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Der Berliner Rechnungshof kritisiert den Senat.

© dpa/Monika Skolimowska

Klimafonds rechtswidrig: Berliner Rechnungshof kritisiert Finanzpolitik des schwarz-roten Senats scharf

In seinem Jahresbericht rügt der Rechnungshof vor allem den geplanten Klimafonds. Aber auch im Doppelhaushalt sieht er ein Problem – und in der Hauptstadtzulage.

Für den Rechnungshof ist die Finanzpolitik des schwarz-roten Senats eine Wette auf ungedeckte Schecks und zudem in Teilen gar nicht zulässig. Das geht aus dem Jahresbericht der Prüfer hervor, den Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen am Donnerstag dem Abgeordnetenhaus übergeben hat.

Klingen kritisierte den von Schwarz-Rot geplanten Klimafonds, der mit Krediten in Höhe von fünf Milliarden Euro finanziert werden soll. Voraussetzung für eine Ausnahme von der Schuldenbremse sei die Feststellung einer aktuellen Notsituation. Die im Gesetzentwurf des Senats enthaltenen allgemeinen Begründungen für das Sondervermögen seien nicht ausreichend. Es bestehe die Gefahr, dass mit der pauschalen Feststellung von Notsituationen die Schuldenbremse ausgehebelt wird. Damit ließen sich Schulden kaum noch effektiv begrenzen.

Sondervermögen erfüllt Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds des Bundes, der dort zu einer Haushaltssperre geführt hat, habe die Position des Rechnungshofs bestätigt, hieß es. Demnach müsse eine Notsituation jeweils für das jeweilige Haushaltsjahr konkret begründet sein. Zudem müsse ein sogenannter Verursachungszusammenhang zwischen der Notlage und den im jeweiligen Haushaltsjahr geplanten Maßnahmen dargelegt werden.

Außerdem müssten die Kreditmittel auch im jeweiligen Haushaltsjahr für die Bekämpfung der Notlage ausgegeben werden. Das geplante Sondervermögen, das für mehrere Haushaltsjahre ausgelegt sei, erfülle diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht, sagte Klingen. Durch das Sondervermögen würde „die Regelgrenze der Schuldenbremse faktisch mehrjährig ausgesetzt“.

Die Haushaltspläne der Koalition seien auch sonst „nicht zukunftsgerichtet“. Denn im Doppelhaushalt werde mehr ausgegeben als eingenommen – ein strukturelles Defizit also. Die Minderausgaben belaufen sich auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. „Diese erhebliche Summe muss also im Laufe des Jahres im Haushalt noch erwirtschaftet werden, ohne dass derzeit feststeht, wo Einsparungen erfolgen können“, erklärte der Rechnungshof.

Damit dürften die entsprechenden finanziellen Reserven des Landes in naher Zukunft erschöpft sein.

Rechnungshof

Allein anhand der Finanzplanung sei zu erwarten, dass die Ausgaben auch dauerhaft die Einnahmen übersteigen. Für die Jahre 2026 und 2027 sei jeweils mit einer Finanzierungslücke von drei Milliarden zu rechnen. Zudem würden alle Rücklagen aufgebraucht. „Damit dürften die entsprechenden finanziellen Reserven des Landes in naher Zukunft erschöpft sein“, heißt es vom Rechnungshof.

Durch steigende Schulden und wachsende Zinslasten verringere sich auch der Spielraum im Haushalt. Wegen der Risiken bei der Konjunktur und des Kostenanstiegs im Bau- und Energiesektor müssten zeitnah Schulden abgebaut werden.

Hauptstadtzulage lockt keine neuen Mitarbeiter an

Ferner kritisiert der Rechnungshof die Hauptstadtzulage. Rund 90 Prozent der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes erhalten monatlich 150 Euro. Dem Land Berlin kostet das pro Jahr 250 Millionen Euro. Die Idee der Politik war es, damit leichter Personal zu gewinnen. Doch das passiert gar nicht, wie der Rechnungshof herausfand. Das gesetzte Ziel sei mit der Zulage nicht erreicht worden. Die Zahl der unbesetzten Stellen habe sich auch nach der Einführung der Hauptstadtzulage kaum verändert, sie sei sogar gestiegen.

Wichtiger als die Zulage wäre es, die Besoldung in Berlin verfassungsrechtlichen Maßstäben anzupassen. Weil die fehlen, drohen dem Land massive Nachzahlungen. Die Besoldung der Beamten ist Gegenstand von Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

2022 waren im Landesdienst – bei den Hauptverwaltungen und in den Bezirken – 130.418 Mitarbeiter beschäftigt, das entspricht 121.269 Vollzeitstellen. Seit 2020 ist die Zahl der unbesetzten Stellen gestiegen – in der Hauptverwaltung von 2,9 auf 4,1 Prozent und in den Bezirken von 10,5 auf 10,9 Prozent. Gerade den Bezirken sei es „in hohem Maße“ nicht gelungen, freie Stellen zu besetzen. Dieser Trend zeichne sich nun auch in den Hauptverwaltungen ab.

Auch beim Sanierungsstau kommt die Politik nicht mehr hinterher. Die Kosten für die nötige Sanierung von Landesimmobilien für Polizeit, Justiz, Feuerwehr, Kultur und Bildung stiegen von 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf nun 4,7 Milliarden Euro. Hinzu kommen 2,8 Milliarden Euro für die energetische Sanierung. Allein bei der Polizei sind es 1,6 Millionen Euro, werden die Anforderung der energetischen Sanierung einberechnet, sind es sogar 2,1 Milliarden Euro. Insgesamt sind aber nur 829 Millionen Euro ausgegeben worden. Laut Rechnungshof reicht das nicht, um „dem Negativtrend entgegenzuwirken“. Hinzu kommen die Bezirke, doch die haben laut Jahresbericht nicht mal einen flächendeckenden Überblick über den Sanierungsstau in ihren Liegenschaften.

Ähnlich marode sind mehr als 800 Brücken, für die Berlin verantwortlich ist. Laut Rechnungshof wurde zu wenig von dem für die Instandhaltung vorgesehenen Geld eingesetzt. Der Sanierungsstau sei weiter gestiegen, auch sind mehr Brücken sanierungsbedürftig, die Kosten steigen. Bei den elf staatlichen Berliner Hochschulen wuchs der Sanierungsbedarf seit 2018 um 1,9 auf 5,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen Bäder und das U-Bahn-Netz. Insgesamt bräuchte Berlin 15,8 Milliarden Euro, um den Sanierungsstau aufzulösen. „Insgesamt dürfte der Sanierungsbedarf des Landes deutlich höher sein“, heißt es im Bericht.

Weitere Kritikpunkte im Jahresbericht

  • Das Land Berlin und die landeseigenen Unternehmen vergeben pro Jahr Aufträge in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro. Im Jahr 2018 beschloss der Senat, die Vergabeorganisation neu aufzustellen und deren Effizienz und Effektivität zu erhöhen. Jede Senats- und Bezirksverwaltung sollte eine zentrale Vergabestelle schaffen. Doch bis heute ist das nicht überall geschehen. Es fehlten klare Vorgaben zu Personal und Ausstattung, jede Verwaltung entschied selbst, es gibt kein einheitliches Vorgehen.
  • Nach Ansicht des Rechnungshofs kann auch die 2016 geschaffene Anstalt zur Wohnraumversorgung Berlin (WVB) aufgelöst werden. Sie soll politische Leitlinien für die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen entwickeln, damit diese effizienter arbeiten können. Das habe die Anstalt nicht erfüllt. Stattdessen habe die WVB mit wachsendem Personalbestand Dinge gemacht, die gar nicht vom Gesetzesauftrag gedeckt seien.
  • Der Staat ist zuständig für die Schuldner- und Insolvenzberatung. Die Sozialverwaltung geht von 200.000 überschuldeten Haushalten aus. Doch sie hat laut Rechnungshof keine „gleichwertige Grundversorgung“ in Berlin geschaffen. Die Schuldner- und Insolvenzberatung werde nicht gesamtstädtisch gesteuert und geplant. Mit der vorhandenen Kapazitäten könnten lediglich bis zu sieben Prozent der überschuldeten Haushalte oder drei Prozent der überschuldeten Personen mit Schuldner- und Insolvenzberatung versorgt werden. Es gebe Wartezeiten von bis zu einem Jahr für ein Beratungsgespräch.

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