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Albrecht Gerber ist ein Urgestein der brandenburgischen Politik.

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Update

SPD-Politiker: Brandenburgs Wirtschaftsminister Gerber tritt zurück

Schwerer Schlag für Brandenburgs Ministerpräsident Woidke: Wirtschaftsminister Gerber gibt seinen Posten auf. Ausschlaggebend sollen allein familiäre Gründe sein.

Er gilt als ein Urgestein in Brandenburgs Politik, ein Regierungsprofi, alte Schule: Doch nun tritt Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) zurück, wie er am Dienstag auf einer kurzfristig anberaumten gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in Potsdam ankündigte. Sein Schritt habe „allein familiäre Gründe“, sagte der 51-Jährige, der diese nicht näher erläuterte und darum bat, seine Privatsphäre zu respektieren. In Regierungskreisen hieß es, ein enges Familienmitglied sei schwer erkrankt.

Mit Gerber verlieren Woidke und die rot-rote Regierungskoalition eine wichtige Stütze im Kabinett. Und das mitten in der Krise um die wegen des Pharmaskandals um möglicherweise unwirksame Krebsmedikamente belastete Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke). Deren Rücktritt spätestens kommende Woche gilt inzwischen auch in der Koalition als unausweichlich. Woidke, der jüngst bereits eine Kabinettsumbildung nicht ausgeschlossen hatte, wird nun gemeinsam mit den Linken mindestens zwei Kabinettsposten neu besetzen müssen.

Wegbegleiter würdigen Gerbers Wirken

Gerber, der bereits unter den früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck (beide SPD) als Büroleiter gedient hatte, bis 2014 Chef der Staatskanzlei war und seitdem als streitbarer Wirtschaftsminister anerkannt ist, verwies in der Pressekonferenz auf seinen geleisteten Amtseid: „Die erforderliche Kraft für mein Amt und die damit verbundene sehr hohe Arbeitsbeanspruchung kann und will ich aus rein familiären Gründen nicht mehr aufbringen.“ Er wolle sich nun eine Beschäftigung suchen, die es ihm ermögliche, sich flexibel um seine Familie kümmern zu können. Bisher habe sich die Familie nach dem Amt ausgerichtet, jetzt werde er das umgekehrt tun. Er sei „froh und dankbar, dass ich so viele Jahre gemeinsam mit vielen anderen Menschen bei der guten Entwicklung unseres Landes mitarbeiten konnte und durfte“, sagte Gerber. Woidke, der am Sonntag von seinem Minister informiert worden war, sagte: Es sei die „richtige Entscheidung für seine Familie und für das Amt“.

Sein Rücktritt wurde in der Politik und Wirtschaft, bei Verbänden und Gewerkschaften mit Respekt und Bedauern aufgenommen. „Wir wünschen seiner Familie viel Kraft und Gottes Unterstützung“, sagte CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben. „Wir respektieren seine Entscheidung“, sagte Ursula Nonnemacher, die Co-Fraktionschefin der Grünen, und fügte hinzu. „Auch wenn wir inhaltlich häufig nicht einer Meinung waren.“ Tatsächlich stand und steht Gerber etwa gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle.

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Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äußerte Bedauern und Verständnis für den Schritt. „Politik ist eben doch nicht alles“, sagte der Vorsitzende des Landesbezirks Berlin-Brandenburg, Christian Hoßbach. Bei Gewerkschaftern und Betriebsräten hat Gerber einen guten Ruf, weil er als Minister – auch öffentlich – für höhere Löhne eintrat und gegen Lohndumping. Gerber habe an der guten Entwicklung der Unternehmen in Brandenburg in den vergangenen Jahren seinen Anteil, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB).

Gerber galt bisher als einer der Architekten des rot-roten Bündnisses, wo er hinter den Kulissen auch als Krisenmanager fungierte. Linke-Finanzminister Christian Görke und Fraktionschef Ralf Christoffers dankten dem scheidenden Minister für seine Verlässlichkeit und Professionalität. Zwar betonte Christoffers, dass man keinen Zusammenhang mit der Debatte um die Zukunft von Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) wegen des Pharmaskandals um das Schicksal von Krebspatienten herstellen sollte. Gerbers Rücktritt aus familiären Gründen, so fügte Christoffers gleichwohl hinzu, „macht diese Debatte um Lunapharm nicht einfacher“. Es bleibe bei der Linie, „dass Entscheidungen über politische, organisatorische und andere Konsequenzen nach Vorlage des Berichtes der Taskforce getroffen werden“, der für den 28. August angekündigt worden ist.

Woidke muss wohl zwei Positionen neu besetzen

Nun gibt es wieder Stühlerücken im Kabinett. Die rot-rote Regierung unter Woidke hat in dieser Legislaturperiode bereits zwei Minister verloren: Justizminister Helmuth Markov (Linke), weil er sein Motorrad privat mit einem Transporter aus dem Landesfuhrpark in die Werkstatt brachte, und Bildungsminister Günter Baaske (SPD), der mehr Zeit für seine Tochter haben wollte. Zudem hat Woidke bereits zwei Staatskanzleichefs abgelöst. Gerber selbst wird noch bis zur nächsten Landtagssitzung am 19. September im Amt sein. Dort soll ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin vereidigt werden. Woidke hielt sich am Dienstag dazu bedeckt. „Wir werden uns Zeit nehmen, um einen Nachfolger zu finden, der den Anforderungen gerecht wird“, sagte der Regierungschef.

Erste Namen sind aber bereits im Gespräch. So wird nicht ausgeschlossen, dass SPD-Landtagsfraktionschef Mike Bischoff, dem schon länger entsprechende Ambitionen nachgesagt werden, ins Kabinett aufrücken könnte. Auch Gerbers Staatssekretär Hendrik Fischer oder Woidkes Lausitz-Beauftragter Klaus Freytag werden genannt. Wirtschaftsexperten sind in der SPD rar. Die Grünen forderten Woidke auf, die Nachfolge mit einer Abkehr von der bisherigen Kohlepolitik zu verbinden – und einer weitreichenden Kabinettsreform. So sei es gut vorstellbar, dass der „schwache und unglücklich agierende“ Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) durch eine bessere Persönlichkeit ersetzt wird.

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