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Bei pro-palästinensischen Demos in der Neuköllner Sonnenallee kam es wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen.

© dpa/Paul Zinken

Nach Ausschreitungen bei Pro-Palästina-Demo: 25-Jähriger erhält acht Monate auf Bewährung

Antisemitische Parolen, Steinwürfe auf Polizisten: Nachdem eine propalästinensische Demo in Neukölln vor einem Monat eskaliert war, folgte nun das erste Urteil.

Er kämpfe für den Frieden und „schieße keine Raketen“, sagte der Angeklagte. Warum er bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Neukölln einen Kleinpflasterstein in den Rücken eines Polizisten warf, sagte er nicht. Einen Monat nach den Ausschreitungen bei einer verbotenen Demonstration stand Lorenzo C., ein 25-jähriger Italiener, am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten. Der erste Prozess nach den Krawallen am 18. Oktober endete mit einer Strafe von acht Monaten Haft auf Bewährung.

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Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage schnell erhoben und eine Entscheidung in einem sogenannten beschleunigten Verfahren beantragt. Es ging um schweren Landfriedensbruch, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Lorenzo C. habe mit erheblich krimineller Energie agiert, so der Richter.

C., der nicht vorbestraft ist, befand sich bis zum Prozess in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen ließ der 25-Jährige seinen Anwalt kurz erklären, dass er den ersten Punkt der Anklage – einen Steinwurf – einräumen müsse. Zum mutmaßlichen Widerstand äußerte er sich nicht.

Tattoo-Künstler aus Turin

Der Italiener mit Rasta-Pferdeschwanz lebt seit einigen Monaten in Berlin. Mit seiner Lebensgefährtin sei er von Turin in die Hauptstadt gezogen, so der Angeklagte. Er sei Tattoo-Künstler und wolle sich selbständig machen. „Bis ich mich auf Markt etabliert habe, werde ich in der Gastronomie arbeiten.“ Er leide unter dem, was im Nahostkonflikt geschehe. Bei der Demo habe man diese Zustände anklagen wollen. „Ich kämpfe für den Frieden und gegen den Krieg in jeder Form.“

Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober gibt es in Berlin immer wieder Kundgebungen und Demonstrationen, insbesondere von der pro-palästinensischen Community. Immer wieder kommt es dabei auch zu Gewalttätigkeiten.

„Ich sah, wie er einen Pflasterstein aufhob und dann warf“

Es habe einen Aufruf zu einer verbotenen Versammlung am 18. Oktober im Bereich der Sonnenallee gegeben, sagte ein 35-jähriger Polizist im Prozess. „Mehrere Hundert Menschen hatten sich versammelt.“ Gegenstände seien geworfen und Böller gezündet worden – „es war sehr chaotisch, Personen rannten auf Uniformierte zu, warfen etwas und rannten gleich wieder weg“. Eine verdächtige Person mit rotem Halstuch und langen Haaren hätten sie ausgemacht.

Gegen 19.45 Uhr befand sich der Mann mit rotem Tuch in einer Gruppe von 40 bis 50 zumeist schwarz gekleideten Personen, schilderte ein 36-jähriger Polizist als Zeuge. Zwischen Donau- und Pannierstraße hätten sich die Demonstranten bewegt. Die Stimmung sei aggressiv und gewaltbereit gewesen, so der Zeuge, der als Beamter in Zivil eingesetzt war. Er und ein Kollege hatten für die Festnahme des Angeklagten gesorgt: „Ich sah, wie sich bückte und einen Kleinpflasterstein aufhob, dann warf.“

Der Verdächtige hatte ein „markantes rotes Tuch über Mund und Nase gezogen“, so der Zeuge. Er und ein Kollege hätten ihn lückenlos im Blick behalten. „Mit dem rechten Arm holte er aus und warf den Stein in den Rücken eines uniformierten Beamten.“ Der Mann sei nicht verletzt worden.

Der Werfer habe danach kehrt gemacht, so der Polizist weiter. „Ich hinterher.“ Der Mann sei dann zu einer Gruppe von vier bis fünf Personen gelaufen – „man hat sich feiern lassen, abgeklatscht, eine Frau küsste ihn“. Bei seiner Festnahme kurz danach soll C. sich gewehrt, in Richtung von Polizisten getreten und sich versteift haben.

Bislang 27 Verfahren anhängig

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Strafe von zehn Monaten Haft auf Bewährung sowie eine Geldauflage von 1000 Euro gefordert. Eine Strafe auch aus generalpräventiven Aspekten sei erforderlich. Im Urteil wurden solche Aspekte nicht erwähnt. Der Verteidiger stellte keinen konkreten Antrag.

Mit dem Urteil kam C. frei. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft sind nach Angaben einer Sprecherin bislang 27 Verfahren im Zusammenhang mit dem verschärften Nahostkonflikt anhängig. Die anderen Verfahren seien noch bei der Polizei, wo sie der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz bearbeitet. Dort seien nach dessen Angaben bislang 1254 Fälle (Stand: 13. November) registriert. Darunter seien 350 Gewalttaten, wozu auch Widerstandstaten gegen Polizisten bei Demonstrationen zählen, sowie 408 Sachbeschädigungen, etwa gemalte oder gesprühte Parolen.

Bei der Verfolgung der Straftaten will die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben verstärkt die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens prüfen. Die Strukturen dafür hatte die Behörde vor allem im Zusammenhang mit den Aktionen von Klimademonstranten geschaffen. (dpa)

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