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Der Flughafen Tegel wird bald schließen.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Berlins geliebter Flughafen Tegel: Verlust? Fehler? Chaos? Das TXL-Aus war unvermeidlich

Bei aller Nostalgie: Es ist richtig, den Flughafen Tegel zu schließen. Die Coronakrise beschleunigt nur, was seit 2006 besiegelt war. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Bis auf die Menschen, die im Osten Reinickendorfs und in Pankow wohnen, haben ihn vermutlich alle Berlinerinnen und Berliner irgendwie geliebt, entwickelten eine geradezu emotionale Beziehung zum Flughafen in Tegel.

TXL, das war ein Relikt aus einer fernen Zeit, in der Flughäfen keine Einkaufszentren auf der grünen Wiese waren, mit der angeschlossenen Möglichkeit, ein Flugzeug zu besteigen, sondern Verkehrsknoten mitten in der Stadt: Mit dem Auto hin, rein in den Flieger und weg – und das alles in 20 Minuten.

Schutz vor Unfällen, Terrorismus, Lärmbelästigung, das alles spielte keine Rolle, als dieser wunderbare Flughafen vor fast einem halben Jahrhundert eröffnet wurde. Dass Fliegen Krach macht, war eben der Preis des Fortschritts.

Dieser kleine nostalgische Rückblick muss wohl sein, um jene Zeitgenossen in die Wirklichkeit zurückzuholen, die jetzt von einem schlimmen Verlust sprechen, vom Verzicht auf ein Glanzlicht der Stadt – oder, wie der FDP-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, trotzig erklären, Berlin brauche Tegel heute mehr denn je, die Schließung sei ein "fataler Fehler, der unsere Stadt ins Chaos stürzen wird".

Wenn das so wäre, hätten die Flughafengesellschafter, die ja keine Abenteurer sind, nicht am Mittwochmorgen einstimmig beschlossen, den Flughafen Tegel am 15. Juni für zunächst zwei Monate zu schließen. Dass eine endgültige Schließung daraus wird, ist nicht ausgeschlossen. In den letzten Wochen flogen von Tegel und Schönefeld täglich nur noch 1000 Passagiere. Vor Corona, dem Beginn der neuen Zeitrechnung, waren es 100.000. An jedem Tag.

TXL war zuletzt nur noch ein Geisterflughafen

Die Flughafengesellschaft steckt in den roten Zahlen. TXL, der in den vergangenen Wochen ein Geisterflughafen gewesen ist (man fragt sich, ob Sebastian Czaja sich das mal angeschaut hat), produziert Monat für Monat Millionenverluste. Am 31. Oktober aber soll der neue Flughafen in Schönefeld, der BER, eröffnen.

[Der Autor Gerd Appenzeller ist mit dem Flughafen Tegel seit Jahrzehnten vertraut. Im Leute-Newsletter aus Reinickendorf berichtet er regelmäßig darüber. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung: leute.tagesspiegel.de]

Was lag da näher, als die verbliebenen Passagiere nun nicht auch noch von zwei Flughäfen aus fliegen zu lassen, sondern den Verkehr dort zu konzentrieren, wo er sich bald ohnedies nur noch abspielen wird? Denn auch das hat Sebastian Czaja, haben all die vergessen, die an Tegel wegen seiner Stadtnähe – und überhaupt! – hängen: Sechs Monate nach Eröffnung des BER muss Tegel ohnedies schließen.

Das ist seit fast anderthalb Jahrzehnten geltendes Recht, und das wissen auch die TXL-Nostalgiker: Im März 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass mit der Eröffnung des neuen Flughafens auch der letzte Stadtflughafen geschlossen werden muss, um die Anwohner vom Fluglärm zu befreien.

Es sei nämlich nicht hinnehmbar, urteilten die Richter, dass Zehntausende in unmittelbarer Nähe der Stadtflughäfen dem Lärm ausgesetzt würden, wenn es einen neuen Standort gibt, an dem sich der Flugverkehr konzentrieren lässt.

Rechtssicherheit ist eine Basis der Demokratie

All denen, die jetzt so tun, als sei die vorübergehende und dann demnächst endgültige Schließung von Tegel so etwas wie ein Verrat an den Berlinern, muss man einfach in Erinnerung rufen: Rechtssicherheit ist eine Basis der Demokratie. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig aus dem Frühjahr 2006 hat genau diese Rechtssicherheit geschaffen.

Wenn Tegel nun einige Monate früher als ohnedies zwingend erforderlich schließt, mag man das bedauern. Aber Anlass für Theatralik ist es gewiss nicht.

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