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Das Kernprodukt von Biotronik ist der Herzschrittmacher.

© Tsp/Thilo Rückeis

Zukunftstarif für Biotronik : Trotz Arbeitsplatzgarantie werden aber Jobs abgebaut

In Berlin werden noch rund 500 Stellen gestrichen. Dafür gibt das Neuköllner Medizinunternehmen für 2200 Arbeitsplätze eine Garantie.

Die knapp 2800 Beschäftigten von Biotronik haben nach monatelangen Verhandlungen nun Klarheit: In Berlin werden möglicherweise noch rund 500 Arbeitsplätze abgebaut, und die Belegschaft verzichtet in diesem Jahr auf eine Einkommenserhöhung um 5,2 Prozent. Im Gegenzug gibt das Neuköllner Unternehmen eine Garantie für 2200 Arbeitsplätze bis 2027 und Produktzusagen für den Berliner Standort. Auf die Inhalte dieses „Zukunftstarifvertrags“ verständigte sich das Unternehmen mit den Arbeitnehmervertretern.

Die Medizintechnikfirma ist einer der industriellen Leuchttürme Berlins. 1963 entwickelten der Physiker Max Schaldach und der Elektroingenieur Otto Franke an der TU Berlin den ersten Herzschrittmacher hierzulande. Zur Produktion und Vermarktung gründeten sie Biotronik. In den 1970er Jahren eröffnete die Firma ihren Hauptsitz in Neukölln, wo er sich in der Woermannkehre zwischen Autobahn und Teltowkanal bis heute befindet.

Corona wirkt noch nach

Die coronabedingte Markteinschränkung hat Biotronik bis heute nicht überwunden. „Weltweit haben Kliniken Operationen abgesagt und verschoben“, erläuterte Biotronik Ende 2022 die schwierige Situation. Dazu zählten auch „Eingriffe am Herzen, welche nicht das Vor-Pandemie-Niveau erreicht haben“. Gleichzeitig seien die Produktionskosten für Medizinprodukte in Folge der Pandemie und des Krieges in der Ukraine „in allen Bereichen signifikant“ gestiegen. So hätten sich beispielsweise die Preise für Edelmetalle, die für qualitativ hochwertige Dauerimplantate benötigt werden, „teilweise versechsfacht“. Kurzum: Die hohen Kosten „zwingen Biotronik zu Einsparungen, um ihre Innovationskraft zu erhalten“.

Inflationsprämie wird gezahlt

Nach dem Tarifabschluss in der Metallindustrie im vergangenen Herbst begannen dann die Verhandlungen mit der IG Metall über eine Verschiebung der Tariferhöhung von 5,2 Prozent, die für den kommenden Juni vertraglich vereinbart ist. Diese prozentuale Erhöhung fällt aus und wird in den Jahren 2025 bis 2027 nachgeholt; anschließend gilt auch wieder vollständig der Flächentarif. Die ebenfalls tariflich vereinbarte Zahlung der steuer- und abgabenfreien Inflationsprämie von 1500 Euro in diesem und weiteren 1500 Euro Anfang kommenden Jahres bekommen auch die Berliner Biotronik-Beschäftigten.

2800
Beschäftigte hat Biotronik in Berlin

Biotronik beschäftigt weltweit knapp 6000 Mitarbeitende, davon 2400 in der Berliner Kerngesellschaft und weitere gut 400 in einer Servicegesellschaft, die ebenfalls in Berlin ansässig ist. Diese beiden Berliner Biotronik-Unternehmen sind Mitglied in einem Arbeitgeberverband der Metallindustrie und zahlen deshalb Tarif. In kleineren Standorten in Warnemünde, Pirna und in Baden-Württemberg ist das nicht der Fall.

Die Konkurrenten von Biotronik sind die amerikanischen Konzerne Boston Scientific und Abbott Laboratories sowie der Weltmarktführer Medtronic aus Irland. Biotronik ist nach eigenen Angaben der einzige Hersteller Europas in den Bereichen aktiver kardialer Implantate und beim elektronischen Überwachen dieser Implantate. Aktive kardiale Implantate verfügen über eine Energiequelle, um die Funktion des Herzens zu überwachen, zu unterstützen oder zu ersetzen.

Mit „Medizintechnik Made in Germany Leben retten“

Man wolle „mit Medizintechnik Made in Germany weiter Leben retten“, argumentiert Biotronik. Und benötige dafür eine Kostenentlastung; dem Vernehmen auch für Verhandlungen mit den Banken. Wie groß der Verlust im vergangenen Jahr war, teilt das Unternehmen, das nach eigenen Angaben in 100 Ländern seine Produkte verkauft, nicht mit. Zwar sei zuletzt der Absatz in Südamerika stark gestiegen, doch die dortigen Margen seien nicht annähernd so groß wie in den großen Märkten USA und Europa, heißt es.

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