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Glamourös in Gold.  Annalena Baerbock wurde auch an die weltweiten Baustellen für eine feministische Außenpolitik erinnert.

© IMAGO/Eventpress

Bundespresseball in Berlin: Zwischen Terror, Hoffnung und Tanz

Der 70. Bundespresseball für die Pressefreiheit war beschwingt, aber auch sehr politisch, dank der Reden von Jasmin Tabatabai und Can Dündar.

Der Frühling steht dem Bundespresseball gut. Er verkürzt nicht nur die Garderobenschlange. Auch die Lebensfreude lässt er sprudeln. Und davon kann ein Ball, der sich dezidiert auf die Gratwanderung zwischen ernst und heiter begeben hat, eigentlich keine Überdosis bekommen.

Grün war die Farbe des Abends, die bei den Kleidern deutlich dominierte in allen Schattierungen zwischen Tannenbaum und Ostergras, zwischen Bärlauch und Olive.

Posieren in der Nacht

Und das war gewiss nicht nur auf politische Statements begrenzt, wie vielleicht bei Ricarda Lang, deren Grün glitzerte, oder bei der mit Spitzen besetzten Katrin Göring-Eckardt, denn sonst wäre beispielsweise die Frau von Friedrich Merz ja nicht auch in Lindgrün erschienen, hätte Franziska Giffey womöglich auf die grünen Tupfer auf ihrem Kleid verzichtet.

533
Journalisten sitzen weltweit im Gefängnis.

Grün also als Farbe der Hoffnung, des Aufbruchs und des Frühlings, die gut passte zum nunmehr dezidiert politischen Ball.

Noch tief in der Nacht posierten Paare und Einzelgänger für die Handykameras auf dem roten Teppich vor der Sponsoren-Wand, auf der nicht nur einige der 39 Unterstützer des Balls verzeichnet waren. Auch das Motto für dieses Mal und die nächsten Jahre war deutlich zu lesen: „Für die Pressefreiheit“.

Die Menschen im Iran kämpfen mit leeren Händen.

Jasmin Tabatabai

Die Freiheitsbewegung im Iran stand diesmal im Mittelpunkt. Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz und Gastgeber Mathis Feldhoff erinnerte daran, dass derzeit weltweit 533 Journalisten im Gefängnis sitzen, „so viele wie noch nie.“

Dank an den Bundespräsidenten

Die engagierte, im Iran geborene und aufgewachsene Schauspielerin Jasmin Tabatabai sprach vor Beginn des Tanzgeschehens eindringlich über den Freiheitskampf der Zivilgesellschaft in ihrem Geburtsland: „Die Menschen im Iran kämpfen mit leeren Händen. Sie brauchen uns“, sagte sie und bedankte sich für die Aufmerksamkeit, die auch dieser Abend auf das Leid der Menschen dort richte.

Zuvor schon hatte Can Dündar vor den Gästen des gesetzten Dinners über Unterdrückung und Inhaftierungen von Journalisten in seiner türkischen Heimat gesprochen und sich beim Bundespräsidenten bedankt, dass er das Thema beim türkischen Präsidenten angesprochen habe.

Der lange Anlauf zum Eröffnungstanz

Wie bei Dündar stand auch am Ende der Rede von Jasmin Tabatabai über „ein Terrorregime, das Kinder ermordet“, ein hoffnungsvolles Signal: „Die Menschen im Iran werden sich von ihren Machthabern befreien.“

Es wurde dann fast 22 Uhr, bis Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zusammen mit dem Gastgeberpaar den Ball zu den Klängen der Big Band der Bundeswehr offiziell eröffnen konnten.

Der Preis ging erstmals an einen Online-Journalisten

Einen kleinen Ruck brauchte es vielleicht, um nach den aufwühlenden Berichten von den Grausamkeiten der Unterdrückung in einen beschwingten Tanzmodus zu wechseln.

Vielleicht muss man sich künftig bei allem guten Willen dennoch vor der Überfrachtung des politischen Teils hüten.

2231
Gäste feierten im Hotel Adlon.

Außer der Rede gab es im Ballsaal noch eine Scheckübergabe an das „Iran Journal“, eine ebenfalls sehr berührende Performance der Gruppe „Echo Iran“, zu der Jasmin Tabatabai die Hymne der Freiheitsbewegung sang, und schließlich noch die Verleihung des Preises der Bundespressekonferenz.

Mit Thomas Wiegold bekam den Preis der Bundespressekonferenz erstmals ein Online-Journalist für seinen Blog „Augen geradeaus“ über die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Er komme „direkt aus dem Maschinenraum des Journalismus“ und ihm vor allem sei es zu danken, dass sich die Bundespressekonferenz mit den neuen Medien beschäftige, sagte Mathis Feldhoff.

Warnung beim edelsten Döner der Stadt

Viele flanierten unterdessen durchs festlich geschmückte Haus. Im ersten Frühling nach der Pandemie ist der Hunger auf Begegnung immer noch riesig, größer fast als der Appetit auf die vielen Leckereien, die an vielen Ecken und Ständen auf die Ballgäste warteten, samt empathischer Köche, die bei der Verkostung des edelsten Döners der Stadt gerade noch rechtzeitig warnten: „Wollen Sie den wirklich mit Zwiebeln?“

Besser nicht, denn mit 2231 Gästen und 500 Mitarbeitern hinter den Kulissen ist das Haus an seiner Kapazitätsgrenze angelangt.

Tuchfühlung in der Beauty Lounge

Teilweise ging man auf Tuchfühlung, zum Beispiel auf der großen Treppe zwischen Beletage und Foyer, auf der sich bestens gelaunte Grüppchen alter Bekannter knubbelten, wie in der Beauty Lounge, in der diesmal keineswegs nur geschminkt, sondern auch ausgiebig parliert wurde.

Während sich vereinzelt Gäste nach den saaligen Weiten der frühen Jahre im Interconti sehnten, schätzten viele andere die eher schachtelige Architektur des Adlon mit ihren vielen Nischen und Rückzugsmöglichkeiten zum diskreten Austausch.

So ein Ball bietet schließlich auch die Chance für neue Perspektiven. Alte Probleme erscheinen in der neuen Umgebung, erörtert in anderer Kleidung, mitunter eben auch im neuen Licht.

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