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Die Vorsitzende der Kommission zur Überprüfung der Abgeordneten auf ihre Stasi Mitarbeit, Ulrike Poppe, übergibt im Landtag in Potsdam den Bericht an Landtagspräsidenten Gunter Fritsch.

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Nach Stasi-Überprüfung: SPD drängt linke Abgeordnete zu Mandatsverzicht

Rot-roter Streit in Brandenburg um Stasi-Prüfbericht: Die SPD drängt Gerlinde Stobrawa von der Linkspartei zum Mandatsverzicht. Die Prüfkommission belastet sechs linke Abgeordnete.

In Brandenburg spitzt sich der Streit über Konsequenzen aus der ersten Stasi-Überprüfung des Landtages seit 1991 zu. Nach Tagesspiegel-Informationen drängt in der rot-roten Koalition die von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführte SPD intensiv darauf, dass zumindest die frühere Vize-Parlamentspräsidentin Gerlinde Stobrawa (Linke) wegen ihrer Verstrickungen ihr Landtagsmandat niederlegt.

Die 62-jährige, die auch Bürgermeisterin von Bad Saarow ist, wird in dem am Freitag offiziell als Drucksache des Landtages veröffentlichten Abschlussbericht der Überprüfungskommission besonders belastet. Laut Bericht, über den der Landtag am 25.Januar diskutieren will, haben fünf der 88 Abgeordneten mit dem DDR-Geheimdienst kooperiert. Ein sechster hat dort seinen Wehrdienst geleistet. Alle sind Linke.

Nach der CDU forderten am Freitag Grüne und FDP offen Konsequenzen von Stobrawa, die diese wie auch die Fraktion noch ablehnen. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Linda Teuteberg, legte zudem dem Linke-Abgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg den Mandatsverzicht nahe. Ihm wird bescheinigt, seine Stasi-Tätigkeit in den Neunzigerjahren erst zugegeben zu haben, nachdem klar war, dass diese durch die Überprüfung im Stadtparlament öffentlich würde. Teuteberg bezeichnete es als „Schande für die politische Kultur Brandenburgs“, dass „ausgerechnet im Landtag einstige Stasi-Zuträger in solch hoher Zahl vertreten sind.“

Die Drucksache enthält persönliche Erklärungen der sechs Linke-Abgeordneten. Die Stellungnahmen hatten die Veröffentlichung zum Ärger der Diktaturbeauftragten Ulrike Poppe und der Opposition um einige Tage verzögert. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, Scharfenberg, der Frankfurter Abgeordnete Axel Henschke sowie der inzwischen fraktionslose Linke-Politiker Gerd- Rüdiger Hoffmann distanzieren sich darin von ihrer früheren Spitzeltätigkeit. Michael Luthardt, der seinen Wehrdienst bei der Stasi leistete, eine IM-Tätigkeit aber abgelehnt hatte, dankt der Kommission für den fairen Umgang. Stobrawa weist in ihrer Erklärung die Befunde zurück – und greift die Kommission scharf an.

„Denunziatorischer Inhalt“: Gerlinde Stobrawa (Linkspartei) gerät wegen ihrer Stasi-Belastung nach dem Bericht der Prüfkommission unter Druck auch aus der eigenen Regierungskoalition.

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Laut Bericht hat die vierköpfige, von Poppe geleitete Kommission keine Zweifel, dass Stobrawa als damalige Abteilungsleiterin im Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder) „mindestens 1988/1989“ inoffizielle Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit war. Sie habe selbst den Decknamen „Marisa“ gewählt, in Vier-Augen-Gesprächen mit dem Führungsoffizier Informationen über ihren Vize gegeben, die „über den dienstlichen Rahmen hinausgingen“ und „denunziatorischen Inhalt“ hatten. Stobrawa bestreitet – wie seit der Überprüfung 1991, damals war sie als Grenzfall eingestuft worden – eine Spitzeltätigkeit.

In ihrem Fall hat die Kommission besonders aufwendig recherchiert, Zeugen befragt, in Archiven geforscht. Das Ergebnis: „Eine dienstliche Kooperation, wie von Stobrawa behauptet, ist nicht belegt. Gegen diese Version sprechen die Zeugenaussage ihres Stellvertreters, Akten und Sachverständige.“ Sie sei „nicht glaubhaft“. Stobrawa und die Linke werfen der Kommission hingegen vor, Entlastungszeugen nicht gehört zu haben.

Bei den anderen Linken sind die Fakten des Berichts weitgehend bekannt. Vize–Fraktionschef Stefan Ludwig erklärte, alle Fraktionsmitglieder seien „stets offen und selbstkritisch“ mit ihrer Vita umgegangen, und in den Wahlkreisen direkt gewählt worden. Chefin Kaiser etwa hat laut Bericht 1978 bis 1984 der Stasi „zum Teil detailliert über Studenten und Dozenten“ berichtet, teilweise diskreditierend und denunziatorisch. Nach 1984 habe es von ihr Initiativen zur Fortsetzung der IM-Arbeit gegeben. Dies bestreitet Kaiser. Und die Fraktionschefin kritisiert in ihrer Erklärung ebenfalls die Poppe-Kommission: Das Bild einer „durchgehend überzeugten, geradlinigen, motivierten und vorsätzlich agierenden MfS-Zuträgerin ohne Zweifel und Widersprüche oder Brüche“ habe mit der Realität ihres Lebens nichts zu tun.

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