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Grenzverkehr Polen-Brandenburg: Neu eröffnete Draisinenbahn endet über der Oder

Über dem Fluss ist Schluss: Die neu eröffnete Draisinenstrecke im Oderbruch endet jäh in der Mitte der Oder. Polens Behörden erteilten noch keine Betriebserlaubnis. Und die Betreiber fürchten Naturschützer.

Diesmal geschah die Eröffnung in aller Heimlichkeit: kein Presseauflauf, keine Nationalhymnen und Blasmusik und kein Sekt für das erste Fahrzeug. So einen Reinfall wie im vergangenen Juni wollten die Betreiber der ersten grenzüberschreitenden Draisinenbahn im 80 Kilometer nordöstlich Berlins gelegenen Oderbruch jedenfalls nicht noch einmal erleben. Damals hatten die Behörden gleich nach der pompösen Premierenfeier die Signale der einzigartigen Draisinenstrecke wieder auf Rot gestellt. Naturschützer hatten an einem Pfeiler der jahrzehntelang unbenutzten und nur für den militärischen Ernstfall gedachten Brücke Bienenwerder ein brütendes Uhu-Pärchen entdeckt und verlangten Ruhe. Draisinen aber machen Geräusche und auch den Fahrgästen konnte niemand ernsthaft der Mund verbieten.

Bis zur Flussmitte und dann zurück

Doch die Einsprüche des Draisinenunternehmens blieben ungehört. „Nach dem Ende der Brutzeit und den ersten Lebensmonaten der kleinen Uhus können sie starten“, lautete das einzige behördliche Zugeständnis. Die Touristiker lehnten dankend ab. „Im September ist die Saison vorbei“, sagten sie. Das so werbewirksam klingende Motto „Mit der Draisine von Deutschland nach Polen und umgekehrt“, verschwand im Archiv, um dort noch höchstwahrscheinlich eine ganze Weile zu bleiben.

Und jetzt plötzlich tauchen ganz neue Schwierigkeiten auf. Zwar öffnen sich seit kurzer Zeit wieder jeden Sonnabend und Sonntag ab 10 Uhr die Brückentore für eine Draisine. Doch die Fahrt geht nur genau bis zur Flussmitte, in der die Grenze verläuft. An einem provisorischen Prellbock müssen die Schienenfahrzeuge wieder umkehren. Es fehlt die Genehmigung der polnischen Staatsbahn, die das 370 Meter lange Brückenteil östlich der Flussmitte verwaltet. Da diese im Vorjahr noch vorlag, lässt sich über die Gründe der jetzigen Verweigerung nur spekulieren. Offensichtlich waren aber die polnischen Kommunen über das plötzliche Stoppsignal kurz nach der Eröffnung nicht erfreut gewesen. Sie hofften einfach auf viele deutsche Touristen, die mit der Draisine über die Oder und dann in ihre Dörfer, Restaurants, Hotels und Geschäfte kommen sollten. So hatten es jedenfalls die Bürgermeister bei der damaligen Eröffnungsfeier ausgedrückt. Nun wollen sie offensichtlich erst abwarten, bevor sie erneut bei der polnischen Staatsbahn vorstellig werden.

Die Schienen wären bereit

Dabei liegen auf polnischer Seite sogar noch rund 20 Kilometer Gleis, auf denen historische Schienenbusse verkehren könnten. Der Mohriner See, der vor dem Zweiten Weltkrieg ein beliebtes Tagesausflugsziel für Berliner war, liegt mitten in einem größeren Naturschutzgebiet mit Wegen für Wanderer und Radfahrer. Am deutschen Oderufer sind dagegen alle Schienen seit Anfang der 1990er Jahre verschwunden. Auf dem früheren Bahndamm strampeln sich heute Radfahrer auf einer 12 Kilometer langen Strecke von Wriezen bis zum Viadukt Bienenwerder mehr oder weniger intensiv ab. Vor der Wende war die Brücke auf keiner Landkarte verzeichnet gewesen.

Die Militärs betrachteten sie als „strategische Reserve“ für den Ernstfall, falls die anderen Oderbrücken in Küstrin oder Frankfurt vom Feind gesprengt worden wären. Selbst an einen Ersatz für einen Verlust der Brücke Bienenwerder hatten sie gedacht. Unweit des Bahnhofs Neu-Rüdnitz, der heute als Wohnhaus genutzt wird, sind Hinweise auf einen Abzweig vom früheren Hauptgleis in Richtung Oder zu erkennen. Hinter dem Deich hätten die Truppen auf einer mobilen Pontonbrücke den Fluss überqueren sollen.

Geheimnisse um die Draisinenbahn

Sowohl vom Ufer als auch von der Draisine aus fällt der Blick auf Reste von Brückenpfeilern der Vorgängerbrücke. Die Wehrmacht hatte diese im April 1945 in die Luft gesprengt, um den Vormarsch der Roten Armee auf Berlin für eine kurze Zeit zu verzögern. Aus Resten anderer Brücken wurde dann in den 1950er Jahren ein neuer Übergang gebaut. Bis 1981 fuhren Personen- und Güterzüge von Wriezen bis Neu-Rüdnitz, rund vier Kilometer vor der Brücke gelegen. Danach begann das militärische Sperrgebiet.

Der Neustart der Draisinen hat sich bis jetzt noch nicht herumgesprochen, was angesichts der Geheimniskrämerei aus Furcht vor den Naturschützern nicht überrascht. Offensichtlich wollen die Draisinenbetreiber Tatsachen schaffen. So halten vor allem Nutzer des beliebten Oder-Neiße-Radwegs an der Brücke mit den eigentümlichen Schienenfahrzeugen an. Nur wenige entschließen sich zu einer Tour mit dem Schienentaxi. „Wir haben einen engen Zeitplan für unsere Tour“, heißt es dann oft.

Die Draisine fährt vorerst sonnabends und sonntags zwischen 10 und 18 Uhr auf dem 350 Meter langen deutschen Brückenabschnitt – und auch am Ostermontag. Die Fahrt kostet für Erwachsene 5 Euro, Kinder ab fünf Jahren zahlen die Hälfte. Infos unter www.europaoderbruecke.de.

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