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Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

© AFP / THOMAS SAMSON

Antwort auf Brandbrief liegt vor: Berliner Stadträte werfen Bundesverkehrsministerium fehlenden Reformwillen vor

Ohne grundlegende Änderungen lässt sich die Mobilitätswende nicht umsetzen, klagen alle zwölf Verkehrsstadträte Berlins. Das Bundesverkehrsministerium widerspricht.

Von Bao-My Nguyen

| Update:

Bemerkenswerte Einigkeit über alle Parteigrenzen: Verkehrsstadträt*innen aus allen Bezirken hatten Anfang Oktober einen Brief an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschrieben und eine umfassende Reform des Straßenrechts und Verkehrsrechts gefordert. Denn eine schnelle Umsetzung der Verkehrswende sei mit den aktuellen Regelungen nicht zu bewerkstelligen, auch wenn der Wille in allen Bezirken da sei.

Jetzt gibt es eine Antwort aus dem Bundesverkehrsministerium, die dem Tagesspiegel vorliegt. Anfang Mai wurde eine länderoffene Arbeitsgruppe gegründet, die sich auf „eine Reihe praxisgerechter Handlungsvorschläge zur Anpassung des Straßenverkehrsrecht“ einigen soll. Die Vorschläge sollten eigentlich bereits Mitte Oktober bei der Verkehrsministerkonferenz vorgestellt werden.

Offenbar ist dem Minister die Dringlichkeit, die wir vor Ort sehr präsent haben, nicht bewusst.

Verkehrsstadträtin für Tempelhof-Schöneberg Saskia Ellenbeck (Grüne)

Dazu kam es jedoch nicht. „Aufgrund der umfangreichen Beratungen zu dem Nachfolger des 9-Euro-Tickets für einen leistungsfähigen ÖPNV wurde der entsprechende Tagesordnungspunkt vertagt“, lautet die Begründung für die Aufschiebung von einem Sprecher aus dem Ministerium. Nun sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe auf einer Sonder-Verkehrsministerkonferenz Ende November besprochen werden.

Die Initiative zum Brief an Wissing kam von Stadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) aus Tempelhof-Schöneberg. Sie hoffte auf ein gemeinsames Gespräch der Kolleg*innen mit Wissing und ist enttäuscht, dass dieses Angebot mit diesem Antwortschreiben abgelehnt wurde.

„Offenbar ist dem Minister die Dringlichkeit, die wir vor Ort sehr präsent haben, nicht bewusst.“ Eine Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsministerkonferenz könne nur der erste Schritt sein; gute Lösungsansätze seien auf kommunaler Ebene bereits vorhanden – „sie müssen jetzt umgesetzt werden“, fordert Ellenbeck.

Verkehrsministerium hält sich bedeckt mit konkreten Plänen

Die aktuelle Fassung der Straßenverkehrsordnung böte bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten für die Behörden, den Verkehr zu lenken, befindet hingegen der Sprecher aus dem Ministerium. Nun gehe es darum, einen Punkt aus dem Koalitionsvertrag zu konkretisieren: Das Straßenverkehrsrecht und -ordnung sollen so angepasst werden, dass „neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden“. Damit ginge auch ein größerer Handlungsspielraum für die Kommunen einher.

Wie dieses Zusammenspiel funktionieren soll, wird nicht weiter beschrieben. Konkrete Reformpunkte finden sich im Brief nicht. Und auch ob die Forderungen der Verkehrsstadträt*innen Eingang finden, lässt der Sprecher zugunsten der kommenden Beratungen offen.

Zu viel Bürokratie für eine schnell umsetzbare Verkehrswende

Das alles ist Stadträtin Ellenbeck zu wenig. Sie verlangt deutliche Worte von Wissing: „Von einem Bundesverkehrsminister erwarte ich, in einem solchen wichtigen Prozess die Führungsrolle zu übernehmen und entsprechend des Koalitionsvertrages klare Vorschläge zur Reformierung sowohl des STVG als auch der STVO zu machen.“

Saskia Ellenbeck, Bezirksstadtrat für Verkehr von Tempelhof-Schöneberg.

© Sven Darmer

Insbesondere die bisherige bürokratische Forderung nach einem Nachweis der „Gefahrenlage“ nehme das Tempo aus einer schnellen Verkehrswende heraus: „Der Nachweis einer ‚Gefahrenlage‘ ist auch ein bürokratisches Ungetüm und führt dazu, dass wir mit den viel zu wenigen Personalressourcen viel zu langsam umsetzen können“, heißt es in dem Brief an Wissing, den alle zwölf Stadträt*innen unterzeichnet haben.

Zwar lassen sich Maßnahmen umsetzen, jedoch müssen sie im Einzelnen aufwendig mit Gutachten und Verkehrszählungen belegt werden. Mit mehr Mut bei der Gestaltung und mehr Freiheiten bei gleichbleibenden Sicherheitsstandards ließen sich alle Hindernisse schneller adressieren.

„Wir Verkehrsstadträt*innen stehen alle vor ähnlichen Problemen. Ich hatte das Bedürfnis, dies aufzuschreiben und fragte die anderen Stadträt*innen, ob sie da mitgehen würden. Alle haben erfreulicherweise zugesagt“, beschreibt sie die Entstehung des Briefs. Alle wollten zudem auf die Not der Kommunen hinzuweisen. Diskussionsbedarf gab es beim Inhalt des Briefes kaum: „Der Wille war vor allem, dass man was Gemeinsames macht.“

Der Brief fiel auf fruchtbaren Boden. „Die Resonanz aus der Gesellschaft war sehr groß; ich habe auch Nachrichten aus anderen Städten und von anderen Gruppen bekommen“, berichtet Ellenbeck. Nun liegt also auch die Antwort aus dem Verkehrsministerium vor. Ob die Forderungen der Stadträt*innen auf dieser Sonder-Vehrkehrsministerkonferenz erhört werden, zeigt sich nun Ende November.

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