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Spittelmarkt um 1833: ein Hund, der einen kleinen Milchwagen zieht, sitzt im links unten im Bild.

© Sammlung Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Auf den Hund gekommen: So finanzierte Berlin ab 1830 das Pflastern der Bürgersteige

In Folge 29 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte dreht es sich um schuftende Hunde und Berlins Gehwege.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Wer die Zahl wohl ausgerechnet hat: jeden Tag landen angeblich rund 55 Tonnen Hundekot auf Berlins Straßen. Wer in der Stadt zu Fuß unterwegs ist, muss gewarnt sein. Die Haufen sind gewiss nicht schön, aber daran sind nicht die „Fußhupen“ und „Köter“ sondern ihre Halter Schuld. Die Tiere haben unseren Respekt verdient.

Heute fast vergessen ist, dass die karnivoren Vierbeiner über Jahrhundertelang zu schuften hatten auf Berlins Straßen, einige härter als die menschlichen Berliner:innen. Auf vielen historischen Fotos sieht man Hunde, die vollgepackte Holzkarren ziehen oder Höfe hüten. Und da ist noch etwas: Der Bär mag Berlins Wappentier sein, aber es sind die Hunde, denen die Stadt ihre Bürgersteige verdankt.

Im frühen 19. Jahrhundert war es keen Vernjüjen Berlin zu Fuß zu erkunden. Sandig oder matschig waren die Straßen. Der französische Schrifsteller Marie-Henri Beyle, bekannt unter seinem Pseudonym Stendhal, schrieb im November 1806 an seine Schwester: „Berlin liegt an einer Sandwüste, die ein wenig nordöstlich von Leipzig beginnt. Die Plätze sind alle nicht gepflastert, so daß man bis an den Knöchel einsinkt […] Ich begreife nicht, wie jemand auf den Gedanken geraten ist, mitten in diesen Sand eine Stadt zu gründen.“

Das war keine seltene Kritik. Die Betreiber des „Lutter & Wegner“, damals eines der bekanntesten Berliner Etablissements, gelegen in der Charlottenstraße 49, wollte seinen Gästen den Zugang erleichtern, ohne, dass sie in Sand oder in Matsch versinken mussten. Also ließen die Betreibe große Granitplatten vor dem Laden ausgelegen. Das hatte auch den Vorzug, dass die Gäste der Sand nicht direkt in die Weinstube trugen.

Trinkfeste Freunde des Hauses, darunter der Schauspieler Ludwig Devrient und sein Kompagnon, der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann, behielten nach ihren feuchtfröhlichen Abenden in der Weinstube für ein paar Schritte festen Grund unter den Füßen.

Berliner Trottoir links vom Oranienburger Tor im Jahr 1867.

© F.A. Schwartz

Die Idee setzte sich durch und 1825 befiel König Friedrich Wilhelm III., von dem neuen Trottoir ziemlich angetan, dass alle Berliner Fußwege mit ähnlichen Steinen gepflastert werden sollen. Die Frage war nur, wer die Rechnung bezahlt. Der König meinte, die Hausbesitzer. Seit Ende 18. Jahrhundert sollten sie sich bitteschön sich um die Fußwege vor ihren Häusern kümmern. Sie wollten aber nicht, und hatten einen Trumpf in den eleganten Ärmeln: Sie gehörten zur Berliner Stadtverordnetenversammlung und dürften neue Steuern verhängen.

Also beschlossen sie eine neue Abgabe auf „Luxushunde“, die 75 Prozent alle Kosten decken sollten. Als Luxushunde wurden alle nicht arbeitenden Vierbeiner betrachtet, davon gab es geschätzt um 6000. Hunde, die Karren ziehen mussten oder als Wachhunde dienten, waren nicht steuerpflichtig. Interessanterweise wurden auch Jagdhunde als „Luxushunde“, also „steuerpflichtig“, eingestuft, obwohl viele Hausbesitzer selbst welche besaßen. Der Berliner Magistrat befand aber, ein Jagdhund diene seines Herrchens Amüsemang.

Die im Jahr 1830 eingeführte „Hundesteuer“ deckte tatsächlich einen großen Teil der Kosten der Bürgersteigpflasterung. Das könnte die Nonchalance unserer heutigen Vierbeiner beim Verlassen ihres „Tatorts“ erklären: Ohne ihre Ahnen gäbe es in Berlin womöglich bis heute keine gepflasterten Wege.

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