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Zu Beginn von Franziska Giffeys Rede wurde es still im Abgeordnetenhaus.

© imago/Emmanuele Contini

Berlins Bürgermeisterin im Parlament: So verlief Franziska Giffeys erste Regierungserklärung

Im Abgeordnetenhaus gibt sich Senatschefin Franziska Giffey als Teamplayerin - und reihte zentrale Projekte der kommenden Monate aneinander.

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Zu Beginn der mit Spannung erwarteten ersten Regierungserklärung von Senatschefin Franziska Giffey (SPD) wurde es still im weiten Rund des Abgeordnetenhauses. 77 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ermahnte Giffey die Anwesenden, niemals zu vergessen, der Opfer zu gedenken und die Verantwortung für eine starke Demokratie zu übernehmen. Gerade am 27. Januar, dem internationalen Tag des Gedenkens an die Gräueltaten der Nationalsozialisten, sei die „Geschichte uns auch Mahnung“. Freiheit, Demokratie und Grundrechte müssten zum festen Kompass gehören.

Es folgte eine rund 80-minütige Rede, in der Giffey zwei Dinge miteinander verknüpfte: Sie reihte zentrale Projekte der kommenden Monate und Jahre aneinander und vergaß dabei kein Mitglied des Senats persönlich anzusprechen. Das Vorgehen wirkte wie eine Einlösung des Bekenntnisses, den Erfolg des Senats nur gemeinsam einfahren zu können. Die in den ersten Wochen ihrer Amtszeit omnipräsente Giffey, für ihre Selbstinszenierung bei Grünen und Linken mitunter kritisch beäugt, gibt sich als Teamplayerin.

Dass dabei auch die Stadtgesellschaft einbezogen werden sollte, machte Giffey gleich zu Beginn ihrer Rede klar. „Gute Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“, sagte Giffey. Man müsse „rausgehen und mit den Leuten sprechen. Hingehen, Zuhören, Anpacken“ seien notwendig.

Inhaltlich machte Giffey erneut klar, dass Wohnungsneubau und die Bekämpfung steigender Mieten für sie absolute Priorität genießen. Das sei „Chefinnen-Sache“ - zusammen mit dem zuständigen Bausenator Andreas Geisel (SPD). Berlin müsse bezahlbar und sozial bleiben, betonte Giffey. Die Menschen müssten wissen, „dass sie auch in Zukunft in der Stadt gut leben können“.

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Wohnungen würden im unteren und mittleren Preissegment gebaut. Ein Anteil davon sei geförderter Wohnraum, 20000 Wohnungen pro Jahr, darunter 5000 gefördert. Nicht der Neubau allein, auch die städtebauliche Qualität soll „eine große Rolle spielen“. Es sollten dabei keine „Brennpunkte der Zukunft“ entstehen, betonte Giffey.

Neben der sozialen Sicherheit nannte Giffey die Innere Sicherheit als einen weiteren Schwerpunkt. Rechtsfreie Räume dürfe es nicht geben. Als erste Vorhaben nannte Giffey den verstärkten Einsatz von Kontaktbereichsbeamten, die mobile Wache am Kottbusser Tor und mehr Präsenz der Polizei. Sie betonte den Kampf gegen Clan-Kriminalität.

Für die Wirtschaft will Giffey einen „Neustart“ anschieben

Adressiert an die Wirtschaft kündigte Giffey an, nach Abflauen der derzeitigen Pandemiesituation einen „Neustart“ anschieben zu wollen. Menschen bräuchten Arbeit, und dafür brauche es eine „starke Wirtschaft“. Faire Löhne, betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeitsbedingungen seien eine Grundvoraussetzung für den Erfolg beider Seiten. „Hip ist, wer sich gut um seine Leute kümmert“, sagte Giffey und erklärte, die Unternehmen in der Stadt seien „hervorragend“ aufgestellt.

An dieser Stelle bezog sie die Unternehmen in der Kultur und Kreativwirtschaft ein und lobte Kultursenator Klaus Lederer für dessen Einsatz in der Szene.

Giffey kündigte Investitionen in den Schulneubau an

In der Bildungspolitik kündigte Giffey die Wiedereinführung der Verbeamtung an sowie weitere Investitionen in den Schulneubau an. Auch der Ausbau des ÖPNV und des Schienenverkehrs werde von entscheidender Bedeutung sein. „Wir müssen es ermöglichen, dass wir alle so mobil sein können, wie wir es wollen. Aber wir müssen klimaneutraler unterwegs sein“, sagte Giffey.

CDU-Fraktionschef Kai Wegner warf Giffey vor, keinen Neuanfang zu wagen, sondern für ein „quälendes Weiter-so“ zu stehen. Die Vorhaben von Rot-Grün-Rot seien erschreckend ambitionslos. „Man hat den Eindruck, dass Sie sich irgendwie durchmogeln möchten.“ Es gebe keine Vision, kein übergreifendes Projekt. Auch in der aktuellen Corona-Lage gebe der Senat ein trauriges Bild ab. Der Dreiklang des Senats sei dabei „Test-Chaos, Quarantäne-Chaos, Corona-Chaos“.

Kein gutes Haar ließ auch die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker am Regierungsprogramm. „Dieser Senat, diese Koalition gibt keinen Grund zur Hoffnung“, sagte sie. Alles, was dieser Senat zu bieten habe, seien „leere Versprechungen und phrasenhafte Ankündigungen“.

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sagte, statt ein Zukunftsbild von Berlin zu zeichnen, habe Giffey „etwas kleinteilig den Koalitionsvertrag referiert“. Die Wohnungspolitik bleibe Schwachpunkt dieser Koalition. „Wer in dieser Stadt tatsächlich einen Bau-Turbo zünden möchte, wie Sie das vorgeben, setzt sich am Ende nicht mit Enteignern an einen Tisch. Das kann nicht funktionieren.“ Die Debatte endete einschließlich Lüftungspause nach fast fünf Stunden mit der mehrheitlichen Verabschiedung des Regierungsprogramms.

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