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Pausenzeichen. Vielerorts – wie hier im Rathaus Schöneberg – ist die Technik in den Sitzungssälen nicht unbedingt auf dem neuesten Stand. Foto: Engelhardt/Imago

© imago stock&people

Lokalpolitik während Coronakrise: Bezirksverordnete sollen wieder tagen – aber wie?

Zuletzt ruhte die Arbeit der Bezirksverordneten. Nun sollen einige Ausschüsse wieder stattfinden. Doch nicht überall ist klar, wie das aussehen soll.

Das Abgeordnetenhaus hat seit Beginn der Coronakrise schon zweimal getagt – wenn auch zuletzt mit weniger Parlamentariern und großem Abstand zwischen ihnen im Plenarsaal. Für die Bezirksverordneten der zwölf Bezirke ruhte bisher größtenteils die Arbeit in Ausschüssen und der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Mit dem Ende der Schulferien stehen ab dem heutigen Montag wieder etliche Ausschusssitzungen und BVVen auf dem Sitzungskalender der Bezirke. Schon jetzt ist klar, dass einige wie Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf den BVV-Betrieb in diesem Monat nicht aufnehmen werden.

In Charlottenburg-Wilmersdorf hingegen wird am kommenden Donnerstag eine BVV-Sitzung mit verringerter Teilnehmerzahl stattfinden. Bei anderen Bezirken steht noch nicht fest, ob und in welcher Form – physisch oder digital – die Bezirksverordneten wieder zusammenkommen werden.

In Tempelhof-Schöneberg beispielsweise ist bisher nicht entschieden, wie mit Ausschüssen und dem Plenum verfahren wird. Der Bezirksverordnetenvorsteher Stefan Böltes (SPD) würde am liebsten eine BVV mit weniger Teilnehmern im Rathaus abhalten; als zweite Möglichkeit zog er zunächst eine Videokonferenz in Betracht.

Videokonferenz laut Rechtsamt unzulässig

Jetzt habe aber das Rechtsamt des Bezirks mitgeteilt, dass es Ausschüsse und die BVV per Videokonferenz für unzulässig hält. Der bezirkliche Ältestenrat wird am heutigen Montag das weitere Vorgehen beraten.

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschefin Marijke Höppner sollte die für den 29. April geplante BVV auf keinen Fall ausfallen, sondern mit 28 statt der eigentlichen 55 Teilnehmern im Rathaus stattfinden. „Wir würden sonst ein ganz schlechtes Signal senden“, sagt Höppner. Wenn allmählich in andere Bereiche wieder Bewegung komme, dürften die Bezirksverordneten sich nicht einfach zurückhalten.

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Anders als das Rechtsamt Tempelhof-Schöneberg kommt die Bezirksaufsicht in der Senatsinnenverwaltung zur Auffassung, dass beispielsweise eine Videokonferenz aufgrund der „gegenwärtigen Ausnahmesituation“ nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Digitale Lösung dringend gebraucht

„Auch in anderen Rechtsgebieten gibt es vergleichbare Vorschriften, bezüglich derer sich Meinungen herausgebildet haben, dass ,anwesend‘ nicht notwendigerweise eine physische Anwesenheit bezeichnen muss“, heißt es in einer Stellungnahme. Also auch „eine per Videokonferenz zugeschaltete Person virtuell ,anwesend‘ sein kann.“ Auf jeden Fall müsse dabei aber gewährleistet sein, dass die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werde.

Auf diese Stellungnahme gründet sich ein Vorschlag der FDP Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg, die BVV digital als Videokonferenz zu organisieren. Laut einem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, sollen Verordnete im Umgang mit der Technik geschult, eine Plattform ausgewählt und eine Probesitzung abgehalten werden. Ziel sei ein parteiübergreifender Antrag, sagt der FDP-Verordnete Michael Heihsel. Auch die FDP in Tempelhof-Schöneberg beantragt beim Bezirksverordnetenvorsteher, eine Software für Videokonferenzen zu beschaffen.

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Die Grundauffassung, dass digitale Lösungen für die BVVen gerade dringend gebraucht würden, teilt auch der Friedrichshain-Kreuzberger SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck. Doch der FDP-Vorstoß sei momentan nicht rechtsverbindlich. „Bei einer Online-BVV stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Entscheidungen vor Gericht Bestand hätten“, sagt die Bezirksverordnetenvorsteherin Kristine Jaath (Grüne).

Sitzungen in Sporthallen?

Die Bezirksausschüsse könnten per Videokonferenz tagen. Das sei unproblematisch, denn dort entstehen nur Beschlussempfehlungen.

Die Grünen-Fraktionssprecher Annika Gerold und Julian Schwarze begrüßen die Möglichkeit der digitalen Ausschüsse. Wichtig sei dabei der barrierefreie Zugang für die Verordneten, beispielsweise durch „die Möglichkeit der Einwahl über Festnetztelefone“. Was die BVV betrifft, bevorzuge die Fraktion eine physische Sitzung mit weniger Verordneten.

Die Fraktionen müssten dann auf freiwilliger Basis entscheiden, wer teilnimmt. Risikogruppen würde nahegelegt, zu Hause zu bleiben. „Man kann aber niemanden abhalten, sein Mandat auszuüben“, sagt Forck. Die SPD schlage deswegen vor, Sporthallen im Bezirk zu prüfen, um dort mit ausreichend Abstand eine BVV mit allen Verordneten abzuhalten.

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Die nächste Sitzung in Friedrichshain-Kreuzberg ist bisher noch für den 29. April anberaumt, am heutigen Montag wollen BVV-Büro und die Fraktionen über die Form beraten. Bisher werde auch noch auf eine verbindliche Rechtsverordnung des Senats gewartet, teilt die Bezirksverordnetenvorsteherin mit.

Ausschüsse per Telefonkonferenz

Die Senatsverwaltung verweist jedoch darauf, dass die BVVen „nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung“ arbeiteten. Es gehöre deswegen nicht zu den Aufgaben der Senatsverwaltung, ihnen „verbindliche Vorgaben für ihre Arbeit (während der Coronakrise) zu machen“. Der SPD-Vorsitzende Forck aus Friedrichshain-Kreuzberg berichtet dagegen, dass die Senatsinnenverwaltung für eine etwaige Verordnung Anforderungen aus der BVV-Praxis abfrage.

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Marzahn-Hellersdorfs Bezirksverordnetenvorsteherin Kathrin Henkel (CDU) hat bereits bei der Innenverwaltung nachgefragt, „wie wir in dieser Lage rechtssicher Beschlüsse fassen können“. Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) rechnet mit einem Antragsstau, wenn die Bezirksverordneten wieder tagen können.

In Neukölln war eine BVV für den 29. April geplant. Dort hat sich der Ältestenrat jetzt darauf geeinigt, diese Sitzung auf den 7. Mai zu verschieben. Ausschüsse finden hier per Telefonkonferenz statt, Telefonnummer und Meeting-ID werden im Online-Sitzungskalender veröffentlicht. So können bei den öffentlichen Sitzungen auch andere Interessierte zuhören.

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