zum Hauptinhalt
Projekt mit Schattenseiten. Nach der Aufsichtsratssitzung – das Foto zeigt den Vorsitzenden Klaus Wowereit auf dem Weg zur Pressekonferenz am Donnerstagabend – steht zwar weiter kein Eröffnungstermin für den Flughafen fest, aber ein aktualisiertes Lärmschutzkonzept für die Anwohner. Doch das finden längst nicht alle akzeptabel. Foto: dapd/K.-D. Gabbert

© dapd

BER-Baustelle: "Es wird weiter getrickst"

Am Tag nach der BER-Aufsichtsratsitzung: Brandenburg kalkuliert schon mal mit weiteren Millionen, für Platzeck gibt’s Lob – und für Wowereit?

In Brandenburg wappnet sich die Regierung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) dafür, dass der Schönefelder Airport Willy Brandt noch teurer werden kann als die veranschlagten 4,3 Milliarden Euro.  Nach Tagesspiegel-Recherchen hat Brandenburgs rot-rotes Kabinett im kürzlich verabschiedeten Doppelhaushalt für die Jahre 2013/ 2014 zur Sicherheit insgeheim deutlich größere Vorsorge für das BER-Desaster getroffen als für die 435 Millionen Euro, die entsprechend Brandenburgs Gesellschafteranteil an den mit 1,17 Milliarden Euro bezifferten Mehrkosten fällig wären.

Nach dem Etatentwurf hätte die Regierung für den Fall weiterer BER-Kosten schnell Zugriff auf 620 Millionen Euro für das BER-Desaster, und zwar ohne nötigen Nachtragshaushalt. Lediglich eine Einwilligung des Finanzausschusses wäre erforderlich, was in Brandenburg die CDU – anders als in Berlin Opposition im Parlament – nach Worten ihres Finanzexperten Ludwig Burkardt für „haushaltsrechtlich außer bedenklich“ und eine „Missachtung des Parlamentes“ hält.

Möglich wird es dadurch, dass 222 Millionen Euro für 2013 und 30 Millionen Euro für 2014, das Jahr der nächsten Landtagswahl, fest veranschlagt wurden. Die Restsumme von 180 Millionen Euro sollte aus einer in den Vorjahren angesparten Rücklage gespeist werden. Doch der Zugriff auf die Rücklage, die mit 372 Millionen Euro gut gefüllt ist, wurde nicht gedeckelt. Sie könnte komplett für den BER genutzt werden, so dass 620 Millionen Euro bereit stünden.

Das Potsdamer Finanzministerium bestätigt in einem Vermerk: „Diese Form der Veranschlagung wurde gewählt, da bislang nicht präzise absehbar ist, wann und in welcher Höhe haushaltswirksam mit Zusatzkosten für den Flughafen gerechnet werden muss.“

Bildergalerie: Die wichtigsten Ergebnisse der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag

Noch gibt der Flughafen die aktuellen Kosten – inklusive der Zusatz-Milliarde – mit 4,3 Milliarden Euro an. Einen Bericht, die Summe habe sich auf 4,7 Milliarden Euro erhöht, wies Sprecher Ralf Kunkel am Freitag zurück. In den 4,7 Milliarden seien so genannte Drittinvestitionen enthalten; etwa für den Bahnanschluss und für Parkhäuser.

"menschenverachtende Blockade-Politik Wowereits"

Auf der anderen Seite sind auch Entlastungen in Sicht. In den 1,17 Milliarden Euro waren allein für Schallschutz 591 Millionen Euro infolge des Urteils des Oberverwaltungsgerichtes Berlin Brandenburg eingeplant. Benötigt wird nach den jüngsten Schallschutz-Beschlüssen des Aufsichtsrates nun etwas weniger, wohl etwa eine Summe von rund 400 bis 450 Millionen Euro. Für jeden der betroffenen 10 000 Haushalte in der BER-Kernzone stünden im Durchschnitt statt der bisherigen rund 7000 Euro, womit der Flughafen bei Bewilligungen laut „systematisch“ den Planfeststellungsbeschluss brach, für Schallschutz rund 47 000 Euro zur Verfügung.

Trotzdem gibt es weiter Kontroversen. Begrüßt wird der „überfällige Durchbruch“ von Ortwin Baier (SPD), dem Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow. Seine Gemeinde liegt unmittelbar an der Piste und am stärksten vom Fluglärm bedroht. Wegen des Billig-Schallschutzes hatte er sich mit der Landesregierung der eigenen Partei überworfen.

Nun ist Baier voll des Lobes. Er danke Platzeck, dass er die „menschenverachtetende Blockade-Politik Wowereits“ beim Schallschutz gestoppt habe. Dass das Schutzniveau mit dem Berechnungsfaktor von 0,49 Überschreitungen des Zimmerlautstärkepegels von 55 Dezibel pro Tag immer noch leicht von der Null-Grenze des Oberverwaltungsgerichtes abweicht, das keine einzige Überschreitung erlaubte, hält Baier für „vertretbar“. Man könne so einen guten Schallschutz gewährleisten.

Im Gegensatz dazu sehen der Anti-Flughafen-Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVVB), die CDU und Grünen in Brandenburgs darin eine Aushöhlung des OVG-Urteils, eine Fortsetzung des Betruges an den Anwohnern. Auch der SPD-Flughafenkritiker und Abgeordnete Christoph Schulze sagt: „Es wird weiter getrickst.“ Und der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann, der Betroffene vertritt, schließt eine Klage nicht aus. „Es ist nicht der Standard, den das OVG formuliert hat.“ Dass die im Infrastrukturministerium angesiedelte Planfeststellungsbehörde das mittrage, lasse Zweifel an deren Unabhängigkeit aufkommen. „Sie kommt dem Flughafen entgegen, weil Brandenburg Gesellschafter ist.“ Der Flughafen will beim Schallschutz nun schnell neu starten. Sprecher Kunkel forderte die Anwohner, die keinen Antrag gestellt haben, auf, dies jetzt vorzunehmen. Der Flughafen werde bei der Umsetzung helfen. Die bisher erteilten 16 000 Fehl-Bewilligungen müssen zudem nun nach den großzügigeren Maßgaben neu berechnet werden.

Offen bleibt weiter, wann der Flughafen in Betrieb gehen kann. Air Berlin und Lufthansa haben am Freitag erneut darauf gedrängt, schnell einen verlässlichen Termin zu nennen. Vor allem Air Berlin will einen weiteren Sommer in Tegel vermeiden. Intern sind sich der Flughafen und seine Eigner im Klaren, dass der 17.März 2013 nicht zu halten ist. Das Problem besteht darin, dass für einen verlässlichen  Termin belastbare Grundlagen fehlen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false