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© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Klaus-Dietmar Gabbert

Berliner Schüler fordern „Drogengipfel“: Verwaltung prüft Treffen – Suchtberatung kann Problem „nicht pauschal bestätigen“

Konsum und Handel von illegalen Substanzen nehme an den Berliner Schulen zu, sagen Schülervertreter. Die Bildungsverwaltung sagt, sie nehme das Thema „sehr ernst“.

Der Landesschülerausschuss (LSA) attestiert den Berliner Schulen ein Drogenproblem. Fälle von Drogenkonsum würden sich an einigen Schulen häufen, mitunter auch in unteren Stufen, heißt es in einem Positionspapier des LSA. Weiter heißt es: „Sei es auf der Schultoilette, dem Schulhof oder vor dem Schultor, es wird nicht nur konsumiert, sondern auch gehandelt, vor allem mit Cannabis, aber auch immer häufiger mit härteren Drogen.“

Viele Schulen würden das Problem bewusst herunterspielen, „um nicht die Attraktivität und das positive Bild der Schule zu gefährden“, kritisiert der LSA. Die Schülervertretung fordert einen „Drogengipfel“, bei dem die Schulverwaltung zusammen mit Schulen und Wissenschaftler:innen an Lösungsstrategien arbeiten sollen.

Zu dem Problem ist ein Runder Tisch im Gespräch

Die Schulverwaltung reagierte am Freitag zurückhaltend. Ein Sprecher sagte dem Tagesspiegel: „Das Thema nimmt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sehr ernst und bietet seit vielen Jahren zahlreiche Suchtpräventionsangebote an.“ Dafür gebe es eine ressortübergreifende Kooperation und entsprechende Leitlinien auf Landesebene. Auch sei das Thema fest in den Rahmenlehrplänen für die Berliner Schulen verankert. 

Die Frage, ob die Verwaltung die Ansicht teilt, dass Berlins Schulen ein Drogenproblem haben, wurde nicht beantwortet. Mit Blick auf die Forderung nach einem Gipfel sagte der Sprecher: „Gemeinsam mit der Landessuchtbeauftragten wird aktuell geprüft, in welchem Format – zum Beispiel als Runder Tisch – und mit welchen Beteiligten eine Veranstaltung zum Thema stattfinden kann.“ In die Vorbereitungen werde man „selbstverständlich“ den Landesschülerausschuss einbeziehen.

Darüber hinaus verwies die Verwaltung auf schulische Präventionsprojekte, die durch die schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungsstellen (SIBUZ) angeboten würden.

Die Fachstelle Suchtberatung widerspricht der Darstellung des LSA. Geschäftsführerin Anke Timm sagte dem Tagesspiegel: „Wir als Fachstelle für Suchtprävention Berlin können nicht pauschal bestätigen, dass Berliner Schulen ein Drogenproblem haben.“ Ein Großteil der Berliner Schülerschaft konsumiere keine legalen oder illegalen Substanzen und sehe den Umgang damit kritisch.

Schülervertreter gehen von hoher Dunkelziffer aus

In Workshops der Fachstelle berichteten Schüler allerdings über Konsumerfahrungen und den Umgang mit legalen und illegalen Substanzen. Auch werde regelmäßig erzählt, dass legale Substanzen, die gemäß dem Jugendschutzgesetz erst an über 18-jährige Personen abgegeben werden dürfen, leicht zu beschaffen seien.

Paul Seidel vom Landesschülerausschuss sagte dem Tagesspiegel auf Nachfrage, es gebe eine „hohe Dunkelziffer“ beim Drogenkonsum in Schulen. Aus LSA-Sicht könne er sagen, dass das Problem seit Corona zugenommen habe. Deswegen brauche es „ähnlich wie zum Thema Jugendgewalt“ einen Gipfel.

Aufklärung ohne Angst gefordert

Vor eineinhalb Wochen wurde bekannt, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein 13-jähriges Mädchen gestorben war, nachdem sie offenbar eine Ecstasy-Pille zu sich genommen hatte. Dabei soll es sich um die gefährliche, oft extrem hoch dosierte Sorte „Blue Punisher“ gehandelt haben. Auch eine 15-Jährige aus Brandenburg starb am Drogenkonsum. Im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum musste in diesem Jahr bereits 14 Kinder und Jugendliche nach dem Konsum illegaler Drogen auf der Intensivstation behandelt werden.

„Natürlich lässt es niemanden kalt, wenn Minderjährige Ecstasy konsumieren“, sagte der drogenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Vasili Franco, dem Tagesspiegel. „Zu Recht fordert der Landesschüler:innenausschuss eine Enttabuisierung ein. Ob der Alkoholkonsum während und nach der Prüfungszeit, die Raucherecke auf dem Schulhof, die heimliche Vape auf der Schultoilette, das Cannabis im Schließfach oder der einfache Zugang zu Pillen oder Pulver. Diese Punkte sollen angesprochen werden, aber ohne damit auszugrenzen, stigmatisieren oder lediglich mit der Absicht zu kriminalisieren.“

Entscheidend ist laut Franco Präventionsarbeit, die direkt in den Schulen stattfindet. „Diese Aufklärung sollte von geschultem Fachpersonal innerhalb eines geschützten Raumes, ohne Angst vor Konsequenzen für Schüler:innen, geleistet werden können. Dazu braucht es nicht mehr Polizei an Schulen, sondern mehr Geld für Präventions- und Beratungsarbeit, für eine niedrigschwellige und an den Lebensrealitäten orientierte Aufklärung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Drogen.“

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