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Kindernotdienst in der Gitschiner Strasse 48, Kreuzberg

© Kitty Kleist-Heinrich TSP

Eskalation der Gewalt: Beschäftigte des Berliner Kindernotdienstes schreiben Hilferuf

Kinder in ihrer Obhut könnten nicht mehr zuverlässig vor Gewalt Älterer geschützt werden, klagen Mitarbeiter des Berliner Kindernotdiensts. Der Senat schildert die Probleme weniger drastisch.

Berlins Kindernotdienst hat erneut seine schwierige Situation mit einer Gefahrenmeldung an den Senat unterstrichen. Beschäftigte der Kreuzberger Einrichtung könnten den betreuten Kindern wegen der schwierigen Personallage zeitweilig keine sichere Zuflucht mehr bieten. So zitiert der RBB aus einem Bericht von Mitarbeiter:innen.

Als beispielhaft für die Gefährdung im Alltag der Betreuungsarbeit wird dort eine Situation beschrieben, die unversehens eskalierte: Ein Mitarbeiter habe mit einer Ein- und einer Sechsjährigen einen Turm gebaut, als ein 13-Jähriger die beiden jüngeren Kinder plötzlich mit Tritten in Richtung Kopf traktierte. Offenbar schleuderte das ältere Kind noch einen Küchentisch „über den Kopf“ des sechsjährigen Mädchens.

Permanent und zunehmend seien solche Vorkommnisse, heißt es laut RBB in der Gefährdungsanzeige, der offenbar mindestens ein weiteres, ähnlich lautendes Schreiben vom Ende des Jahres vorausging. Man sei kaum in der Lage, besonders die jüngeren Kinder vor der Gewalt älterer zu schützen.

392
Kinder kamen 2022 in die Obhut des Notdienstes. 

Die Kreuzberger Einrichtung in der Gitschiner Straße nimmt Kinder bis zum Alter von 13 Jahren auf, wenn diese kurzfristig von zu Hause wegmüssen, etwa wegen Gewaltvorfällen im familiären Umfeld. Von den zehn vorhandenen Plätzen waren im vergangenen Jahr laut Senat im Schnitt rund acht belegt. 392 Kinder kamen 2022 in die Obhut des Notdienstes.

Neben einem hohen Krankenstand und unbesetzten Stellen wird die gestiegene Verweildauer der Kinder als Problem benannt: Statt bis zu drei Werktagen blieben diese mehr als doppelt so lange in der nur für kurzfristige Hilfe ausgelegten Einrichtung. Einzelne Kinder seien sogar bis zu einem halben Jahr dort, fühlten sich perspektivlos und zwischengeparkt.

Der Senat sieht die Probleme weniger drastisch: Anfang dieser Woche seien sieben von 51 Beschäftigten erkrankt, heißt es aus der Bildungs-, Jugend- und Familienverwaltung – eine unauffällige Zahl. In Phasen mit hohen Krankenständen würden Sozialarbeiter:innen anderer Bereiche aushelfen. Alle Fälle mit gestiegenen Verweildauern seien bekannt. Man arbeite mit bezirklichen Jugendämtern und freien Trägern an tragfähigen Alternativen.

Der Senat nennt eine Reihe von Gründen, aufgrund derer es schwierig geworden sei, in kurzer Zeit geeignete Anschlusshilfen zu finden. Dazu zählten der Fachkräftemangel, eine größere Komplexität der Fälle mit hohem pädagogischen Unterstützungsbedarf und die große Zahl an Geflüchteten in der Stadt. Im Betreuungs- und Kriseninterventionsbereich des Kindernotdienstes gibt es insgesamt 33,5 Vollzeitstellen. Von diesen Stellen sei eine Erzieherstelle unbesetzt, aber bereits ausgeschrieben.

Man arbeite auf mehreren Ebenen daran, die Infrastruktur an die veränderte Lage anzupassen. Unter anderem ist ein vierter Standort für die Intensiv-Kurzbetreuung von Kindern und Jugendlichen geplant. Auch könnten die Kinder vom Alter her in Zukunft besser auf mehrere Gruppen verteilt werden.

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