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Kriminaltechniker an einem Berliner Tatort.

© imago/Olaf Wagner

Forensische Genetik der Charité und die Polizei: Streit um 300.000 DNA-Proben in Berlin

Eine Abteilung der Charité-Rechtsmedizin schließt, weil Berlins LKA woanders DNA-Analysen bestellen muss. Nun sorgen sich Senat und Staatsanwaltschaft.

Drei Senatsverwaltungen, die Spitzen der Berliner Ermittlungsbehörden und Europas größte Universitätsklinik verhandeln derzeit heftig – kommende Woche wird sich wohl auch das Abgeordnetenhaus damit befassen: Es geht um das Ende der Forensischen Genetik im Institut der Rechtsmedizin der Charité.

In der Abteilung analysierten Molekularbiologen meist vom Landeskriminalamt (LKA) eingesandte DNA-Proben. Zum 1. März wurde die Forensische Genetik geschlossen – wogegen das LKA, von dem 90 Prozent der Aufträge stammten, protestierte. Auch Staatsanwälte zeigten sich irritiert, dazu bundesweit Rechtsmediziner, Biologen, Kriminologen. Der Tenor: DNA-Forensik sei anspruchsvoll, kaum jemand darin so erfahren wie die landeseigene Charité.

Dabei beugt sich die Charité – grob zugespitzt formuliert – nur den Folgen der üblichen Vergabepolitik. Denn eine Privatfirma klagte dagegen, dass Berlins LKA über die Jahre quasi exklusiv die Hochschulforensiker mit den Analysen beauftragt hat. Die gewerblichen Mitbewerber setzten sich durch, Richter entschieden: Das LKA müsse die Aufträge für DNA-Forensik ausschreiben, es gilt zudem ein Sparsamkeitsgebot. Nun werden Berlins Ermittler mit anderen Laboren arbeiten.

Aus der Charité als ehemaligem Auftragnehmer müsste das LKA also als bisheriger Auftraggeber seine Proben abholen. Doch mit den neuen Kooperationspartnern scheint das länger zu dauern als angenommen – und in dieser Übergangsphase lagern in der Charité etwa 300.000 Proben, von denen viele noch nicht analysiert worden sind.

In einer internen Stellungnahme beklagt Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers, dass Gespräche zwischen Polizei und Charité über noch bestehende Aufträge zur DNA-Analyse „einstweilen ergebnislos“ verliefen.

Der Bettenturm der Charité in Berlin-Mitte.
Der Bettenturm der Charité in Berlin-Mitte.

© picture alliance/dpa

Charité-Chef Heyo Kroemer erreichten zuletzt auch Briefe wütender Forscher. Die „Gemeinsame Spurenkommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute“ schreibt mit Blick auf DNA-Proben, die nach vergangenen Taten niemandem zugeordnet werden konnten, aber in neuen Fällen bedeutsam sein könnten: „Für externe, nicht mit der Erstuntersuchung befasste Sachverständige ist diese Bewertung extrem aufwendig, da diese nicht mit den laborspezifischen Analyseprozessen und der Ergebnisqualität ursächlich vertraut sind. Dadurch werden strafprozessuale Maßnahmen nachhaltig verzögert, was insbesondere bei Seriendelikten gravierende Konsequenzen haben kann.“

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Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte sich an die Charité gewandt. Dem Tagesspiegel sagte Behrendt: „Charité-Vorstand und Polizeipräsidium müssen alles daransetzen, einen geordneten Übergang zu schaffen, der die Arbeit von Staatsanwaltschaft und Gerichten nicht beeinträchtigt.“

„Die Funktionsfähigkeit ist aktuell weiter sichergestellt“

Ein Charité-Sprecher wies darauf hin, dass der Kooperationsvertrag zwischen der Universitätsklinik und dem LKA nach dem Vergabe-Urteil durch die Polizei gekündigt worden sei. Man sei aber in „intensiven und konstruktiven Gesprächen“ mit dem Senat – was wiederum der für die Charité zuständige Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach und ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) bestätigten.

Der Charité-Sprecher teilte zudem mit: „Die Funktionsfähigkeit ist aktuell weiter sichergestellt, Ausschlussprüfungen und Mischspurenbegutachtungen werden im Labor bearbeitet. Die Charité ist nach wie vor an einer weiteren, langfristigen Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt interessiert, aber auch eine geordnete Übergabe der DNA-Spuren ist selbstverständlich.“

Die DNA gilt seit den Neunzigern als besonders wertvolle Spur – weil sie einer bestimmten Person zugeordnet werden, dazu noch Jahrzehnte an Tatorten, Gegenständen, Leichen überdauern kann. Die Suche nach diesen Erbgutspuren ist in Ermittlungen inzwischen ein Standardverfahren.

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