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Der Bär ist lose.

© action press / Thomas Bartilla

Tag 1 auf der Berlinale: Superheros im Schienenersatzverkehr

Baustellen, Winternebel, ein ausgestorbener Potsdamer Platz: Berlin hat sich chic gemacht für die Filmfestspiele. Unser Autor lädt die Batterien auf für zehn zerzauste Tage.

Eine Kolumne von Robert Ide

Also, die ersten Partys hab ich gebucht. In einer Einladung heißt es: „Sammle Deine letzten Superhero-Kräfte, fliege zum begehrtesten Roofshare der Stadt und lade mit uns in bester Gesellschaft Deine Networking & Brainstorming Batterien auf.“ Tja, ich wusste gar nicht, dass diese Batterien bei mir vorhanden sind. Zur Berlinale gehe ich immer, um alles in mir abzuschalten. Ist doch viel lustiger, anderen zuzugucken, wie sie Superheros sind.

Berlin hat sich diesmal richtig chic gemacht für die Berlinale. Bei der U-Bahn wurde ein Pendelverkehr eingerichtet, bei der S-Bahn ein Schienenersatzverkehr. Vorm Berlinale-Palast haben sie die Straße komplett aufgerissen. Kommen ja eh nicht viele Hollywood-Stars, die da langstöckeln müssen. Rennt die Stadt also zerzaust im Morgenmantel rum. Im Winternebel sieht das eh keiner.

Die Straße vorm Berlinale-Palast wurde rechtzeitig aufgerissen.
Die Straße vorm Berlinale-Palast wurde rechtzeitig aufgerissen.

© Robert Ide

Was ich sehen will? Der Streifen „Last Things“ wird so angekündigt: „Dieser Film, der Wissenschaft und Avantgarde verbindet, nähert sich der Evolution und dem Aussterben aus Sicht von Steinen und weiteren zukünftigen Anderen.“ Die Steine gucken uns also beim Aussterben zu. Das passt gut am Potsdamer Platz - der ist schon fast ausgestorben.

Kaffee gibt’s hier nur mit Hafermilch

Aber ich freu mich wieder drauf. Klar, es gibt keine Schlangen mehr, in denen man mit anderen Kinofans übers Programm philosophieren kann – dafür kommt man im Onlineverkauf zügig vor den Vorhang. Im Berlinale-Shop wird mir sogar ein „Original Kinovorhang für Dein Zuhause“ angeboten: zwei große Gardinenschals aus rotem Samt, gefertigt aus dem Vorhang des Berlinale-Palasts. Aber ach: „Der Artikel ist im Moment nicht lieferbar.“ Schon klar, die brauchen den Vorhang ja noch.

Ich brauch für meine Festival-Batterien erst mal einen Kaffee. Bei der Berlinale gibt’s den dieses Jahr nur mit Hafermilch. Hier lehnt man sich noch auf gegen das Aussterben der Welt, hier sind wir alle Superheros. Vor allem die wacklige Oma, der ich im Schienenersatz-Bus zum Potsdamer Platz meinen Platz anbieten will. „Nee, bleiben Sie mal sitzen“, ruft sie. „Sie sind ja noch jung.“

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