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Plakate gegen den Verkauf von Mietwohnungen an die Deutsche Wohnen SE hängen an einer Gebäudefassade in der Karl-Marx-Allee. Berlin ist ein Magnet. Aus allen Teilen der Republik ziehen Menschen dorthin - mit Nebenwirkungen: Der Wohnungsmarkt ist vielerorts leer gefegt.

© Christoph Soeder/picture alliance/dpa

Fauler Kompromiss oder doch ein Sieg für die Linke?: Berlins Enteignungskommission kann eine historische Chance sein

Die SPD mag den Enteignungsvolkentscheid per Kommission versanden lassen. Es spricht aber einiges dafür, dass vielmehr vernünftig über das Wie debattiert wird.

Wer nicht mehr weiter weiß, das ist bekannt, der gründet einen Arbeitskreis. Und ist alles sehr verfahren schon? Eine Kommission! Etwa so lesen sich die Reaktionen auf die Gründung einer Enteignungskommission, die Berlins rot-grün-rote Koalitionäre planen.

Von einem faulen Kompromiss redet die konservative Opposition, die Volksinitiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ erkennt eine „durchschaubare Verzögerungstaktik“. Der Politikwissenschaftler Maximilian Pichl spricht frei nach Pierre Bourdieu davon, die „Demokratie auszuhebeln“.

Ein Jahr lang sollen Experten jetzt darüber beraten, ob ein Vergesellschaftungsgesetz nach dem erfolgreichen Volksentscheid möglich ist und wie es aussehen könnte. Sie werden zuerst den Entwurf der Initiative prüfen, dann alternative Möglichkeiten. 2023 entscheidet dann nicht die Kommission, sondern der Senat wird einen politischen Beschluss fassen.

Die SPD, da mögen die Kritiker richtig liegen, hofft so, das politische Riesen-Problem Volksentscheid weiter zu vertagen. Die Linke ihrerseits bangt darum, nicht des Bruchs ihres Wahlversprechens überführt zu werden: Hatte sie doch die schnelle Umsetzung des Entscheids versprochen. Ja, das ist ein Kompromiss, klassisch.

Was kaum erkannt wird: Wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland befasst sich ein politisch beauftragtes Expertengremium mit der Frage, wie großflächige Vergesellschaftung rechtssicher möglich ist. Und mit der städtischen Zukunftsfrage schlechthin: Wer darf wie viel Geld mit Wohnraum verdienen?

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Dass Enteignungen ein legitimes politisches Mittel sein können, hier liegt die Linke richtig, steht ja im Grundgesetz. Reingeschrieben haben das, das sollten diese nicht vergessen, einst Sozialdemokraten. Die eigentlich relevante Frage ist also nicht diejenige, die die Berliner:innen beim Volksentscheid beantworteten: Ja oder Nein? Sondern: Wie soll das gehen?

Die Volksinitiative sollte unbedingt mit am Tisch sitzen

Dass politischer Wille – auch des Volkes – allein oft nicht reicht, zeigt das Drama um den Mietendeckel. Hehre politische Ziele trafen dort mit Vollkaracho auf die verfassungsgerichtliche Realität. Am Ende verloren alle. Wird die Enteignungskommission also so offen kommunizieren, wie es besonders Linke und Grüne versprechen, steht Berlin ein zwölfmonatiger Vergesellschaftungsdiskurs bevor.

Ob es gelingt, Gräben zuschüttet, wird eine Frage der Gesprächsbereitschaft beider Lager sein: Derzeit stellt die Volksinitiative noch Bedingungen, damit sie sich an der Kommission beteiligt. Juristen des Volksentscheides sollten aber genauso vertreten sein wie konservativere Köpfe. Letztlich entscheidet immer das Wie über das Ob.

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