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Nebenkläger Ferat Koçak (Die Linke) im Gerichtssaal des Kriminalgerichts Moabit.

© Foto: dpa/Christian Ender

„Nichts wird wieder wie vorher“: Berliner Politiker Ferat Koçak sagt im Neukölln-Prozess aus

In der mit Spannung erwarteten Vernehmung des Linke-Abgeordneten verweist dieser auf die Folgen des Anschlags auf seine Person. Noch immer leide er unter Angstzuständen.

Anlässlich seiner mit Spannung erwarteten Vernehmung im Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Drahtzieher einer rechtsextrem motivierten Anschlagsserie in Neukölln hat der Berliner Abgeordnete Ferat Koçak (Linke) auf die anhaltenden Folgen eines gegen ihn gerichteten Brandanschlags verwiesen.

„Nichts wird wieder wie vorher“, erklärte Koçak am Montag vor dem Kriminalgericht Tiergarten. Er leide bis heute an Schlafstörungen, habe Angstzustände und benötige psychologische Hilfe, sagte Kocak weiter. Er befinde sich in psychologischer Beratung und werde zeitnah einen Therapieplatz antreten.

Der von einem am 1. Februar 2018 verübten Brandanschlag auf sein Auto und das Haus seiner Eltern betroffene Politiker zeigte sich auch fast fünf Jahre nach der Tat überrascht davon, Ziel der Attacke geworden zu sein. „Bis dahin hatte ich mir nicht vorstellen können, dass ich angegriffen werde“, sagte Koçak. Er habe nie das Gefühl gehabt, ausspioniert zu werden. Seit dem Anschlag wechsele er regelmäßig die Schlafstätte, bewege sich mehr zu Fuß und beobachte seine Umgebung sehr viel intensiver.

Ihr seid nicht deutsch. Ihr seid heimtückisch und feige.

Opfer Heinz Ostermann zu den Angeklagten

Die beiden Hauptverdächtigen für den Anschlag, der ehemalige NPD-Politiker Sebastian T. sowie Ex-AfD-Bezirksvorstand Tilo P., verfolgten die Vernehmung Koçaks äußerlich regungslos. Das einzige direkte Aufeinandertreffen zwischen T. und Koçak habe es in den letzten Wochen des Abgeordnetenhaus-Wahlkampfs 2021 gegeben, erklärte Koçak und sprach von einer „Angstbewältigung“ seinerseits. P. habe er bis auf das Aufeinandertreffen im Gerichtssaal nie zuvor persönlich gesehen.

Unbeachtet blieb die Rolle Koçaks, der nicht nur als Betroffener im Prozess aussagte, sondern dort nach anfänglicher Ablehnung inzwischen auch als Nebenkläger vertreten ist. Dass Koçak darüber hinaus Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Terrorserie im Abgeordnetenhaus ist, hatte zuvor für Kritik insbesondere des Verteidigers von P., Mirko Röder, gesorgt.

Genau wie Koçak verwies auch der zweite am Montag vernommene Betroffene der Neuköllner Anschlagsserie, der Buchhändler Heinz Ostermann, auf die Folgen der gegen ihn gerichteten Taten. „Das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können“, sagte Ostermann, nachdem zunächst das Schaufenster seiner Buchhandlung zerstört und später binnen eines Jahres zwei Autos angezündet worden waren. „Geschockt“ sei er gewesen und „wachsamer“ geworden, erklärte Ostermann, der bekundete: „Ich bin durch die Anschläge eher politischer geworden.“

Für einen Moment der Aufregung an diesem ansonsten unspektakulären Verhandlungstag sorgte Ostermann unmittelbar nach dem Ende seiner Vernehmung. Direkt an T. und P. gerichtet sagte er: „Ihr seid nicht deutsch. Ihr seid heimtückisch und feige.“ Auf den Applaus von den Zuschauerrängen folgte eine Tirade Röders gegen einen Redakteur des RBB, dessen Berichterstattung Ostermann aufgestachelt habe. Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt.

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