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Im Wasser ist er sicher - auf der Straße nicht: Ein Biber (Archivbild).

© picture alliance / dpa

Update

Tiere und Verkehr in Berlin-Haselhorst: Biber haben Vorrang - eigentlich

Nachts dürfen aus Biberschutz-Gründen keine Privatfahrzeuge auf der Haselhorster Rhenaniastraße fahren - aber niemand hält sich daran. Eine Schranke oder ein Blitzer könnten das ändern, die Installation scheitert aber an politischem Widerstand.

Die „Einheitswippe“ am Schlossplatz konnte auch wegen seltener Fledermäuse unterm Sockel nicht wie geplant gebaut werden, das Lenin-Denkmal im Müggelwald durfte erst nach aufwändiger Umsiedlung eines Dutzends Zauneidechsen geborgen werden, in Köpenick wird jeden Sommer ein Spielplatz wegen Sandbienen gesperrt, am Schloss Schönhausen bleiben morsche Eichen wegen seltener Heldbock-Käfer stehen, und der ICE nach Hannover fährt im Westhavelland großtrappenfreundlich zwischen Erdwällen und mit reduziertem Tempo. Kurz: Es gibt viele Beispiele für die Lobby, die Tiere haben.

Das gilt auch für Biber, denen an den Gewässern – einschließlich der Spree an der East Side Gallery – Ausstiegsmöglichkeiten gebaut wurden, weil sie sonst ertrinken würden. Doch ausgerechnet an der ältesten Berliner Biberkolonie beißen sich Politik und Verwaltung gerade die Zähne aus.

Eine Schranke? Ein Blitzer? Kameras? Alles wurde verworfen

Zehn Biber wurden nach Angaben des Umweltverbandes BUND in den vergangenen 15 Jahren in Haselhorst auf der Rhenaniastraße überfahren: Nördlich befindet sich der Rohrbruchteich mit ihrer Burg, südlich das Erlenbruch mit ihren Futtergründen, dazwischen die mit Tempo 30 plus Warnschild plus Dialogdisplay („Langsam!/Danke“) ausgestattete Straße, die obendrein von 22 bis 6 Uhr für sämtliche Kraftfahrzeuge außer den Bussen der BVG gesperrt ist. Doch wie so viele Vorschriften in Berlin wird auch diese nicht durchgesetzt und deshalb weithin ignoriert.

Das Leuchtschild mit dem Biber mahnt bei höherer Geschwindigkeit: Langsam, Danke!
Das Leuchtschild mit dem Biber mahnt bei höherer Geschwindigkeit: Langsam, Danke!

© During

Die Spandauer Grünen forderten im Frühjahr eine Schranke, aber scheiterten damit in der Bezirksverordnetenversammlung: CDU und SPD fürchteten ein Vandalismusproblem. Die Sozialdemokraten beantragten stattdessen die Aufstellung eines Blitzers, der Verstöße gegen das nächtliche Durchfahrverbot dokumentieren sollte. Damit konnte auch die CDU leben – aber es wird trotzdem nichts. Nach Erkenntnissen der Polizei sei „eine ausschließlich zum Zweck der Durchsetzung eines Durchfahrverbots amtlich zugelassene Überwachungsanlage auf dem Markt nicht erhältlich“, teilte Innenstaatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) Baustadtrat Carsten Röding (CDU) mit. Außerdem wäre die Aufzeichnung sämtlicher nächtlicher Fahrzeugbewegungen rechtlich nicht zulässig.

Tempo 30 und das Nachtfahrverbot werden oft missachtet.
Tempo 30 und das Nachtfahrverbot werden oft missachtet.

© During

Dabei handelt es sich offenbar um ein deutsches Spezialproblem: In Österreich werden Tempolimits auch über Streckenkontrollen – also die Messung der Zeit zwischen Ein- und Ausfahrt einzelner Autos – überwacht. Und im spanischen Vitoria-Gasteiz wurde der illegale Durchgangsverkehr auf drei Innenstadtstraßen erst durch Kameras an den Ein- und Ausfahrten unterbunden, die zwischen Anliegern und Transitverkehr unterscheiden. Für letzteren werden laut Stadtverwaltung 200 Euro Bußgeld fällig. Technisch wäre diese Überwachung auch in Berlin kein Problem.

In Spandau wurde nun die Polizei um zumindest sporadische Kontrollen gebeten. Auf lange Sicht soll nach Auskunft von Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) geprüft werden, ob die Rhenaniastraße geschlossen werden kann.

Auch auf der Straße des 17. Juni wurden zwei Biber überfahren

Derk Ehlert, Wildtierexperte bei der Stadtentwicklungsverwaltung, bezeichnet den Lebensraum in Haselhorst als „wirklich optimal“ für die Biber – abgesehen von der ständig notwendigen Straßenquerung. Ein Tunnel unter der Straße zu ihrem Schutz müsste allerdings sehr groß sein und wäre nicht nur enorm teuer, sondern am konkreten Ort auch wegen unterschiedlich hoher Wasserstände auf beiden Straßenseiten kaum zu realisieren. Deshalb sei die Durchsetzung von Nachtfahrverbot und Tempo 30 wohl die einzig vernünftige Lösung.

Nach Auskunft von Ehlert leben inzwischen rund 80 Biber im Berliner Stadtgebiet. Die an der Oberhavel waren vor knapp 20 Jahren die ersten. Die im Tiergarten gehören zu den neuesten, wobei zwei Exemplare in diesem Jahr allein auf der Straße des 17. Juni überfahren worden seien. Es seien aber noch Exemplare übrig. In der Regel lebten Biber – wie in Haselhorst – im Familienverbund aus Eltern, zwei diesjährigen und einem vorjährigen Jungtier zusammen. Die jungen Männchen ziehen nach etwa eineinhalb Jahren los, um neue Reviere zu erschließen. Deshalb sei der Straßenverkehr für die dämmerungs- und nachtaktiven Nager besonders gefährlich – zumal sie an Land relativ schwerfällig und womöglich sogar mit Ästen beladen seien. Streng geschützt sind sie als lokal ehemals ausgestorbene Art in jedem Fall.

An der ebenfalls nachts gesperrten Havelchaussee hat sich nach Auskunft von Ehlert die aktuelle Regelung bewährt. Sie verschaffe den Tieren im Grunewald Ruhe und bewahre sie sowie die Autofahrer vor Wildunfällen, wenn nachts viele Tiere aus dem Wald zum Havelufer und zurück laufen. Dort werde das Durchfahrtsverbot sporadisch von der Polizei kontrolliert.

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