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Pflegeheime kriegen von der Pflegekasse je nach Pflegegrad einen festen Geldbetrag. Der Eigenanteil kommt obendrauf.

© Andreas Klaer

Recht auf Pflegeplatz?: CDU-Forderung provoziert geteiltes Echo

Der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Gräff hatte in dieser Zeitung einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz gefordert. Nun reagierten Berliner Verbände und Kollegen aus der Politik.

Am Donnerstag hatte der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Gräff einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz gefordert. „Gesellschaftspolitisch und ethisch“ sei dies „das Richtige – und sollte deshalb von der CDU unterstützt werden“, sagte Gräff.

Pflegekassen, Landespolitiker:innen und Verbände reagierten unterschiedlich auf den Vorstoß. Der Berliner SPD-Politiker Lars Düsterhöft lehnte die Forderung ab. Diese gehe „an den aktuellen Hausaufgaben für die Politik vorbei“. Statt eines Rechtsanspruchs müssten Pflegebedürftige und deren Angehörige finanziell entlastet werden. Es brauche zudem mehr Pflegepersonal, dann gäbe es auch mehr Platz in den Heimen.

„Ein Rechtsanspruch würde nur dazu führen, dass irgendein Platz angeboten werden würde, welcher aber nur in den seltensten Fällen passend wäre“, sagte Düsterhöft.

Auch der FDP-Abgeordnete André Byrla hält nichts von der Idee. „Schon heute haben die Pflegeversicherten solche in den Sozialgesetzbüchern geregelte Leistungsansprüche, die sich nicht nur hier in Berlin nur noch schwerlich erfüllen lassen.“ Byrla spricht vom Recht auf Pflege: Wer in die Pflegeversicherung eingezahlt hat, kann jenes bei der Pflegekasse geltend machen.

Ein Rechtsanspruch würde nur dazu führen, dass irgendein Platz angeboten werden würde, welcher aber nur in den seltensten Fällen passend wäre.

Lars Düsterhöft, Politiker der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus

Theoretisch – denn ein Rechtsanspruch allein bedeutet noch nicht, dass man auch Betreuung findet. Seit zehn Jahren gibt es für Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Kitabetreuung, doch es fehlen Hunderttausende Plätze in Deutschland.

Die Berliner Linken-Politikern Elke Breitenbach sagte deshalb: „Den Rechtsanspruch kann man politisch fordern, aber solange darauf nichts folgt, ist man fein raus.“ Sie plädiere für eine gesetzliche Pflegevollversicherung, mit der der Eigenanteil in den Heimen wegfiele. Die private Pflegeversicherung solle zu deren Gunsten abgeschafft werden, sodass alle Versicherten in einen Beitragstopf einzahlen.

Christian Gräff (CDU), auf dem Foto im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen, hatte im Tagesspiegel einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz gefordert.
Christian Gräff (CDU), auf dem Foto im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen, hatte im Tagesspiegel einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz gefordert.

© dpa/Annette Riedl

Machte man die Arbeitsbedingungen in der stationären Pflege attraktiver, sagte Breitenbach weiter, etwa mit höheren Löhnen, würde sich auch der Personalmangel entschärfen.

Gräff hatte verlangt, dass die Versicherungsbeiträge jedes Einzelnen steigen müssten. Der SPD-Politiker Düsterhöft unterstützte dies, „weil es in den kommenden Jahren deutlich mehr Menschen geben wird, die pflegebedürftig sein werden“.

Der FDP-Mann Byrla sprach sich dagegen für eine kapitalgedeckte Säule in der Pflege aus. Mit dieser würde ein Teil der Beitragssätze der Versicherten in Aktien und Fonds angelegt werden.

Rechtsanspruch könnte Politik zum Handeln bewegen

Geteiltes Echo kam auch von Berliner Verbänden, Trägern und den Pflegekassen. „Der Rechtsanspruch auf einen Pflegeheimplatz ist zweifellos ein wichtiger, wenn auch kleiner Schritt“, sagte eine Sprecherin der Johannesstift Diakonie, die mehrere Heime in Berlin betreibt. Der Anspruch könnte den Druck erhöhen: „Wenigstens erschwert dieser Rechtsanspruch, der dann auch justiziabel wäre, das andauernde Wegschauen der Politik.“

Marc Schreiner, der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, sagte, dass die „Mammutaufgabe“ des Fachkräftemangels durch den Rechtsanspruch „noch gigantischer werden“ könnte. Er schlägt vor, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Elke Breitenbach war von 2016 bis 2021 die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Nun ist sie in ihrer Partei für Pflege zuständig.
Elke Breitenbach war von 2016 bis 2021 die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Nun ist sie in ihrer Partei für Pflege zuständig.

© imago images/snapshot/snapshot-photography/F.Boillot via www.imago-images.de

„Irritiert“ auf Gräffs Forderung zeigte sich Gabriela Leyh, Geschäftsführerin der Barmer Berlin-Brandenburg. Diese sei wegen des Fachkräftemangels nicht umzusetzen. Auch der Vorschlag, die Beiträge der Versicherten anzuheben, überzeuge sie nicht. „Das Land Berlin sollte viel eher die Investitionskosten für die Pflegeheime in notwendiger Höhe tragen, so wie es gesetzlich vorgesehen ist, und damit einen Beitrag zur Entlastung der Bewohner beitragen.“

Zum Hintergrund: Die Bundesländer müssen sich an den Investitionskosten der Pflegeheime beteiligen. „Würde sich das Land Berlin hier stärker beteiligen, könnten die Eigenanteile, die jeder Heimbewohner selber tragen muss, vermutlich gesenkt werden“, sagte Leyh.

Mehrheit will zuhause gepflegt werden

Nach einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts benötigt Berlin im Jahr 2030 rund 10.000 zusätzliche Pflegekräfte. Vielerorts übersteigt die Nachfrage die Angebotsseite heute schon, etwa bei der Johannesstift Diakonie. Eine Sprecherin sagte, dass die Arbeit zudem anspruchsvoller werde, etwa durch mehr Demenzerkrankungen der Bewohner:innen.

Das Land Berlin sollte viel eher die Investitionskosten für die Pflegeheime in notwendiger Höhe tragen.

Gabriela Leyh, Geschäftsführerin der Barmer Berlin-Brandenburg

Der Forderung nach einer Pflegeplatz-Garantie steht gegenüber, dass die Mehrheit der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden möchte. Veronika Vahrenhorst, die Leiterin der Fachstelle für pflegende Angehörige, sagte, dass die Politik daher zunächst ambulante Angebote und die Unterstützung für Angehörige stärken müsse. „Die Fragestellung nach einem Rechtsanspruch für einen Pflegeplatz ist aus meiner Sicht zu kurz gedacht.“

Einige Verbände und Kassen wollten sich nicht zu Gräffs Idee äußern. Sie verwiesen darauf, dass es sich um eine Bundesangelegenheit handle und dass die Forderung bislang zu unkonkret sei, um Stellung zu beziehen. Gräff hatte weder einen Personenkreis umrissen noch einen Vorschlag zur Höhe der zu steigenden Versicherungsbeiträge gemacht.

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