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Aline von Drateln

© privat

Brauchen wir in Berlin einen König?: Überlassen wir die Politik besser den Demokraten

Wäre ein Entertainer vielleicht das richtige für den Berliner Politikbetrieb? Unsere Kolumnistin meint: Feiern wie Könige, wählen wie Demokraten und Demokratinnen.

Eine Kolumne von Aline von Drateln

Der King is not dead, long lebe die Demokratie. Während London monarchisch noch herumkrebst, wird in Berlin schon wieder gewählt. Immerhin eine Urne, zu der man gerne gehen sollte.

Das Interesse daran ist trotzdem geringer als am britischen Königshaus. Vielleicht würde in Berlin eine Drittstimme helfen, mit der zusätzlich ein König gewählt wird. Ein Entertainer, der Politik unterhaltsamer machen würde, ohne große Dummheiten anstellen zu können.

Altersmäßig mit König Charles III. haut Dieter Bohlen hin, der vergangene Woche in Berlin seinen 70. Geburtstag feierte. Leider mit einem Konzert.

Rapper Bushido ernennt sich gleich selbst zum „ewigen König“: Sein neues Album, das im März erscheint, heißt „Rex in Aeternum“. Doch seit dem sanglosen Ende seines gegen Clanchef Arafat Abou-Chaker angestrengten Verfahrens kommt er eher als Ex-Rex daher. Tyrannosaurier gibt es schon genug in der Politik.

Der Stargast ist sein eigener Staat und Hofnarr zugleich

Eine echte Alternative wäre ein Feingeist, der Tradition mit modernem Savoir-vivre zu verbinden weiß: Jörg Woltmann. Das passende Geschirr hat er schon. Der Chef der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) lud am Donnerstag zu seinem 77. Geburtstag in sein eigenes Hotel in der Englischen Straße. Im Penthouse (quasi dem Berliner Oberhaus!) kamen rund hundert Gäste zusammen, darunter allein drei frühere Bürgermeister. Doch Stargast ist ein Mann, der sein eigener Staat und Hofnarr zugleich ist: Friedrich Liechtenstein.

Vom Künstler mit der blauen Brille, der das Volk mit musikalischen Kronjuwelen wie „Belgique, Belgique“ schon reich beschenkte, wünschte der Gastgeber sich den Song „Westberlin“. Aber Liechtenstein singt ihn nicht – er tanzt ihn. Geschmeidig bewegt er seinen Körper, tänzelt, groovt, fährt sich mit der Hand über Hüfte und den langen, grauen Bart und genießt die irritierten Reaktionen der feinen Gesellschaft.

Neun Minuten und 34 Sekunden zieht sich sein männliches Timbre zu Elektrobeats aus den Boxen. Für einige quälend lang. Während Berlins Ex-Senatschef Michael Müller betreten in sein Champagnerglas schaut und der frühere Regierende Klaus Wowereit keine Miene verzieht, weil der sowieso immer ironisch schaut, amüsiert sich Woltmann königlich. Auch die Wirtschaftssenatorin und frühere Regierende Franziska Giffey ist sichtlich begeistert.

Diese Performance ist auch ein gesellschaftspolitischer Akt: Wenn man einem Mann im Anzug beim provokanten Tanzen zuschauen muss, und nicht wie sonst üblich jungen Frauen, und deshalb plötzlich das Privileg der Intimität spürt. Geburtstagskind und Alleinherrscher des Abends Jörg Woltmann bescherte Berlin damit einen Andy-Warhol-Moment. Lang lebe der Chef der Königlichen Porzellan-Manufaktur!

Den echten König mag man England neiden. Andererseits muss man feststellen, dass der beste Premierminister der letzten 20 Jahre eigentlich Hugh Grant war. Aber mit der Demokratie ist es wie mit einem Geschenk. Manchmal erkennt man erst später seinen ganzen Wert. Ehrensache, am Sonntag zur Wahl zu gehen. Wenn man eingeladen ist.

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