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Bislang nur angeschubst: Sozialverbände hoffen, dass die Landes-Maßnahmen zur Entlastung schnell realisiert werden.

© dpa / dpa/Rolf Vennenbernd

Berliner Entlastungspaket: Sozialverbände fordern Konkretisierung und schnelle Umsetzung

Die Vertreter der Verbände kritisieren, dass die Summe noch nicht fest steht und viele Fragen ungeklärt bleiben. Bei einem Treffen am Freitag soll über weitere Details gesprochen werden.

Berliner Sozial- und Arbeitnehmerverbände haben vom Senat beim Entlastungspaket mehr Tempo und konkretere Vorgaben gefordert. Die rot-grün-rote Koalition hatte sich zu Wochenbeginn auf die Eckpunkte bei den Krisen-Entlastungen für Berlinerinnen und Berliner verständigt. Doch viele Fragen bleiben: Wann die Entlastungen kommen, wie genau sie realisiert werden und wie viel Geld tatsächlich fließen wird, ist noch unklar.

Das Paket soll anstatt der ursprünglich vereinbarten 380 Millionen Euro zwischen 800 Millionen und 1,5 Milliarden Euro schwer sein. Die vorgestellten Maßnahmen betreffen den öffentlichen Nahverkehr – mit dem Berliner AB-Ticket für 29 Euro – sowie finanzielle Entlastungen für Privathaushalte, Unternehmen und soziale Träger. Am Freitag will die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Roten Rathaus die Details mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitnehmer-, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden besprechen – und die haben schon einige Knackpunkte ausgemacht.

Andrea Asch, Vorständin der Diakonie Berlin-Brandenburg, lobt die grundsätzlichen Bemühungen der Koalition, sagt aber auch: „Wir brauchen jetzt eine schnelle Konkretisierung der Pläne, auch mit Blick auf die tatsächlich veranschlagte Haushaltssumme.“ Kleine Träger drohten bereits, in die Knie zu gehen. Dass die Maßnahmen für Privathaushalte, wie im Koalitionspapier festgehalten, „in Abhängigkeit von den weiteren Bundeshilfen“ erfolgen sollen, sei zu sehr auf die lange Bank geschoben, sagt Asch. Sie fordert eine Umsetzung der Entlastungsmaßnahmen in den nächsten Wochen.

Einmalzahlung helfen nur bedingt.

Oliver Bürgel, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Berlin

Die Koalition will auch für soziale Einrichtungen die Folgen der Preissteigerungen über den Energiekostenfonds mit den Einmalzahlungen abfedern. Vorgesehen sind 300 Euro pro Betriebsplatz für sogenannte entgeltfinanzierte Leistungen. Derlei Einrichtungen etwa für wohnungslose Menschen oder Kinder und Jugendliche verhandeln ihre Entgelte für ein Jahr im Voraus.

Oliver Bürgel, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Berlin, hält von den Pauschalen nicht viel: „Einmalzahlung helfen nur bedingt.“ Zu befürchten sei, dass es nur bei dieser kleinen Spritze bleibe. Derzeit seien die starken Preissteigerungen in den Entgelten nicht berücksichtigt. „Die Berechnungsbasis muss an die Realität angepasst werden“, fordert Bürgel.

Anrechnung der Pauschalen?

Die Diakonie und der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin fürchten sogar, dass die 300 Euro Einmalzahlungen im nächsten Jahr auf die Entgelte angerechnet werden könnten. „Wir erwarten, dass die künftige Kostenfestsetzung die tatsächliche Preisentwicklung abbildet“, sagt Martin Hoyer, stellvertretender Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin. Das könne man nicht mit Pauschalen, die „einigermaßen willkürlich“ gesetzt werden, abgelten. Auch Diakonie-Vorständin Asch ist gegen eine mögliche Einpreisung der Pauschale: „Das wäre ein Nullsummenspiel und keine Entlastung“, sagt Asch.

Der Paritätische Wohlfahrtverband sieht zudem kritisch, dass geförderte Projekte dazu aufgerufen werden, einen Eigenbeitrag zu leisten. Eigene Anstrengungen wie Energiesparmaßen unterstütze man voll, schwierig wäre es aber, wenn finanzielle Eigenbeiträge als Teil der Wirtschaftspläne erfolgen sollten. Betroffene Projekte hätten kaum Möglichkeiten, bei den Sachkosten zu sparen, sagt Hoyer. „Muss Personal abgebaut werden, um die Wirtschaftspläne einzuhalten?“, fragt er. Dazu wünsche er sich eine Klarstellung von der Politik.

DGB Berlin-Brandenburg fordert Sonderförderung für Krankenhäuser

Auch die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Berlin-Brandenburg (DGB), Nele Techen, spricht mit Blick auf das Koalitionsvorhaben von einem „guten Papier“, das aber konkret umgesetzt werden müsse. „Es muss einen Zeitplan geben“, fordert sie. Bei den geplanten Maßnahmen fehlt ihrer Ansicht nach die Unterstützung für den Gesundheitsbereich, etwa für Krankenhäuser. „Brandenburg hat hierzu bereits eine Sonderförderung aus dem Landeshaushalt beschlossen. Berlin sollte dem folgen“, sagt Techen. Die Koalition sieht hier aber vor allem den Bund in der Verantwortung.

Lob für das Paket kam indes von der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). Der Mix aus Liquiditätshilfen und Energiekostenzuschüssen sei ein „wichtiges Zeichen, auch in Richtung Wirtschaft“, sagte IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Er mahnte jedoch, dass „eine bürokratiearme, digitale und niederschwellige Umsetzung“ entscheidend sei. So solle sich die Unterstützung am Anteil der Energiekosten und nicht an der Unternehmensgröße orientieren, sagte Stietzel. Vom Bund forderte er, ebenso wie Giffey, eine Steuerstundung sowie eine Verlängerung der Befreiung von der Insolvenzantragspflicht.

Kritik am Senatspaket kam von der Opposition. „Vor allem energieintensive Unternehmen, die viele Arbeitsplätze in der Stadt stellen, stehen massiv unter Druck und müssen im Notfall gestützt werden – da sehe ich nicht, dass der Senat sich ausreichend drauf vorbereitet“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. Die 105 Millionen Euro für das 29-Euro-Ticket wären besser für direkte Unternehmenshilfen aufgehoben gewesen.

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