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Update

Nach Verbot von Pro-Palästina-Demo in Berlin: Polizei will nachmittags am Hermannplatz kontrollieren

Die Berliner Polizei hatte die Kundgebung aus Sorge vor antisemitischen Äußerungen verboten. Das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht bestätigten das Verbot in Eilverfahren.

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Die Berliner Polizei bereitet sich darauf vor, notfalls auch das Verbot einer ursprünglich für Sonntagnachmittag geplanten pro-palästinensischen Demonstration durchzusetzen. „Wir halten Einsatzkräfte vor, um mögliche Ansammlungen, die gegen die Verbotsverfügung verstoßen würden, auflösen zu können“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagmittag. Es würden dann gegebenenfalls Platzverweise ausgesprochen.

Die Polizei hatte zwei pro-palästinensische Demonstrationen an diesem Wochenende verboten. Begründet hatte sie das damit, dass es zu volksverhetzenden oder antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichung oder Gewalttätigkeiten kommen könnte.

Eine der Versammlungen war ursprünglich für Samstagabend am Hermannplatz geplant gewesen. Die Polizei war am Samstagabend trotzdem vor Ort, nach Angaben eines Sprechers mit rund 350 Einsatzkräften. Er sprach von einer ruhigen Lage. Es seien keine Menschen auf der Straße gewesen, die als mögliche Versammlungsteilnehmer in Betracht gekommen wären. Am Sonntagnachmittag sei eine ähnliche Personalstärke angedacht. 

Das Verbot dieser Kundgebung hatte auch die Gerichte beschäftigt. Das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht bestätigten das Verbot in Eilverfahren.

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Der Verbotsbescheid der Polizei erweise sich „als materiell rechtmäßig“ und es bestehe „ein besonderes Vollziehungsinteresse“, hieß es in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts. Demnach habe die Polizei ihr Verbot überzeugend damit begründet, dass der Eilantragssteller bereits einige Demonstrationen angemeldet und durchgeführt habe, deren Motto Menschen, die „eine antiisraelische, wenn nicht gar antisemitische Grundhaltung“ aufwiesen, angezogen habe.

Von diesem Personenkreis gehe „die dargestellte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ aus. Der Antragssteller grenze sich nicht von diesen Menschen ab. Sein Antrag verdeutliche, dass er selbst „eine jedenfalls strikt antiisrealische Haltung einnimmt“, da er darin „auf eine ‚israelische Apartheid‘ an den Palästinensern als ‚Menschheitsverbrechen‘“ Bezug nehme.

Erhebliche Störung des öffentlichen Friedens

Die Polizei hatte in der Vergangenheit zwar bemerkt, dass der Antragsteller bei Demonstrationen mäßigend auf die Teilnehmer einwirken wollte. „Gelungen sei ihm dies aber nicht zuverlässig“, heißt es in der Begründung der Ablehnung.

Das Verwaltungsgericht „teilt die rechtliche Würdigung“ der Polizei Berlin, dass der Ausruf „Bombardiert Tel Aviv“ eine „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ und ein Transparent mit „Juden = Kindermörder“ Volksverhetzung ist. Beides geschah bei einer Demonstration am 14. Mai 2021. Die Polizei stuft den Antragsteller zudem als Aktivisten der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) ein.

Die Aufforderung, den Staat Israel zu vernichten und seine Bewohner zu töten, seien dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zufolge eine erhebliche Störung des öffentlichen Friedens. Auch deshalb wurde das Verbot bejaht. Der Antragsteller erweckt beim Gericht den Eindruck, selbst das Existenzrecht Israels zu leugnen, weil er behauptet, ein völkerrechtlich definiertes Existenzrecht Israels bestehe nicht.

Das Gericht teilt die Befürchtung der Polizei, dass aus der Masse heraus Pyrotechnik gezündet werden und Flaschen und Steine geworfen werden könnten. Die Polizei sieht außerdem eine gesteigerte Gefahrenlage, weil die Kundgebung am sogenannten Al-Quds-Tag stattfindet und schon deshalb zur Ersatzveranstaltung für die vom Veranstalter abgesagte Al-Quds-Demonstration werden könnte. 

Polizeipräsidentin Barbara Slowik traf sich nach eigenen Angaben am Freitag unter anderem mit Vertretern der jüdischen Gemeinde. Als Polizei Berlin hätten sie die Aufgabe, Antisemitismus entgegenzutreten. „Wir schöpfen Auflagen regelmäßig aus und auch alle Möglichkeiten, auf Äußerungen, Symbole, Motive, Ausrufe zu reagieren, die sich gegen die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Berlin richten oder den Bestand Israels“, sagte Slowik. Gleichzeitig sei es eine zentrale Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit zu schützen und sie seien bei Eingriffen in die Versammlungsfreiheit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.

Das macht Angst. Vor allem in der jüdischen Community. Nicht nur dort.

Barbara Slowik, Polizeipräsidentin in Berlin

Zuletzt waren bei einer Demonstration am Karsamstag in Berlin-Neukölln mutmaßlich judenfeindliche Parolen gerufen worden. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung. Die Berliner Polizei hatte zuletzt in der Kritik gestanden, weil sie eine Palästinenser-Demonstration am Karsamstag nicht gestoppt hatte. Dabei waren nach Angaben von Beobachtern israelfeindliche und antisemitische Parolen gerufen worden.

Die Organisation democ stellte nach eigenen Angaben Videomaterial von der Kundgebung in Neukölln und Kreuzberg ins Netz. Mehrere Menschen erstatteten Anzeige. „Das waren und sind martialische Bilder“, sagte Slowik am Freitag und sprach von hoch emotionalisierten Palästinensern mit Fahnen, Fäuste reckend, Beschimpfungen und Bedrohungen ausstoßend, Israel beschimpfend. „Das macht Angst. Vor allem in der jüdischen Community. Nicht nur dort.“ 

Mobilisierungspotenzial steigt mit Eskalation im Nahen Osten

Auf die Frage, ob die Polizei bei dem Einsatz Fehler begangen habe, sagte Slowik am Freitag: „Fehler ist vielleicht ein starkes Wort, aber man kann natürlich sozusagen schneller einschreiten, deutlicher einschreiten.“ Sie sagte auch, die Polizei könne und müsse auch jenseits von Verletzungen des Strafgesetzbuches tätig sein. „Wir haben uns verständigt darüber, dass es im Grunde so etwas gibt wie codierte Begriffe.“

Eine Politikwissenschaftlerin des Landeskriminalamts erklärte, es sei auch abhängig von der politischen Lage im Nahen Osten, welche Personen zu solchen Versammlungen kämen. Mit den verschiedenen Eskalationsstufen in Israel und den palästinensischen Gebieten steige das Mobilisierungspotenzial auch hier auf den Straßen. 

Das Verbot der Demonstrationen am Sonnabend und Sonntag sowie von Ersatzveranstaltungen wurde laut Polizei „nach Bewertung aller Umstände und Erkenntnisse sowie der Abwägung sämtlicher Interessen, insbesondere dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit“, erlassen.

Auch Vertreter des Bezirksverbands der Linken Neukölln fordern, die Demonstrationsverbote aufzuheben. „Erneut werden Menschen, die sich mit der Bevölkerung Palästinas solidarisieren, in Kollektivhaftung genommen“, sagt der stellvertretende Sprecher Daniel Kipka-Anton. Äußerungen einzelner Teilnehmer seien keine ausreichende Begründung, gesamte Demonstrationen zu verbieten, sagte er. Die Polizei habe viele weitere Möglichkeiten, antisemitische Äußerungen zu unterbinden.

Mitglieder des Linken-Bezirksverbands – darunter der Fraktionsvorsitzende in der BVV, Ahmed Abed – treten selbst regelmäßig auf pro-palästinensischen Demonstrationen auf. (Tsp/epd/dpa)

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