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Gabriele Schlimper vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin übergibt die Federführung der LIGA Berlin an Andrea Asch und Ursula Schoen vom Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

© Rolf Schulten/Paritätischer Berlin

„Ermöglichungsverwaltung“ statt „Erbsenzählerei“: Berliner Sozialverbände fordern Politik zu langfristiger Planung auf

Nach zwei Jahren wechselt die Liga-Führung der Wohlfahrtsverbände. Die Herausforderungen bleiben – wie etwa der Fachkräftemangel und niedrigschwellige Angebote zu schaffen.

Für die sozialen Träger in Berlin ist es eine doppelte Herausforderung: Einerseits sind ihre Angebote so gefragt wie selten zuvor. Vor dem Hintergrund steigender Preise suchen so viele Menschen die allgemeine Sozialberatung auf, dass die Wartelisten lang sind. Zugleich steigen die Kosten für die Träger selbst. Doch anders als etwa Lebensmittelproduzenten können die sozialen Einrichtungen die Kosten nicht auf ihre Klienten umlegen.

Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischer Wohlfahrtsverbands Berlin, erinnerte am Dienstag bei der Übergabe der Liga-Führung an die Diakonie daran. Knapp drei Viertel der in ihrem Verband organisierten Initiativen gingen davon aus, dass durch die Preissteigerungen ihre Projekte und ihre soziale Arbeit generell gefährdet sind, sagte sie. Dabei übernehmen die Verbände „systemrelevante Arbeit“, wie es Andrea Asch, Direktorin und Vorständin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sagte.

In der Liga Berlin sind die sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossen. Alle zwei Jahre wird die Federführung weitergegeben – ab dem 1. Januar 2023 übernimmt die Diakonie. Die symbolische Übergabe fand bereits am Dienstag statt. Die organisatorische Leitung wechselt, aber die Aufgaben bleiben – und davon gibt es viele. Ein drängendes Problem: der Fachkräftemangel im sozialen Bereich. „Wir sehen jetzt schon, dass uns Bereiche wegbrechen“, sagte Diakonie-Vorständin Andrea Asch.

60 Prozent aller Leistungsberechtigten rufen Hilfe nicht ab

Weitere Schwierigkeit: Den Menschen zu der Unterstützung verhelfen, die ihnen zusteht. Die Diakonie-Vorständin kritisierte das Agieren der Berliner Behörden als zu abgeschottet. Es brauche niedrigschwellige Angebote und eine „Ermöglichungsverwaltung“ statt „Erbsenzählerei“. 60 Prozent aller Leistungsberechtigten riefen die ihnen zustehende Unterstützung schon jetzt nicht ab, weil sie nichts davon wüssten.

Wenn Menschen am Ende Mietschulden anhäuften und ihre Wohnung verlören, weil sie nicht wüssten, dass ihnen Hilfe zusteht, sei das fatal. Asch fordert deswegen eine unmittelbare Abschlagszahlung für Wohngeld – ähnlich wie bei den Corona-Hilfen, ohne die umständliche vorherige Prüfung. Den Verweis auf Betrug bei den Corona-Hilfen will Asch nicht gelten lassen. „Es kann nicht sein, dass Menschen an der Armutsgrenze darunter leiden, dass Unternehmen währen der Pandemie im großen Stil betrogen haben“, sagte sie.

Die Geschäftsführerin des Paritätischen Berlin, Schlimper, beendete ihre Liga-Führung mit einem Appell an die Berliner Politik nach einer langfristigen Sozialplanung: „Zurzeit stolpern wir von einer Herausforderung in die nächste und versuchen, diese dann mit viel Engagement und kurzfristigen Projekten zu lösen“.

Stattdessen brauche es eine „langfristige bezirksübergreifende Planung“. Die freie Wohlfahrt sei beweglich – nicht aber die Verwaltung. Diese arbeite immer noch wie zu Vor-Krisen-Zeiten - und das funktioniere schlicht nicht mehr.

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