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Papier wiegt schwer: In vielen Ämtern stapeln sich die Akten.

© Tagesspiegel/Mario Heller

„Ein echter Gamechanger“: Giffey verteidigt Verwaltungsreform – Berliner Wirtschaft lobt Pläne

Nicht erst seit dem Wahl-Chaos ist bekannt: Berlins Verwaltung ist reformbedürftig. Jetzt gibt es einen Vorschlag. Doch nicht mal die Koalition ist sich einig.

Die Berliner Wirtschaft begrüßt die konkreten Reformpläne des Senats für eine moderne Verwaltung ausdrücklich. „Aus Sicht der Wirtschaft ist besonders erfreulich, dass tiefsitzende Konstruktionsfehler nicht nur in neuer Deutlichkeit benannt, sondern gleichzeitig konkrete Lösungsvorschläge auf den Tisch gelegt werden“, sagte der Chef der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Sebastian Stietzel, am Dienstag dem Tagesspiegel.

„Endlich sehen wir einer klaren Trennung der gesamtstädtischen von den bezirklichen Aufgaben entgegen sowie einer effektiven und einheitlichen Umsetzung.“ So könne Berlin endlich dem „Behörden-Ping-Pong“ entkommen, hofft der Chef des Wirtschaftsverbandes. Stietzel forderte auf eine Umsetzung noch vor der Wiederholungswahl im Februar 2023. „Denn in der aktuellen Lage ist Umsetzung der beste Wahlkampf.“

Am Dienstag präsentierte Berlins Chief Digital Officer (CDO) Ralf Kleindiek seine Reformpläne im Senat. Kleindiek sagte auf der Pressekonferenz des Senats: „Ich habe heute Vorschläge für die grundlegendste und umfassendste Reform seit der Bezirksreform 2001 im Senat vorgestellt.“ Bis Januar werde er ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten, dazu wurde er vom Senat am Dienstag beauftragt. „Ich freue mich, sagen zu können, dass wir damit so weit sind wie noch nie.“

Es soll eine Bringschuld der Verwaltung geben.

Ralf Kleindiek sieht nicht mehr die Bürger zuerst in der Pflicht

Viele der Änderungen sollen schon ohne eine Verfassungsänderung möglich sein. Für die Einführung des politischen Bezirksamtes – also der Besetzung der Stadtratsposten nicht nach Proporz, sondern durch eine Koalition – strebt Kleindiek jedoch mittelfristig auch eine Verfassungsreform an.

Dem CDO schwebt eine ganz neue Kultur in der Verwaltung vor. „Wir brauchen ein neues Verwaltungsparadigma“, sagte Kleindiek. „Es gibt heute eine Holschuld der Bürger. Sie müssen zur Verwaltung hin, müssen alles beantragen. Das soll umgedreht werden: Es soll eine Bringschuld der Verwaltung geben“, versprach Kleindiek.

Zentralisierung? Kleindiek widerspricht

Wie im Tagesspiegel berichtet, will Kleindiek dafür klarere Verantwortlichkeiten für Aufgaben des Landes und der Bezirke definieren, außerdem soll der Senat Aufgaben stärker für die gesamte Stadt steuern.

Künftig sollen Senatsverwaltungen bei Aufgaben wie dem Wohnungsbau oder der Verkehrsführung stärker fachlich eingreifen können. Gleichzeitig sollen aber die Bezirksbürgermeister gestärkt werden. Kleindiek widersprach am Dienstag dem Eindruck, es gehe ihm um eine reine Zentralisierung aller Aufgaben beim Senat: „Wir wollen nicht alles zentralisieren. Es geht auch nicht um Befehl und Gehorsam, sondern wir wollen Politikfelder insgesamt gemeinsam mit Senat und Bezirken gestalten.“

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) unterstützt die Pläne ihres Chefmodernisierers: „Wir sind gut beraten, wenn wir starke Bezirke haben, das sind zwölf Großstädte in sich“, sagte Giffey.

Sie befürwortet die Einführung politischer Bezirksämter. Dies sei „ein echter Gamechanger“ für klarere politische Entscheidungen. Die dafür notwendige Verfassungsänderung sei aber nicht in wenigen Monaten machbar. „So ein Prozess mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament dauert mindestens ein Jahr“, sagte Giffey.

Kleindieks Vorschläge waren am Wochenende durch einen Bericht im Tagesspiegel öffentlich geworden. Die Grünen und die Opposition kritisierten die Pläne daraufhin als zu zaghaft. Die Grünen fühlten sich düpiert, weil Kleindiek seine Pläne nicht mit ihnen abgesprochen haben soll. Alle Ideen lägen längst auf dem Tisch und es sei wenig Neues dabei. Ähnlich äußerten sich FDP und CDU. Eigene Pläne wurden aber nicht konkretisiert.

Die Berliner Wirtschaft blickt nun optimistischer auf Kleindieks Pläne: „Endlich lässt der Senat Mut zu einer echten Verwaltungsreform erkennen und nimmt die Berliner Landesverfassung mit in den Blick“, sagt Stietzel. Besonders die von Kleindiek vorgeschlagene Einführung von schnelleren Genehmigungsverfahren hat es der Berliner Wirtschaft angetan.

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