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Die Gründer von Boreal Light, Ali Al-Hakim (li.) und Hamed Beheshti vor einer ihrer Wasserreinigungsmaschinen.

© Boreal Light

Jeder Fünfte macht sich selbstständig: Berliner Unternehmer mit Migrationshintergrund ausgezeichnet

Knapp 20 Prozent der nach Deutschland gekommenen Migranten haben in den vergangenen drei Jahren ein Unternehmen gegründet. Der Senat hat nun einige von ihnen geehrt.

Solarzellen produzieren Gleichstrom, Pumpen zur Wasseraufbereitung benötigen Wechselstrom. Meist wandeln Batterien oder Inverter den Strom um – in entlegenen Gebieten sei das ein Problem, sagt Ali Al-Hakim. Batterien seien teuer, das mache die Aufbereitung von Wasser für viele unbezahlbar. Seine Firma hat ein Verfahren entwickelt, das ohne Batterien auskommt. 1000 Liter Wasser zu filtern kostet so nur 50 Cent.

Al-Hakim hat 2014 mit seinem Geschäftspartner Hamed Beheshti, Boreal Light gegründet. Von Marienfelde aus verkaufen die Berliner Maschinen in 20 Länder. Die Anlagen können Schadstoffe und Krankheitserreger aus dem Wasser filtern. Für ihr Unternehmen haben die beiden Partner gerade den „Vielfalt unternimmt“-Preis im Roten Rathaus erhalten.

Al-Hakim floh mit zehn Jahren aus dem Irak, Beheshti kam vor 18 Jahren aus dem Iran. Unter Migranten ist die Gründungsquote mehr als doppelt so hoch wie die von Personen ohne Einwanderungsgeschichte. Knapp 20 Prozent der nach Deutschland migrierten Menschen haben in den vergangenen drei Jahren ein Unternehmen gegründet oder sind gerade dabei.

Das ist ein Ergebnis des „Global Entrepreneurship Monitor“ (GEM), den das RKW Kompetenzzentrum der Wirtschaft zusammen mit der Leibniz Universität Hannover jüngst vorgestellt hat. Der GEM vergleicht die Gründungsquoten in mehr als 50 Ländern. In Deutschland stieg sie 2022 um 2,2 Prozent auf 9,1 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1999. Die USA kamen im vergangenen Jahr auf knapp 20 Prozent, Panama auf 30 Prozent.

13,7
Prozent betrug die Gründungsquote 2022 in Berlin

Obwohl die Stichprobe von 343 Befragten klein ist, lohnt sich ein Blick nach Berlin: Hier betrug die Gründungsquote 13,7 Prozent, in Brandenburg lag sie bei 9,2 Prozent. Insgesamt waren die Quoten von Frauen im Osten geringfügig höher als im Westen der Republik. Auch der Gendergap war kleiner, jedenfalls ohne die Hauptstadt: In Berlin starteten in den vergangenen drei Jahren 9,7 Prozent der Frauen und 17 Prozent der Männer eine Firma. Das waren die höchsten Gründungsquoten.

Senatspreis ist „Ehrensache“

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) möchte, dass mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund ein Unternehmen gründen. Wie Birol Sevim. Sevim leitet eine Fahrschule und hat 90 Angestellte. 70 Autos mit dem Schriftzug „Sevim“ sind im Nordwesten der Stadt unterwegs.

Alle Preisträger im Roten Rathaus. Ganz links steht Birol Sevim, der Geschäftsführer der Fahrschule Sevim.
Alle Preisträger im Roten Rathaus. Ganz links steht Birol Sevim, der Geschäftsführer der Fahrschule Sevim.

© Jo Jankowski

„Mein Opa kam als Gastarbeiter aus der Osttürkei nach Deutschland, er wollte nur drei Monate bleiben, hatte seine Koffer jahrelang nicht ausgepackt“, erzählt Sevim. Dass er im Roten Rathaus eine Urkunde erhalten habe, sei eine „Ehrensache“. Sevim kam 1981 in West-Berlin zur Welt. Manchmal nehme man ihn in Behörden weniger ernst als andere. Schwerer wiege, dass er in Wedding, einem „Ghetto“, aufgewachsen sei. „Es gibt nur wenige, die es rausgeschafft haben.“ Die Ehrung nehme er im Namen der Gastarbeiter und im Namen derer an, „die es geschafft und nicht geschafft haben“.

Im Gegensatz zu ihm haben Beheshti und Al-Hakim Deutsch nicht als Muttersprache gelernt. Das sei in Behörden gelegentlich ein Problem, dort spreche man ausschließlich Deutsch. Al-Hakim spricht die Sprache fließend, trotzdem hätte er sich mehr Hilfe gewünscht, zum Beispiel ein spezielles Programm für Menschen mit Migrationshintergrund. „Dann hätten wir auch gewusst, dass keiner die Firmenrechtsform UG wirklich ernst nimmt.“

Sein Geschäftspartner Beheshti schwärmt von der Hauptstadt. Die Bedingungen seien besser als vor zehn Jahren. Die Befragung des GEM bestätigt das. Gründende mit Einwanderungsgeschichte schätzen ihre Chancen deutlich besser ein als die ohne Migrationserfahrung. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich Migrant:innen häufiger entscheiden, eine Firma zu gründen, weil es an Erwerbsalternativen mangelt.

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