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Gewalt gegen Frauen ist alltäglich. Der Tagesspiegel will mit seiner Weihnachtsaktion Helfer und Betroffene unterstützen.

© Foto: dpa/Christophe Gateau

Tagesspiegel-Spendenaktion: Hilfe für Frauen, die häusliche Gewalt erleben

Das Berliner Projekt BIG hilft von Missbrauch jeglicher Art betroffenen Frauen. Wir bitten dafür um Spenden auf das Konto von „Menschen helfen!“: Eines von 53 Projekten unserer 31. Weihnachtsaktion.

War das jetzt schlimm? Also: wirklich schlimm? Oder doch etwas, das keine große Aufregung lohnt? Der Mann hat sie geschubst, zweifellos. Aber die Antwort auf die Fragen dazu, die hatte die Frau nicht. Deshalb hatte sie ja diese Nummer gewählt, die 030-6110300, die Hotline der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen, kurz BIG.

BIG würde Antworten geben, die Anlaufstelle für Frauen, die häusliche Gewalt erleben oder Rat benötigen oder ganz schnell Hilfe in gefährlichen Situationen. BIG ist ein emotionaler Rettungsanker. Geschubst? Na klar ist das eine Form von Gewalt, das machte die BIG-Mitarbeiterin am Telefon der Anruferin klar.

Simone Scholz erzählt diesen Fall, die Koordinatorin von BIG-Hotline. Sie sitzt auf einem Sofa in einem Büro der BIG-Zentrale und sagt: „Schubsen kann der Einstieg in weitere Gewalt sein.“

Was alles ist denn Gewalt?

Neben Simone Scholz hat Doris Felbinger Platz genommen, die Geschäftsführerin von BIG, eine sehr erfahrene Experin. „Es gibt in der Regel schon vor dem Schubsen Signale, dass in der Partnerschaft etwas nicht stimmt“, sagt sie. „Was Gewalt ist, das entscheidet im Übrigen nicht der Täter.“

Engagiert für die BIG-Hotline: Simone Scholz, Doris Felbinger und Kerstin Schwarz.

© Frank Bachner

Zwischen 8000 und 9000 Anrufe wird BIG bis Ende Dezember in diesem Jahr erhalten haben, ungefähr so viele wie 2022. Weihnachten selber wird es ruhig bleiben, das zeigt die Erfahrung, aber kurz danach werden die Zahlen der Anrufe steigen. Nach Sommerferien ist es ähnlich. Die Gewalt findet in den Ferien statt, aber die Frauen melden sich erst bei BIG, wenn die Kinder in der Schule sind und der Mann wieder arbeitet.

Anrufe aus dem sozialen Umfeld

Aber immer öfter gehören die Anrufer zum sozialen Umfeld einer – mitunter nur möglicherweise – betroffenen Frau. Nachbarn, Freunde, Angehörige, genau die Menschen, die BIG auch als Zielgruppe hat. „Das ist gut, die Menschen sind sensibilisierter für das Thema“, sagt Doris Felbinger. Sensibilisierter sind auch Männer. Auch von denen melden sich immer mehr.

Schubsen kann der Einstieg in weitere Gewalt sein.

Simone Scholz, Koordinatorin der BIG-Hotline

Mitunter geht es nur um einen Rat. Die Menschen aus dem Umfeld haben etwas gesehen, gehört, mitbekommen, sie können das Ganze aber nicht genau einschätzen? Reale Gewalt? Oder bildet man sich da etwas ein? Wie soll man sich verhalten? Die Unsicherheit löst dann die jeweilige BIG-Helferin auf.

Häufig genug geht es auch um eine ganz andere Art von Rat. Dann ist ziemlich klar, dass etwas passiert ist. Eine Sozialarbeiterin meldete sich bei BIG, weil ihr eine geflüchtete Frau von häuslicher Gewalt berichtet hatte. Aber jetzt wusste sie nicht, wie sie am besten mit dieser Information umgehen soll.

Vermitteln zu Fachberatungsstelle

Aber dafür war die BIG-Helferin ja da. Gemeinsam ermittelten sie den Sitz der nächsten Fachberatungsstelle, die Sozialarbeiterin organisierte dort umgehend einen Termin.

„Wir sind die erste Anlaufstelle, wir fädeln Betroffene ins System ein“, sagt Doris Felbinger. Oder die BIG-Helferinnen geben den betroffenen Frauen erstmal emotionale Orientierung. „Wir wollen diese Frauen bestärken, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen.“ Wer das Gefühl hat, Schubsen sei Gewalt, der soll merken, dass das stimmt.

Betroffene Frauen kommen aus allen Schichten

Und wer Hilfe braucht, um einen Gewaltschutzantrahg zu schreiben oder beim Weg zur Polizei oder zum Familiengericht, den begleitet eine BIG-Helferin. Mobile Beratung ist das, sie nimmt vielen Frauen die Angst und die Unsicherheit. Die Anruferinnen bei BIG kommen aus allen Schichten und allen Bezirken.

Aber BIG hat seit August auch noch die Clearingstelle, eine Adresse für die ganz harten Fälle. Kerstin Schwarz leitet diese Stelle, sie sitzt auch im Büro. „Bei uns melden sich Frauen, die ins Frauenhaus vermittelt werden müssen oder sogar in andere Bundesländer. Oder aber auch zu Familienangehörigen, bei denen die Frau definitiv in Sicherheit ist“, sagt sie.

Sieben Miniappartements hat die Clearingstelle, sieben Sicherheitszonen, in denen die Frauen zur Ruhe kommen können. Vor kurzem ist eine Frau quasi vom Wochenbett mit ihrem fünf Tage alten Säugling eingezogen. „Im Schnitt bleiben die Frauen zwei Wochen bei uns. Die längste war sieben Wochen da“, sagt Kerstin Schwarz.

Tagesspiegel sammelt für BIG

Aber das alles kostet Geld. Die einquartierten Frauen haben oft gar kein oder nur wenig Geld, aber sie benötigen Kleider und Lebensmittel, ihre traumatisierten Kinder therapeutisches Spielzeug, der Säugling Babysachen und -nahrung. Auch die Bahntickets bezahlt BIG. Allerdings aus einem Minibudget, das nicht alle Kosten abdeckt. Deshalb bittet BIG um Spendengelder der Tagesspiegel-Leserschaft auf das Konto von „Menschen helfen!“.

Aber auch die Mitarbeiterinnen der BIG-Hotline haben finanziellen Bedarf. Sie wollen an einem Teamtag ihre eigene Arbeit analysieren und Verbesserungsvorschläge ausarbeiten. Ein externe Coach soll sie unterstützen, natürlich gegen Honorar. Auch dafür sollen die Spendengelder aus dem „Menschen helfen!“-Topf verwendet werden.

Dass die Sensibilisierung fürs Thema häusliche Gewalt zunimmt und sich die BIG-Arbeit bezahlt macht, das haben die Mitarbeiterinnen vor kurzem an einem besonderen Beispiel wieder gemerkt. In einer Schicht riefen mehr Männer an als Frauen.

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