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Seit acht Jahren ist Tom Erdmann Co-Vorsitzender der GEW. Ihm wird vorgeworfen, nicht konsequent zwischen seinem Engagement für die Linkspartei und seinem Amt als Gewerkschaftsvorsitzender zu trennen.

© Fotostudio Charlottenburg

Update

Bleibt Tom Erdmann das Gesicht der Berliner GEW?: Lehrergewerkschaft wählt neue Vorsitzende

Bei der Landesdelegiertenversammlung entscheidet sich, ob der bisherige Co-Vorsitzende Tom Erdmann im Amt bleibt. Vor der sich anbahnenden Kampfkandidatur skizzieren Erdmann und sein Herausforderer Sven Dudkowiak ihre Ideen.

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Wie geht es weiter mit der Berliner GEW? Mit regelmäßigen Streiks protestiert die Bildungsgewerkschaft seit Monaten für bessere Arbeitsbedingungen, vor allem aber kleinere Klassen, und verursacht damit Unterrichtsausfälle. Erst Anfang Juni hat die Lehrergewerkschaft ihre Mitglieder dazu aufgerufen, ihre Arbeit erneut für drei Tage niederzulegen. Mehr als 2000 Lehrkräfte kamen dem nach, es war der vierzehnte Ausstand seit Streikbeginn 2021.

Welchen Kurs die Gewerkschaft in Zukunft einschlägt, hängt auch von der Wahl des neuen Landesvorstands ab. Am Dienstag und Mittwoch kommen die Landesdelegierten der GEW, welche die 30.000 Mitglieder der drittgrößten Berliner Gewerkschaft vertreten, dazu im Kino Kosmos zusammen. Die bisherigen Vorsitzenden Martina Regulin und Tom Erdmann stellen sich zur Wiederwahl. Während Regulin bisher ohne Gegenkandidatin antritt, wird Erdmann von dem Spandauer GEW-Funktionär Sven Dudkowiak herausgefordert

Dudkowiak will demokratische Strukturen wieder stärken

Die GEW wählt alle drei Jahre neue Vorsitzende. Die Statuten sehen vor, dass mindestens einer der beiden Vorsitze von einer Frau ausgefüllt wird. Dudkowiak kann also nur Erdmann, nicht Regulin herausfordern.

Sven Dudkowiak ist Lehrer für Biologie und Mathematik an einer ISS. In einem Statement gab er am Montagabend an, die demokratischen Strukturen der Gewerkschaft wieder stärken zu wollen. Die GEW sei für ihn ein Dach, das auf vier Säulen ruhe: Interessenvertretung, Tarif- und Beamtenpolitik, Bildungsgerechtigkeit und innergewerkschaftliche Demokratie. „Unser Fundament sind unsere Mitglieder, organisiert in Betriebsgruppen. Dieses Dach schützt alle Mitglieder, wenn sich die vier Säulen als Einheit mit gleichem Gewicht verstehen“, sagte Dudkowiak.

Sven Dudkowiak ist Lehrer für Biologie und Mathematik an einer ISS in Spandau.
Sven Dudkowiak ist Lehrer für Biologie und Mathematik an einer ISS in Spandau.

© GEW Berlin

Als weiteren Schwerpunkt nannte Herausforderer Dudkowiak die Bekämpfung des Fachkräftemangels: „Die GEW wird dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen, die immer die Lernbedingungen der Kinder- und Jugendlichen definieren, nachhaltig verbessert werden.“

Erdmann sowie GEW-Pressesprecher Markus Hanisch halten die Kampfkandidatur Dudkowiaks für einen normalen Vorgang. Erdmann begrüßt sie sogar: „Wir sind eine demokratische Institution. Dass sich mehrere Kandidaten bewerben, kann uns nur gut tun. Das stärkt die Debatte.“ Dass Dudkowiak bereits Anfang des Jahres seine Kandidatur angekündigt hat, sei zwar für die GEW ungewöhnlich. In seinen acht Jahren als Vorsitzender habe es aber auch schon andere Gegenkandidat:innen gegeben. 

Sein politisches Kapital sieht Erdmann in seiner Erfahrung; er habe gute Netzwerke in alle bürgerlichen Parteien des Landes. Sollte er wiedergewählt werden, will der Neuköllner Lehrer die anhaltenden Warnstreiks fortführen. Zwar gebe es unter Mitgliedern Kritik – von beiden Seiten. Die einen forderten noch entschlosseneres Streiken, die anderen bemängelten die Unterrichtsausfälle ihrer Schüler. „Die Streikbeteiligung ist aber weiterhin ungebrochen hoch“, rechtfertigt Erdmann den von ihm mitverantworteten Kurs der GEW.

Erdmann sieht Polizeigewerkschaften als Vorbild

Neben den Warnstreiks will Erdmann zukünftig aber auch neue Akzente setzen. Mit Blick auf die aktuelle Verbeamtungswelle sagt er: „Ich möchte mehr verbeamtete Lehrer ansprechen.“ Es heiße oft, Beamte bräuchten keine Gewerkschaft. Erdmann sieht das anders: „Der Einfluss der Polizeigewerkschaft zeigt, dass auch Beamte von einer Gewerkschaft profitieren können.“

Auch für die in der Gewerkschaft organisierten Erzieher will Erdmann sich einsetzen. Aktuell ist eine Kampagne für einen Personalschlüssel in Kitas und Co. in Planung: Ein Erzieher solle maximal 15 Kinder betreuen müssen. Warnstreiks seien deswegen aber nicht angedacht. Erdmann spricht von einer „politischen Kampagne“. Es würden keine Tarifverträge gefordert.

In der GEW gärt es wegen möglicher Satzungsverstöße

Während Erdmann seine bisherige Amtszeit positiv bewertet und „optimistisch“ auf die Wahl blickt, stehen der Co-Vorsitzende und die GEW insgesamt auch in der Kritik. Das schlägt sich auch in der Tagesordnung der Delegiertenversammlung nieder.

Neben Anträgen zum geforderten Tarifvertrag Gesundheitsschutz, zu Teilzeitarbeit und dem Hochschulgesetz soll auch die Rolle der GEW bei den Verwerfungen im Kuratorium des Mete-Ekşi-Fonds (der Tagesspiegel berichtete) diskutiert werden. Genau wie die Arbeitsbedingungen des Vorstands: So gärt es aktuell, weil die GEW sich zwar viele hauptamtliche Mitarbeiter im geschäftsführenden Vorstand leistet, jedoch versäumt hat, das in ihrer Satzung zu verankern. Direkten Bezug auf diesen Konflikt nahm auch Erdmanns Gegenkandidat Dudkowiak, der sagte, dieser bereite ihm „Sorgen“: „Die Satzung der GEW Berlin ist unsere Verfassung. Ihre Einhaltung schützt die innergewerkschaftliche Demokratie. Ich will den Gremien wieder mehr Einfluss geben.“

Zusätzlich wird Erdmann vorgeworfen, dass er nicht genügend zwischen seinem Engagement für die Linken und seiner gewerkschaftlichen Arbeit trenne. Eine Tagesspiegel-Anfrage vom Freitag nach der konkreten Zahlen der Linke-Mitglieder unter den hauptamtlichen Mitarbeitern soll nicht vor Montagabend beantwortet werden. Ob Erdmann nach der Beantwortung der Anfrage noch im Amt ist, wird sich in den kommenden beiden Tagen zeigen.

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