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Schüler und Schülerinnen der Lenau Grundschule in Berlin Kreuzberg lernen mit ihrer Lehrerin im Unterricht Schule, Tafel, Schultafel, Laptop gemalt, Fragezeichen, Unterricht, Grundschule, Schreiben, Heft, Füller, Bleistift, unterrichten, Lehrerin, Migranten, Kopftuch ©Kitty Kleist-Heinrich

© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Fasten in der Schule: Wie Berlins Lehrer mit Ramadan umgehen

Hungrige Kinder mit Konzentrationsproblemen. Schüler, die zum Fasten gedrängt werden. Ist das alles, was es über Ramadan zu berichten gibt? Vier Lehrer erzählen, wie sie den Fastenmonat erleben.

Am 23. März hat der islamische Fastenmonat Ramadan begonnen, der wichtigste Monat des islamischen Mondkalenders. Für Zehntausende Berliner Muslime ist der Ramadan eine Zeit der Besinnung auf den Glauben und die Gemeinschaft – und eine Zeit der Enthaltsamkeit. Für gläubige Muslime ist das Fasten Pflicht, ausgenommen sind etwa Reisende, Kranke, Schwangere und Kinder. 

Dennoch fasten angeblich viele muslimische Schüler in Berlin. In den letzten Jahren hat das zu wiederkehrenden Konflikten geführt. Lehrer sorgten sich aber nicht nur um übermüdete, unkonzentrierte Schüler. Fastende Schüler sollen Mitschüler zum Mitmachen gedrängt haben.

Eine vermeintliche Zunahme solcher „konfrontativen Religionsbekundungen“ beunruhigte nicht nur zahlreiche SPD- und CDU-Politker sowie die Säkularen Grünen, sondern löste auch Ende 2021 eine scharfe Diskussion aus. Eine unbequeme Wahrheit oder schlicht antimuslimischer Rassismus?

Grund genug, an Schulen nachzufragen: Wie erleben Pädagogen den diesjährigen Ramadan? Detlef Pawollek ist langjähriger Schulleiter der Neuköllner Röntgen-Schule, den Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund schätzt er auf 99 Prozent. Mit dem Fastenmonat geht er betont unaufgeregt um.

„Ich beobachte nicht, dass meine Schüler weniger aufnahmefähig sind als sonst auch“, konstatiert Pawollek. Für ihn ist der Ramadan die Privatsache seiner muslimischen Schüler, nicht Sache der Schule. Eines ist ihm aber besonders wichtig: Sollten Schüler ihre Mitschüler zum Fasten drängen, will er von seinen Lehrkräften sofort informiert werden. Solche Vorfälle habe es aber dieses Jahr bisher nicht gegeben.

Ein bisschen wie der Advent

Mehmet Can, Lehrer an der Rütli-Schule in Neukölln, sagt, dass er solche Vorfälle in den fünf Jahren an der Schule noch nie erlebt habe. Anders als ein Großteil seiner Schüler fastet der 41-Jährige Leiter des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften selbst nicht. Dass Schule und Lehrer auf den Fastenmonat eingehen, ist ihm aber wichtig, der Advent werde ja schließlich auch gefeiert:

Im Vordergrund sollte das Narrativ stehen, dass der Ramadan eine Zeit der Freude ist.

Mehmet Can, Lehrer an der Rütli-Schule

Für die knapp vier Wochen ist der Ramadan am Rand des Schulalltags an der Rütli-Schule präsent: In einer achten Klasse darf jeden Morgen ein Schüler ein Päckchen des Ramadan-Klassenkalenders öffnen - wie im Advent. Und in der „Manege“, dem Jugendzentrum auf dem Campus, organisieren Oberstufenschüler das gemeinsame Fastenbrechen nach dem Sonnenuntergang. 

An der Neuköllner Rütli-Schule, hier ein Archivbild mit Schulleiterin Cordula Heckmann, organisieren Oberstufenschüler das gemeinsame Fastenbrechen nach dem Sonnenuntergang. 
An der Neuköllner Rütli-Schule, hier ein Archivbild mit Schulleiterin Cordula Heckmann, organisieren Oberstufenschüler das gemeinsame Fastenbrechen nach dem Sonnenuntergang. 

© Doris Spiekermann-Klaas

Im Gegensatz zu Pawollek nimmt Can wahr, dass viele fastende Schüler über Hunger, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme klagen. „Dann weise ich darauf hin, dass man das Fasten unterbrechen oder nachholen kann“. Seinen Unterricht passt der Rütli-Lehrer nicht an die fastenden Schüler an.

Einen lange geplanten Klassenausflug am ersten Tag des Ramadans habe er zum Beispiel nicht verschoben. Das sehe der Islam auch nicht vor, pflichtet ihm Burhan Kesici bei, der Vorsitzende der Islamischen Föderation. Er und seine Kollegen unterrichten an 42 Schulen Islamische Religion. Wer faste, entledige sich nicht seiner Pflichten. „Fasten darf auf keinen Fall dazu führen, dass sich Schüler krankmelden oder auch nur den Sportunterricht pausieren“, betont Kesici. Das vermittele er auch seinen Schülern.

Doch kann man von fastenden Schülern die gleiche Leistung wie sonst erwarten? Ein junger Sportlehrer an einer Neuköllner Gesamtschule, der anonym bleiben möchte, verneint das. Viele seiner fastenden Schüler seien während des Ramadans schlapp, unkonzentriert und teilweise auch gereizt, je jünger die Schüler sind und je länger der Schultag dauert. Gerade als Sportlehrer sieht er sich im Zwiespalt: „Einerseits bin ich verpflichtet, meine Schüler zu unterrichten, andererseits trage ich auch die Verantwortung für ihre Gesundheit.“ 

Wenig Augenmerk im Studium

Wie Sportlehrer mit fastenden Schülern umgehen können, war auch Thema in einem Uni-Seminar während seines Referendariats. Zusammen mit Kommilitonen suchte der engagierte 29-Jährige nach Lösungen. In seinen vier Jahren als Sportlehrer, den Großteil davon im Nebenjob während des Studiums, hat sich für ihn bewährt, auf Ausdauersport zu verzichten. LIeber baut er kleine Pausen und Denkaufgaben ein, die als Gruppe in Bewegung gelöst werden müssen. „So werde ich meinen Pflichten als Lehrer gerecht, ohne den Schülern mehr abzuverlangen, als ein Teil von ihnen leisten kann.“

Dass der junge Sportlehrer in seinem Studium mit Ramadan konfrontiert wurde, scheint aber eine Seltenheit zu sein. Auf Nachfrage verneinen selbst seine gleichaltrigen Kollegen, dass das in ihren Seminaren Thema war. Das ist es dafür umso mehr im Schulalltag - fast einen Monat pro Jahr. Ob und wie sie auf den Fastenmonat eingehen, bleibt den Lehrern selbst überlassen.

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