Im Osten was Neues: Wie die Berliner Linke ihre Hochburgen verliert
Einst waren die ehemaligen Ost-Bezirke das Kraftzentrum der Berliner Linke. Spitzenwerte holt die Partei inzwischen woanders.
Auf den Jubel folgt der Kater, das musste in der Nacht von Sonntag auf Montag auch die Berliner Linke erfahren. Nachdem die 18-Uhr-Prognose von 12,5 Prozent der Stimmen angesichts düsterer Ergebnisse aus anderen Ländern frenetisch gefeiert worden war, schüttet ein genauer Blick auf die Ergebnisse ordentlich Wasser in den Wein.
70.000 Stimmen hat die Linke im Vergleich zur Wahl 2021 verloren, um 1,6 Prozentpunkte ging es berlinweit nach unten. Über eine erneute Regierungsbeteiligung entscheiden andere und das bejubelte Ausscheiden der FDP kann den linken Frust über den deutlichen Wahlsieg der CDU ganz sicher nicht wettmachen.
Vielmehr setzt sich ein Trend fort, der bereits bei vergangenen Wahlen zu beobachten war: Von den einstigen Hochburgen der Partei im Osten der Stadt ist mehr als 30 Jahre nach Wiedervereinigung nicht mehr viel übrig.
Stellte die Partei in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf 2016 noch die mit Abstand stärkste Kraft und verwies die Konkurrenz von CDU, SPD und AfD auf die Plätze, hat sich das Kräfteverhältnis in den vergangenen sechseinhalb Jahren quasi umgekehrt. In Marzahn-Hellersdorf landete die Linke noch hinter der AfD auf Rang 4 und holte weniger als die Hälfte der Zweitstimmen der CDU.
In Lichtenberg reichte es zwar noch für zwei Direktmandate und Rang 2 hinter der CDU. Bezirksweit jedoch verlor die Linke 2,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021 und sogar 8,4 Prozentpunkte zu 2016. Die Stimmenmehrheit für den Linke-Bezirksbürgermeister Michael Grunst ging ebenso verloren wie für seinen Amtskollegen Sören Benn aus Pankow.
Erfreulicher sieht es in Teilen der Innenstadt aus. Im Norden Friedrichshains verteidigte Damiano Valgolio sein 2021 gewonnenes Direktmandat und baute den Vorsprung gegenüber der deutlich prominenteren Grünen-Kandidatin Monika Herrmann sogar noch aus.
In den citynahen Neuköllner Wahlkreisen sorgten die Linke-Kandidatinnen Jorinde Schulz und Lucy Redler mit Erststimmenergebnissen von 30,7 und 26,3 Prozent für Spitzenwerte. Auch in Teilen von Mitte, Kreuzberg und Schöneberg holte die Linke respektable Ergebnisse mit nur geringen Verlusten oder sogar leichten Gewinnen.
Darauf müssen wir bis 2026 Antworten finden.
Kristian Ronneburg, Linke-Bezirkschef in Marzahn-Hellersdorf
Ist die Linke auf dem Weg zur Innenstadtpartei? Aus Sicht von Kristian Ronneburg, Linke-Bezirkschef von Marzahn-Hellersdorf, ist die Sache komplizierter. „Die Hauptursachen für unser schlechtes Abschneiden sind die fehlende Mobilisierungsfähigkeit der eigenen Wähler“, erklärt er. Schuld sei nicht zuletzt die Koalition und damit die eigene Partei.
Die Partei ist zu einem Sammelbecken selbstdestruktiver, linksradikaler, akademisierter Spinnerei mit degoutanter Russlandverklärung verkommen.
Schreibt Community-Mitglied maxost
„Der ewige Streit, das ewige Beharken, die Kanalisierung von Unmut haben ganz klar bei der CDU eingezahlt“, sagt Ronneburg. Mit Blick darauf, wie der Abwärtstrend in den einst sicheren Wahlbezirken gestoppt werden kann, sagt Ronneburg: „In eher demokratieabgewandten und rechtsoffenen Milieus muss ein Wahlkampf anders geführt werden als in eher linksgeprägten Milieus. Darauf müssen wir bis 2026 Antworten finden.“
Ferat Kocak, der 2021 für die Neuköllner Linke ins Abgeordnetenhaus eingezogen war und gleich zu Beginn klargemacht hatte, lieber in die Opposition gehen zu wollen, als unter Franziska Giffey zu regieren, sieht diesen Kurs durch die Wahlergebnisse in seinem Bezirk bestätigt.
„Unsere regierungskritische Politik verfängt in Neukölln, sie bringt uns sehr viel Zuspruch. Ich meine, wir sollten versuchen, das Konzept Neukölln auch woanders umzusetzen“, erklärte Kocak. Mit Blick auf die im Fall der Fälle ganz sicher wieder auf die Linke zukommende Debatte über eine Neuauflage der Koalition, sagte er: „Die Regierungsbeteiligung hat uns nicht viel gebracht.“
Und so ist es unter anderem an Partei-Vize Tobias Schulze, beide Pole zu vereinen und Antworten auf die Frage zu finden, wie die von ihm als „Achillesverse“ bezeichneten Außenbezirke im Osten wieder zum Kraftzentrum der Linken werden. Es brauche eine „offensive Strategie, um die Leute wieder zu erreichen“, sagt Schulze und bezeichnet es als „Überlebensfrage für die gesamte Linke“, zu klären, was eine moderne linkssozialistische Partei bietet. Sein Vorschlag: „Ein verbindendes Konzept etwa zum funktionierenden ÖPNV oder der Verwaltung, das beide Gruppen anspricht.“
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