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Zwei Reihen Stillstand am Washingtonplatz

© Jörn Hasselmann

Fahrer steuern Europaplatz trotz Verbots an: IHK fordert mehr Taxistände am Berliner Hauptbahnhof

Seit Eröffnung des Hauptbahnhofs fehlt Platz für Taxis. Am Europaplatz sollen sie nun ganz verschwinden. IHK und Taxiverbände haben eine Lösung entwickelt.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) fordert vom Bezirk Mitte eine bessere Lösung für die Taxifahrer am Hauptbahnhof. Dort will der Bezirk den nördlich gelegenen Europaplatz umgestalten. Taxifahrer haben dort ihre Plätze verloren – theoretisch. Praktisch ist die Situation noch chaotischer geworden. So ignorieren viele Fahrer das Anfahrverbot am Europaplatz. Zudem wird die Busspur in der Invalidenstraße als Wartefläche von Taxen und Fahrdiensten wie Uber genutzt. Ankommende Busse müssen sich ihren Weg zur Haltestelle dann schon mal freihupen.

Die IHK hat nun gemeinsam mit der Berliner Taxivereinigung eine Lösung entwickelt und ihn an die zuständige Mitte-Stadträtin Almut Neumann geschickt. „Da die Berliner Wirtschaft sehr großes Interesse an einem attraktiven und bequem nutzbaren Hauptbahnhof hat, haben wir eine Idee zur effizienten Umorganisation der Taxianfahrt am Hauptbahnhof entwickelt“, heißt es darin. Dem Tagesspiegel liegt das Schreiben vor.

Hauptziel der Innung ist die Wiederherstellung einer kleinen Taxivorfahrt im Norden, also zur Invalidenstraße hin. Im Süden der Station, also am Washingtonplatz, soll die Vorfahrt aus beiden Richtungen, und zwar über Kapelle-Ufer und Friedrich-List-Ufer, angesteuert werden können.

Nur noch an der Südseite und in der Tiefgarage des Bahnhofs erlaubt

Vor einer Woche hatten Taxifahrer gegen die Neuordnung demonstriert. Der Bezirk will, dass Taxis nur noch an der Südseite und über die Tiefgarage Kunden aufnehmen dürfen. Da bislang keine Poller aufgestellt wurden, wird dieses Verbot ignoriert. Die Aufnahme von Kunden in der Tiefgarage wird von den Taxifahrern kritisiert: Der Weg dorthin sei länger und schlecht zu finden.

Die Busspur in der Invalidenstraße vor dem Hauptbahnhof.
Die Busspur in der Invalidenstraße vor dem Hauptbahnhof.

© Jörn Hasselmann

Das entscheidende Problem ist jetzt fünf Jahre alt: Wegen des Baus der S21 ist das Friedrich-List-Ufer als Verbindung zwischen Nord- und Südseite der 2006 eröffneten Station gesperrt. Seitdem gibt es die frühere Ausfahrt der Taxis nicht mehr, die Fahrgäste am Hauptbahnhof aufgenommen haben. Im Norden blieb nur noch Platz für drei wartende Taxis. Und die sollen nach den Plänen von Senat und Bezirk nun auch verschwinden.

Der kleine Europaplatz hat sich seit Eröffnung des Bahnhofs 2006 als chaotisches Durcheinander an Fahrrädern, Rollern und Betonklötzen entwickelt, er ist komplett asphaltiert.

Pläne für den neuen Europaplatz am Hauptbahnhof
Pläne für den neuen Europaplatz am Hauptbahnhof

© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Endgültig verschandelt wird das Areal durch die Bauzäune der unendlichen Baustelle für die Nord-Süd-S-Bahn. Deren Fertigstellung verzögert sich seit mehreren Jahren immer weiter. Da anschließend noch die Brücke der Bahn über den Humboldthafen saniert werden muss, ist auf absehbare Zeit nicht mit einer Wiedereröffnung des Friedrich-List-Ufers zu rechnen.

Ein Schirm aus Bäumen für die Invalidenstraße

Vor einem Monat nun hatte die Senatsbauverwaltung den Siegerentwurf vom Dresdener Architekturbüro Rehwaldt für die Umgestaltung vorgestellt. Geplant ist ein „Grüner Schirm“ aus Bäumen an der Invalidenstraße mit Sitzmöglichkeiten, 180 Fahrradstellplätzen und einer Jelbi-Station der BVG. Mit dem Umbau sollen sich die Aufenthaltsqualität und die Umsteigequalität verbessern, teilte die Verwaltung mit. Taxifahrer sieht der Plan nicht mehr vor.

Ich freue mich, dass dieser jetzt noch sehr unübersichtliche Ort zu einem einladenden Entrée Berlins wird.

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) 

Laut Pressemitteilung sind alle zufrieden, Bezirk und Bauverwaltung. Auch Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) findet freundliche Worte: „Ich freue mich, dass dieser jetzt noch sehr unübersichtliche Ort zu einem einladenden Entrée Berlins wird.“

Diese Taxivorfahrt soll eigentlich schon weg sein.
Diese Taxivorfahrt soll eigentlich schon weg sein.

© Jörn Hasselmann

Die Taxiverbände wurden offenbar nicht gefragt. Auf die Frage, wie es denn so sei, schimpft sich ein auf Fahrgäste wartender Fahrer in Rage – über Bezirk, Bürokratie, Berlin und überhaupt. Dass er dabei die Busspur in der Invalidenstraße blockiert, ist ihm egal. In die Tiefgarage wolle er nicht und die meisten Menschen wollen über die Invalidenstraße zum Bahnhof, sagt er.

Attraktives Entree der Hauptstadt: Der Europlatz heute.
Attraktives Entree der Hauptstadt: Der Europlatz heute.

© Jörn Hasselmann

Auf der Invalidenstraße fahren Busse und Straßenbahnen, hier ist die Ausfahrt des Nord-Süd-Tunnels. Dass Bedarf auch auf dieser Seite des Hauptbahnhofs besteht, zeigt die lange Reihe von Taxis und Fahrdiensten in der Invalidenstraße. Der Wunsch, Taxis hier gar nicht mehr haben zu wollen, erscheint zumindest weltfremd.

„Wir reden vom Hauptbahnhof einer Millionenmetropole und nicht von einer S-Bahn-Station“, sagte IHK-Vizepräsident Robert Rückel dem Tagesspiegel. Menschen stiegen nur vom Auto auf die Bahn um, wenn sie vom Bahnhof auch mit ihrem Gepäck komfortabel zum Zielort kommen. IHK und die Taxiverbände seien bereit, gemeinsam eine „pragmatische Lösung“ zu finden. Rückel bittet die Stadträtin um ein Gespräch.

Doch auch der Vorschlag der IHK, am Washingtonplatz Taxis aus beiden Richtungen ankommen zu lassen, wird nicht funktionieren: Die Vorfahrt ist viel zu schmal für beide Richtungen. Selbst jetzt in der Einbahnstraße blockieren sich Taxis gegenseitig, weil beide Spuren zum Ein- und Aussteigen genutzt werden.

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