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Ausgelacht: Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verliert vor dem Verfassungsgericht gegen Stefan Evers (CDU)

© dpa/promo

Innensenator verliert vor Verfassungsgericht: „Das grenzt an Rechtsbeugung im autokratischen Stil“

Der Berliner Senat muss Akteneinsicht gewähren, warum er das Volksbegehren zur Videoüberwachung ablehnt. Das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden.

Es ist ein Rückschlag für Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Streit um das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung. Die Innenverwaltung muss dem CDU-Abgeordneten Stefan Evers Einsicht in jene Akten geben, die Auskunft über die verfassungsrechtlichen Einordnung des Senats zum Volksbegehren geben. Das hat der Berliner Verfassungsgerichtshof jetzt in einem von Evers im Januar angestrengten Organstreitverfahren entschieden.

Es gebe keine Gründe, "die einer Akteneinsicht entgegenstehen", entschied der Verfassungsgerichtshof. Geisels Entscheidung vom Dezember 2018, Evers die Akteneinsicht zu verweigern, verletze den Abgeordneten in seinem, in der Landesverfassung verankerten Recht. Die Senatsinnenverwaltung könne sich nicht auf überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen berufen. Auch der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde nicht, wie von der Innenverwaltung behauptet, beeinträchtigt.

"Das Verfassungsgericht weist Andreas Geisel in seine Schranken", erklärte Evers. Der Innensenator dürfe ihm die Einsicht in Akten zum Video-Volksbegehren nicht länger verweigern. "Statt die Verfassung zu schützen, hat er sie gebrochen. Schluss mit der Trickserei und Verzögerungstaktik des Senats", sagte Evers.

Die Entscheidung ist auch für die weitere Auseinandersetzung um das Volksbegehren von Belang. Das von Neuköllns Ex-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und dem Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann (CDU) initiierte Volksbegehren fordert bis zu 1000 Überwachungskameras an 50 Orten in Berlin und hatte mit 21.028 gesammelten Unterschriften im März 2018 die erste Hürde genommen.

Das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung nimmt die erste Hürde

© picture alliance / Patrick Pleul

Doch dann intervierte der Senat und verhinderte damit, dass sich das Abgeordnetenhaus mit der Initiative befasst. Hätte das Parlament die Initiative abgelehnt, hätten in der zweiten Stufe des Volksbegehrens 170.000 Unterschriften gesammelt werden können, um den Weg zum Volksentscheid frei zu machen.

Innensenator Geisel stoppte das Verfahren, weil Teile des Volksbegehrens aus seiner Sicht verfassungswidrig seien. Und per Senatsbeschluss wurde das Volksbegehren dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt. Genau zu dieser Auffassung, warum das Volksbegehren verfassungswidrig sein soll, hatte der CDU-Politiker Evers Akteneinsicht beantragt.

Die Innenverwaltung hatte das auch abgelehnt, weil dadurch ihre Position im Prüfverfahren des Verfassungsgerichtshofs zum Volksbegehren geschwächt war - nach dem Motto: Wenn Unterstützer des Volksbegehrens die Akten der Innenverwaltung lesen können, hätten die Vertreter der Initiative bessere Chancen vor den Verfassungsrichtern. Außerdem könnte es "das einheitliche Auftreten des Senats gefährden".

Evers zog einen Teil der Klage zurück

Doch diese Verfassungsrichter zerreißen in ihrem zwölfseitigen Beschluss zum Organstreitverfahren nun den von Geisel erhobenen Verdacht, er hätte durch die Akteneinsicht Nachteile im weiteren Verfahren. In dem Beschluss heißt es: "Es ist nicht ersichtlich, dass der ordnungsgemäße Ablauf des verfassungsgerichtlichen Vorlageverfahrens oder die Integrität der Rechtspflege durch eine Akteneinsicht beeinträchtigt würden." Es sei auch nicht ersichtlich, dass die vom Abgeordneten "verantwortungsvoll zu nutzenden Informationen" die Position des Senats schwächen sollten.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Evers im Laufe des Verfahrens einen Teil seiner Organstreitklage zurückgezogen hat – um nicht zu scheitern. Insbesondere zog er sein Begehren zurück, auch jene Akten sehen zu dürfen, die zur Vorbereitung und Abstimmung des Standpunktes des Senats zum Volksbegehren gegenüber dem Abgeordnetenhaus angelegt wurden.

Die Verfassungsrichter wiesen in ihrem Beschluss auch darauf hin, dass Evers keine Unterlagen lesen dürfe, die Aufschluss über die Meinungsbildung der Senatsmitglieder geben. Diese würde den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren. Die Akten zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit seien hingegen „schlichte“ Verwaltungsaufgabe, deshalb dürfe Evers dieses auch einsehen.

Der frühere Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD).

© Matthias Balk/dpa

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sagte: "Damit wird dem rot-rot-grünen Senat endlich Einhalt geboten. Andreas Geisel muss jetzt seiner eigentlichen Aufgabe nachkommen: dem Schutz der Verfassung." Zugleich warnte Dregger den Innensenator vor weiteren Tricks: "Eine Verzögerung der Akteneinsicht aus rein politischen Gründen ist hoch peinlich. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist deutlich. Geisel darf jetzt nicht mehr auf Zeit spielen, sondern muss die Einsicht endlich zulassen."

Das "Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz" warf Geisel Rechtsbeugung vor. Heinz Buschkowsky sagte: "Dass ein Angeordneter sechs Monate um sein verfassungsmäßiges Recht auf Akteneinsicht kämpfen muss, grenzt an Rechtsbeugung im autokratischen Stil."

Der Bundestagsabgeordnete und frühere Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).

© picture alliance / Kay Nietfeld/

Der Bundestagsabgeordnete und frühere Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU): „Der rot-rot-grüne Senat schreckt nicht einmal davor zurück, gegen die Berliner Verfassung zu verstoßen, um seinen politischen Willen durchzusetzen." Die klare Entscheidung des Verfassungsgerichts sei ein Etappensieg. "Eine überwältigende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner will mehr Videoaufklärung und wir werden trotz der Tricksereien und Verzögerungstaktiken weiter dafür kämpfen."

Geisel selbst gab am Freitag keine Erklärung ab, auch nicht sein Pressesprecher. Stattdessen gab es lediglich eine "Stellungnahme der Innenverwaltung", die darin erklärte: "In der Sache hat der MdA Stefan Evers somit nur teilweise gewonnen. Der Vorwurf, wir würden etwas verschleiern, trifft nicht zu. Auch den Vorwurf der Verschleppung weisen wir zurück. Herr Evers bekommt jetzt Akteneinsicht in dem vom Verfassungsgerichtshof zugesprochenen Umfang."

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