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Ron Prosor, Botschafter Israels in Deutschland.

© dpa/Fabian Sommer

Update

„Lektion aus Documenta nicht begriffen“: Israels Botschafter kritisiert Applaus für antisemitische Äußerungen bei Berlinale-Preisverleihung

Nach israelkritischen Äußerungen bei der Berlinale-Gala kritisiert Ron Prosor die Kulturszene. Senatschef Wegner applaudierte nach einer Rede, in der Israel „Apartheid“ vorgeworfen wird.

| Update:

Nach den einseitigen israelkritischen Äußerungen von Filmschaffenden bei der Preisverleihung der Berlinale hat Israels Botschafter der „deutschen Kulturszene“ heftige Vorwürfe gemacht. „Antisemitische und israelfeindliche Äußerungen“ seien mit tosendem Applaus bedacht worden, schrieb Ron Prosor am späten Sonntagabend im Portal X (früher Twitter).

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„Es scheint, dass die Lektion aus der Documenta nicht begriffen wurde. Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert.“ Die deutsche Kulturszene rolle den roten Teppich „ausschließlich für Künstler“ aus, die sich für „Israels Delegitimierung“ einsetzen.

Prosor forderte: „Ihr Schweigen, sogenannte ‚Kultur-Elite‘, ist ohrenbetäubend! Es ist an der Zeit, Ihre Stimme zu erheben und dieser grotesken Scharade eine Absage zu erteilen. Handeln Sie jetzt, oder seien Sie für immer Teil dieses beschämenden Erbes.“

Bei der Preisverleihung hatten mehrere Preisträger sich am Samstagabend in einer Weise zum Gaza-Krieg geäußert, die für Kritik sorgte. Einige Beteiligte erhoben auf der Bühne einseitig Vorwürfe gegen Israel, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom Oktober 2023 zu erwähnen oder die Freilassung der israelischen Geiseln zu fordern.

Wegner verurteilt Äußerungen als „untragbare Relativierung“

Die Berlinale distanzierte sich von den Äußerungen, die die Haltung des Festivals nicht wiedergeben würden – wies aber auch darauf hin, dass Meinungsäußerungen bei Kulturveranstaltungen nicht grundsätzlich verhindert werden könnten und sollten. Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek hatte anders als die Filmschaffenden bei der Gala auch die Lage der israelischen Geiseln angesprochen. 

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verurteilte Äußerungen bei der Berlinale-Preisverleihung zum Krieg in Gaza als „untragbare Relativierung“. „In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz, und das gilt auch für die Kunstszene“, schrieb Wegner am Sonntag bei X.

„In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz“, schrieb Senatschef Kai Wegner am Sonntag auf X.
„In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz“, schrieb Senatschef Kai Wegner am Sonntag auf X.

© dpa/Sebastian Gollnow

Von der neuen Festivalleitung forderte er Konsequenzen. „Berlin hat eine klare Haltung, wenn es um die Verteidigung der Freiheit geht. Das bedeutet auch, dass Berlin fest auf der Seite Israels steht“, sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. Daran gebe es keinen Zweifel. Welche Konsequenzen genau, sagte Wegner auf Nachfrage nicht: „Wenn die Maßnahmen, die die Berlinale-Leitung vorschlägt, vorliegen, werden diese zu bewerten sein.“

„Die volle Verantwortung für das tiefe Leid in Israel und dem Gazastreifen liegt bei der Hamas. Sie hat es in der Hand, dieses Leid zu beenden, indem sie alle Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt“, sagte er weiter. Es gebe hier „keinen Raum“ für Relativierungen. „Ich erwarte hier Maßnahmen der neuen Berlinale-Festivalleitung“, stellte Wegner klar, der am Samstagabend bei der Preisverleihung auch anwesend war.

Wegner applaudiert nach Rede von Filmemacher Yuval Abraham

Allerdings äußerte auch Wegner selbst Zustimmung zu einem Teil der Äußerungen an dem Abend. Der Regierende applaudierte nach einer Rede des israelischen Filmemachers Yuval Abraham. Dieser sagte unter anderem: „Diese Situation der Apartheid und die Ungleichheit müssen beendet werden.“ Am Schluss sagte Abraham: „Wir müssen zu einem Waffenstillstand, zu einer politischen Lösung und zu einem Ende der Besatzung aufrufen.“ Daraufhin applaudierten sowohl Wegner als auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne). Als der Regisseur Ben Russell von einem „Genozid“ an den Palästinensern durch Israel sprach, applaudierten Wegner und Roth nicht.

Fragen zu seinem Applaus beantwortete Wegner am Montag auf Tagesspiegel-Nachfrage nicht. Auch die Frage, ob finanzielle Konsequenzen für das Festival denkbar seien, sollten keine Maßnahmen getroffen werden, ließ der Regierende unbeantwortet. Die Berlinale erhält vom Land Berlin in diesem und im kommenden Jahr zwei Millionen Euro. Dazu kommt eine fünfstellige Summe für protokollarische Veranstaltungen. Der Bund hat im Jahr 2024 eine institutionelle Förderung in Höhe von 12,6 Millionen Euro eingeplant. 

Die RBB-„Abendschau“ zitierte die scheidende Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek am Sonntagabend mit den Worten: „Die Äußerungen von Gästen bzw. Preisträger*innen respektieren wir, diese sind unabhängige individuelle Meinungen. Sie spiegeln daher nicht die Haltung des Festivals.“

Teils heftige Kritik am Vorgehen Israels

Bei der Berlinale-Gala war mehrfach der Krieg in Gaza Thema gewesen. Auf der Bühne wurde Israel teils heftig für sein Vorgehen in den palästinensischen Gebieten kritisiert. Der Filmemacher Ben Russell sprach von einem „Genozid“. Das Massaker der Hamas wurde von keinem Preisträger oder Juror an diesem Abend erwähnt.

Zudem trugen mehrere Menschen auf der Bühne einen Zettel mit der Aufschrift „Ceasefire Now“ (etwa: „Feuerpause jetzt“). Der palästinensische Filmemacher Basel Adra forderte Deutschland auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Adra hatte mit drei anderen Filmemachern die Dokumentation „No Other Land“ gedreht und dafür den Dokumentarfilmpreis gewonnen. Der Film dreht sich um die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland.

Festivalleiterin Rissenbeek hingegen appellierte an die Hamas, die Geiseln freizulassen, und an Israels Regierung, das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza zu lindern und einen baldigen Frieden zu ermöglichen.

Israelfeindliche Posts: Berlinale-Kanal nach eigenen Angaben „gehackt“

Auf dem Instagram-Kanal der Berlinale-Sektion „Panorama“ tauchten am Sonntagnachmittag zudem Posts und Story-Beiträge mit israelfeindlichen Inhalten auf. „Free Palestine From the River to the Sea“, hieß es etwa in einem Eintrag unter dem Bären-Logo des Filmfestivals – eine Parole, die das Existenzrecht Israels verneint. Dazu der Hashtag „#ceasefirenow“ – „Waffenstillstand jetzt“.

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In einer Insta-Story wurde die Parole „Genocide is genocide. We are all complicit.“ ausgegeben – zu Deutsch: „Völkermord ist Völkermord. Wir sind alle mitschuldig.“ Dabei wurde Israel eine „ethnische Säuberung Palästinas“ vorgeworfen und im Namen der „Panorama“-Sektion zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Dieser Schritt sei „nach langen internen Diskussionen“ erfolgt. Und: „Wir drängen andere kulturelle Einrichtungen dazu, das Gleiche zu tun.“

Unter dem Titel „Berlinale Spotlight“ war ein Bild eines Kriegsopfers zu sehen. Dabei stand „Gaza, mon amour“ und darunter auf Englisch: „Beendet den von Deutschland finanzierten Staatsterror“.

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Die Posts wurden nach kurzer Zeit wieder entfernt. Am späten Sonntagabend teilte die Berlinale in einem Statement mit, Opfer eines Hacker-Angriffs geworden zu sein. „Der Instagram-Kanal des Panoramas wurde heute gehackt und es wurden Statements zum Nahost-Krieg gepostet, die nicht vom Festival stammen und nicht die Haltung der Berlinale repräsentieren“, teilte das Filmfestival der Deutschen Presse-Agentur mit.

Die Posts seien sofort gelöscht worden, zudem werde untersucht, wie es zu dem Vorfall habe kommen können. „Und wir haben Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Wir verurteilen diesen kriminellen Akt aufs Schärfste“, so die Festivalleitung.

Bereits am frühen Abend hatte die Berlinale ein Statement zu dem Vorfall veröffentlicht. Die Beiträge würden „nicht vom Festival stammen“ und „nicht die Haltung der Berlinale repräsentieren“, hieß es darin. Von einem Hacker-Angriff war noch nicht die Rede.

Kultursenator spricht von „selbstgerechter antiisraelischer Propaganda“

Kultursenator Joe Chialo sprach am Sonntag bei X von „selbstgerechter antiisraelischer Propaganda“ auf der Berlinale-Gala, die nicht auf die Bühnen Berlins gehöre. „Es ist zu hoffen, dass die Festivalleitung die Vorfälle konsequent aufarbeitet“, schrieb Chialo weiter.

„Erschreckende Statements, verstörender Applaus“, schrieb Generalsekretärin Ottilie Klein auf X. Israelhass und Antisemitismus dürften keine Bühne geboten werden. „Und mit deutschen Steuergeldern schon gar nicht“, fügte sie an.

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Sie kündigte zudem an, dass die zunächst zurückgenommene Antisemitismusklausel für Kulturförderung in veränderter Form kommen werde. Die Klausel werde derzeit überarbeitet, „weil wir davon überzeugt sind, dass sie richtig ist“, schrieb Klein. „Sie wird kommen.“

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner zeigte sich ebenfalls bestürzt über die Äußerungen: „Diese Relativierung, hier noch schlimmer, dieser Israelhass, diese bewusste oder unbewusste, weil saturierte, unwissende antisemitische Haltung werde ich nie tolerieren“, schrieb er ebenfalls auf „X“.

Kulturexpertin der Berliner Grünen erinnert an Festivaleröffnung

Anders äußerte sich die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Die diesjährige Berlinale sei wie kaum eine vorher durch globale politische Ereignisse und Krisen geprägt gewesen, sagte Gollaleh Ahmadi. „Bei der Eröffnungszeremonie des Festivals standen Forderungen nach der Freilassung der Geiseln im Mittelpunkt“, sagte sie. Ebenso hätten Preisträger und Jurymitglieder ihre Plattform genutzt, um auf die Tragödie ziviler Opfer in Gaza und Rafah aufmerksam zu machen.

Dankbar sei sie insbesondere der Geschäftsführerin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, dass sie „ganz klare Worte“ gefunden habe, um das Recht Israels auf Selbstverteidigung zu betonen und zugleich auf die humanitäre Katastrophe in Gaza und Rafah aufmerksam zu machen.

„Die Berlinale 2024 setzt eine prägende Botschaft: Die Achtung des Völkerrechts muss als grundlegende Voraussetzung für jegliche Kriegsführung anerkannt werden“, sagte Ahmadi. (mit dpa)

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