahlkampfgeschenk verfrühstücken möchte“, werde Brandenburg das auch nicht verhindern, sagte Redmann. Man halte das Handeln Berlins trotzdem „für einen Fehler“ und für „wirklich populistische Politik“, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende.

Allerdings habe das Land Brandenburg, das auch im Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds vertreten ist, für sich entschieden, „die Berliner das machen zu lassen.“ Berlin müsse aber auch die Landkreise mitnehmen. Bereits vor wenigen Tagen hatte Redmann kritisiert, Berlin setze „wegen eines Wahlkampfmanövers“ den VBB aufs Spiel.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) reagierte zurückhaltend auf den Berliner Alleingang. „Ich verfolge ein anderes Ziel“, sagte Wissing am Donnerstag. Bei der Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket gehe es ihm um ein „ganz niedrigschwelliges Eintrittsticket“ für den Nahverkehr. Es müsse bundesweit gelten und besonders auch für Gelegenheitsfahrer attraktiv sein, die Busse und Bahnen ausprobieren wollen.

Wissing forderte, die komplexen Tarifsysteme radikal zu vereinfachen. Das 29-Euro-Ticket verfolge dieses Ziel nicht, sagte er mit Blick auf die Berliner Zwischenlösung. Wissing äußerte sich zuversichtlich zu einem Folgeangebot für die ausgelaufenen Neun-Euro-Tickets im Nahverkehr. Er sei „froh, dass wir bis Januar eine Anschlusslösung für das Ticket finden können und auch wollen.“ Dazu stehen noch Verhandlungen mit den Ländern an. (mit dpa)

Korrekturhinweis: Wir hatten unter Berufung auf die VBB-Vorlage berichtet, dass sich auch für Brandenburger der Preis (etwa für das ABC-Ticket) durch das 29-Euro-Ticket reduziert. Das ist falsch. Berlin zahlt nur 34 Euro an Brandenburg, wenn dort ein 29-Euro-Ticket für Berlin AB erworben wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false