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Sommerferien in Berlin: Reisen in Zeiten des Terrors

Bald beginnt die Ferienzeit, für viele die schönste des Jahres. Aber so richtig will die Vorfreude in diesen Wochen nicht aufkommen. Eine Glosse.

Und wieder einmal wie jedes Jahr in diesen Wochen naht die Zeit der Entscheidungen. Nicht der zu treffenden, sondern der bereits getroffenen Entscheidungen, die sich nun bewähren müssen, auf den Prüfstand kommen und wehe, sie fallen dort durch. Die Sommerferien beginnen in dieser Woche, und das bedeutet für viele: Reisezeit. Aber war es richtig, wofür man sich entschieden hat? Manche machen es sich dabei leicht, fahren immer wieder zum selben Urlaubsort, lassen sich von der Vielfalt der Möglichkeiten, wie sie auf dem dreifachen Wegweiser im Seebad Friedrichshagen am Müggelsee nur unzureichend angedeutet sind, gar nicht erst verwirren. Was für eine Auswahl: Altstadt Köpenick, Neu-Venedig oder Hawaii. Wobei Alt-Venedig ja auch nicht schlecht wäre, von Neustadt am Rübenberge oder Honolulu ganz zu schweigen. Hauptsache weg.

„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“

Aber von Last-Minute-Buchern mal abgesehen, ist in der Wahl des Zieles oft nicht mehr viel zu machen. Hurtig also die Koffer gepackt. Der berühmte Spruch von Matthias Claudius – „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“ – gilt schließlich auch für die miserabelsten Touren. Ja, fast mehr noch für sie. Denn die Poesie einer Landschaft zu preisen, das liegt nicht jedem, und Sonnenuntergänge mit Worten auszumalen, droht stets in Kitsch abzugleiten. Aber sich über das Frühstück oder die knarrenden Betten im Urlaubshotel ausgiebig zu echauffieren, das beherrscht gerade der Berliner wie jede Art des Meckerns aus dem ff.

Eigentlich könnte es einen überall treffen

Alles wie gehabt also, möchte man meinen, kann es aber nicht, nicht in diesem Sommer, und das liegt nur zum geringsten Teil an dem momentan, zumindest in Berlin, eher herbstlich anmutendem Wetter. Aber die Bilder dieser Tage, Wochen, Monate, die wollen einfach nicht aus dem Kopf, die kann man nicht so schnell wegschließen, wie man die Wohnungs- oder Haustür hinter sich absperrt. Istanbul, Nizza, Orlando, Paris – vor gar nicht langer Zeit waren das noch Traumziele. Und selbst wenn man nun dorthin oder wohin auch immer reist, mit der ebenso fatalistischen wie realistischen Einsicht, dass es einen mittlerweile eigentlich überall treffen könnte, wenngleich die Wahrscheinlichkeit eher gering ist und eine rasante Fahrt auf deutschen Autobahnen auch nicht ohne ist – ja selbst dann bleibt ein Unbehagen, eine Mischung aus, nein, wohl nicht Angst, aber Unsicherheit, Trauer und Mitleid angesichts der verstörenden, vor dem Fernseher fast zeitgleich mitverfolgten Szenen aus Blut, Hass und Tränen.

Natürlich fährt man trotzdem, bucht vielleicht noch rasch um, was in solchen Lagen doch meist geht, flegelt sich bald auf eine bequeme Liege, gut eingeölt, neben sich, je nach Gusto, ein kühles Bier oder einen Cocktail. Und doch: Die Sonne mag sich anstrengen soviel sie will – sie bleibt verschleiert.

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