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Ein Polizeibeamter mit einer Bodycam.

© dpa/Paul Zinken

„In der geplanten Form verfassungswidrig“: Datenschutzbeauftragte kritisiert Bodycam-Pläne von Schwarz-Rot in Berlin

Die Koalition will Bodycams für Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämter. Die Datenschutzbeauftragte rechnet jetzt mit dem Gesetzentwurf von CDU und SPD ab.

Berlins schwarz-rote Koalition will den Einsatz von Bodycams bei Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämtern massiv ausweiten, Bürger könnten schnell auf Videoaufnahmen landen. Doch nun schlägt die Datenschutzbeauftragte Meike Kamp Alarm. Sie hat „wesentliche rechtliche Bedenken“ gegen zentrale Punkte der von CDU und SPD vorgeschlagenen Novelle des Sicherheitsgesetzes.

Insbesondere das wichtigste Vorhaben der Koalition, Polizei und Rettungskräften Bildaufnahmen in Wohnungen zu erlauben, „wäre in der geplanten Form verfassungswidrig“. Das teilte Kamp dem Innenausschuss in einer schriftlichen Stellungnahme mit, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die Datenschutzbeauftragte sieht demnach gravierende handwerkliche und rechtliche Fehler im Entwurf der Koalition. Der Innenausschuss hält am Montag eine Anhörung zu den Bodycam-Plänen ab.

Schwarz-Rot will es der Polizei künftig erlauben, die sogenannten körpernahen Kameras an der Uniform in Wohnungen einzuschalten, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person erforderlich ist“. Die Koalition nennt hierbei etwa immer wieder Fälle von häuslicher Gewalt. Zudem sollen die Aufnahmen auch nachträglich für Strafverfahren genutzt werden können.

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Auffassung der Koalition „nicht zulässig“

Doch einen Richterbeschluss, wie ihn selbst das Grundgesetz sonst bei Durchsuchungen von Wohnungen vorschreibt, sieht die Koalition gar nicht erst vor. Die Verwertung der Aufnahmen sei „nur dann zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist oder – bei Gefahr im Verzuge – die richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt wurde“, kritisiert die Datenschutzbeauftragte nun. 

Die Auffassung der Koalition, „dass ein richterlicher Vorbehalt entbehrlich ist“, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, sei nicht zulässig. Für die Nutzung der Erkenntnisse aus den Videoaufnahmen „gilt wie bei anderen Ermittlungshandlungen“, die in die vom Grundgesetz geschützte „Unverletzlichkeit der Wohnung“ eingreifen, „der Richtervorbehalt“. Andere Bundesländer hätten dies für Bodycams in Wohnungen entsprechend geregelt, derlei sei von den Gerichten auch bestätigt worden.

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Völlig deplatziert sei zudem die geplante Vorgabe, dass die behördlichen Datenschutzbeauftragten von Polizei, Feuerwehr und Bezirksämtern prüfen sollen, ob die Nutzung der Videos zulässig ist. Das „fällt nicht in die Kernkompetenz“ der Datenschutzbeauftragten der Behörden, diese seien dazu „weder ermächtigt noch qualifiziert“.

Kamp sieht sich sogar genötigt, Schwarz-Rot über die Grundsätze der Gewaltenteilung aufzuklären. Zwar seien Datenschutzbeauftragte von Weisungen unabhängig, dennoch seien sie „Mitglied der Exekutive und nicht der Judikative“. Sie könnten „keine dem Richtervorbehalt entsprechende verfahrensrechtliche Absicherung“ liefern, „die dem System der gegenseitigen Kontrolle und Wahrung der betroffenen Interessen und der Verhältnismäßigkeit dient“. Zudem dürften die Aufnahmen „nicht ins Blaue hinein in ein Ermittlungsverfahren mit irgendeinem Anfangsverdacht überführt werden“, nötig sei ein konkreter Ermittlungsansatz.

Aufnahmen in Wohnungen ohne Rechtssicherheit

Auch sonst hält Kamp den Gesetzesentwurf für überzogen. Er erlaube per Bodycam „zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten“ durch den Einsatz in Geschäftsräumen, lasse aber die „besonders grundrechtsrelevanten Schutzbereiche ungeregelt“, die etwa Arztpraxen, öffentliche Toiletten, Anwaltskanzleien, Religionsstätten, Gerichte oder das Abgeordnetenhaus betreffen. Für Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder Geistliche fehlten Regelungen.

Bislang war vorgeschrieben, dass Bürger etwa bei Polizeikontrollen das Einschalten der Bodycams verlangen können. Auch bei Zwangsmaßnahmen sollen die Beamten die Geräte einsetzen. Beide Regelungen wurden nun für Aufnahmen in Wohnungen übernommen. Die Polizisten hätten damit aber, so erklärt Kamp, „keine rechtssicheren Anhaltspunkte für eine Entscheidung“, ob sie auch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aller in einer Wohnung lebenden Personen verletzen dürfen. Zudem fehlten „Regelungen zur manipulationssicheren Kennzeichnung von Aufnahmen aus Wohnungen und zur verschlüsselten Übertragung und Speicherung der Aufzeichnungen“.

Polizisten und Bürger werden sich auf die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes nicht mehr verlassen können.

Meike Kamp, Datenschutzbeauftragte für Berlin

Niklas Schrader, Innenexperte der Linksfraktion, sieht sich in seiner Kritik an den Bodycam-Plänen von Schwarz-Rot bestätigt. „Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass der Gesetzentwurf der Koalition zu deutlich schärferen Grundrechtseingriffen führen wird“, sagte Schrader. „Die Datenschutzbeauftragte zeigt auf, dass CDU und SPD sich mit vielen verfassungsrechtlichen Problemen nicht mal ernsthaft auseinandergesetzt haben.“ Wenn der Koalition der Schutz von Grundrechten noch irgendetwas wert sei, müsse sie diese gravierenden Mängel beheben. „Sonst bleibt ihr Gesetz verfassungswidrig.“

Ebenso kritisiert die Datenschutzbeauftragte, dass das sogenannte Pre-Recording verlängert werden soll. Bislang werden mit dem Einschalten auch die 30 Sekunden davor gespeichert. Das soll nun auf eine Minute verlängert werden. Begründet wird das im Gesetz mit der Sicherung von Beweisen. Auch das hält Kamp für problematisch: Damit würde ohne Richterbeschluss bereits die mögliche Strafverfolgung bezweckt, was nicht gerechtfertigt sei, beklagt Kamp. Die ständige Zwischenspeicherung vor Beginn der Aufnahme ohne konkreten Anlass verstoße auch gegen europäisches und Berliner Datenschutzrecht.

Zudem entstehe durch die ständige 60 Sekunden lange Zwischenspeicherung ein Überwachungsdruck. Polizisten und Bürger „werden sich auf die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes nicht mehr verlassen können“, kritisiert Kamp. Denn jederzeit sei es möglich, „dass die bereits vergangene Minute auf Knopfdruck doch noch dauerhaft gespeichert wird“.

Skeptisch ist Kamp auch wegen des geplanten Einsatzes von Body- und Dashcams bei Feuerwehr und Rettungsdienst. Schwarz-Rot reagierte damit auf die steigende Zahl von gewaltsamen Angriffen auf Retter. Dass sie auch in Wohnungen die Bodycams nutzen sollen dürfen, betrachtet die Datenschutzbeauftragte als abwegig.

Es sei zu bedenken, dass die Retter „gerade bei Wohnungseinsätzen oftmals Menschen in einer hilflosen oder in einer prekären gesundheitlichen Verfassung antreffen und so besonders schutzwürdige Informationen und Gesundheitsdaten erheben“. Weil zudem regelmäßig der sogenannte „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ betroffen sein dürfte, seien Bodycam-Aufnahmen selbst nach dem Gesetzentwurf der Koalition ohnehin nicht erlaubt.

Obendrein sei es mit den gesetzlichen Aufgaben der Feuerwehr nicht vereinbar, dass die Aufnahmen von Einsätzen für die Strafverfolgung genutzt werden dürfen. Stattdessen wolle Schwarz-Rot den Rettern „polizeiliche Beweissicherungsbefugnisse“ zugestehen. Dass auch die Ordnungsämter Body- und Dashcams in der Öffentlichkeit nutzen dürfen, sei unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich bedenklich, erklärt die Datenschutzbeauftragte. Im Gesetz fehlten dazu jegliche Begründung und „empirische Grundlagen“, die den Einsatz der Technik für die Ordnungsämter rechtfertigen würden.

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