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Elon Musk und Kanzler Olaf Scholz bei der Eröffnung der Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide vor einem Jahr.

© dpa/Patrick Pleul

Update

Unfälle, hoher Krankenstand, Umweltschäden : Neue Vorwürfe gegen Tesla-Fabrik in Grünheide

Vor einem Jahr eröffnete das Tesla-Werk in Grünheide. Nun werden erneut Vorwürfe laut, dass man es dort mit Arbeits- und Umweltschutz nicht so genau nimmt. Tesla weist das zurück.

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Elon Musk lehrt mit der Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide inzwischen der deutschen Automobilindustrie durchaus das Fürchten. Doch nun sind gegen den US-Elektroautobauer und auch Brandenburgs Regierung erneut Vorwürfe erhoben worden. Nach einem aktuellen Bericht des „Stern“ soll es im Werk regelmäßig schwere Verstöße gegen Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen sowie auffällig viele Unfälle geben – Risiken für Beschäftigte, Anwohner und die Umwelt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich besorgt. „Arbeitsschutz schützt in Deutschland im Zweifelsfall auch Leben und deshalb bin ich tief besorgt über die Nachrichten, die da über ein großes Unternehmen in die Öffentlichkeit gekommen sind“, sagte Heil RTL und n-tv. Er erwarte konsequente Länder-Kontrollen.

Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, schlug eine unabhängige Prüfung vor. „Lassen sich die Bedingungen nicht zügig verbessern, sollte letztlich auch über einen Entzug der Betriebserlaubnis debattiert werden“, sagte Bartsch dem „Stern“.

Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide.

Dirk Schulze, IG Metall-Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen

Brandenburgs zuständige Fachministerien und auch der US-Konzern selbst wiesen die Vorwürfe am Donnerstag zurück. „Tesla und auch Brandenburgs Behörden nehmen Arbeits- und Umweltschutz sehr ernst“, erklärte Tesla auf Tagesspiegel-Anfrage.

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Konkret hat es laut Stern unter Berufung auf eine Behördenliste in der Fabrik, die teilweise im Trinkwasserschutzgebiet liegt und seit März 2022 produziert, inzwischen 26 Umwelt-Havarien gegeben – teils mit ausgelaufenen Flüssigkeiten. „Bei keinem der Vorfälle handelte es sich um einen Störfall“, erklärte Tesla. „Des Weiteren ist es bei keinem dieser Vorfälle zu Umweltschäden gekommen.“ Alle Fälle seien „intern untersucht und aufgearbeitet und soweit notwendig, Prozesse und Organisationsstrukturen angepasst worden.“

Ministerium: Nur sieben schwere Unfälle in der Großfabrik seit 2020

Nach den Recherchen des „Stern“, der zwei Journalisten zeitweise in den Betrieb einschleuste, soll die Zahl der Arbeitsunfälle auffällig hoch sein – dreimal so hoch wie im Audi-Werk in Ingolstadt. Die IG Metall forderte am Donnerstag das Tesla-Management auf, die Missstände umgehend abzustellen. „Gesundheit geht vor Profit – das gilt auch für Tesla in Grünheide“, erklärte Dirk Schulze, IG Metall Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen. „Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide. Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen.“

In einigen Bereichen führe dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent. „Statt die Ursachen anzugehen, reagiert das Management mit Druck auf die Kranken“, erklärte Schulze. „Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren.“

In Grünheide laufen seit April 2023 laut Tesla wöchentlich 5000 E-Autos des Model Y vom Band. Es ist mit inzwischen 11.5000 Beschäftigen – 1.000 waren vorher arbeitslos, viele Ungelernte sind am Band – das größte Werk der Hauptstadtregion. Laut „Stern“, der sich auf Rettungsdienstprotokolle beruft, ist seit Eröffnung bereits 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber angefordert worden.

Brandenburgs Gesundheitsministerium unter Ministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) verweist dagegen darauf, dass die Teslafabrik trotz ihrer Dimension beim Landesamt für Arbeitsschutz nicht mit einer Häufung schwerer Unfälle auffällt, im Gegenteil. Laut Ministerium hat es 2021 während der Bauzeit und 2022 insgesamt sechs schwere Unfälle gegeben, vier davon mit Beschäftigen von Bau- und Montagefirmen auf dem Gelände, und in diesem Jahr bisher einen Fall. Insgesamt sind das nur sieben schwere Arbeitsunfälle bei Tesla in drei Jahren.

26 Umwelt-Havarien soll es seit März 2022 durch die Tesla-Fabrik gegeben haben. Das Pikante: Das Werk steht in einem Trinkwasserschutzgebiet.

© dpa/Patrick Pleul

Auch den Vorwurf einer mangelnden Überwachung weist das Gesundheitsministerium strikt zurück. Derzeit würden „mindestens zweiwöchentlich Kontrollen durchgeführt, so ein Sprecher. „Zusätzlich werden alle sechs bis acht Wochen anlassbezogene Besichtigungen durchgeführt, die unangekündigt sind.“ Kaum ein anderer Betrieb in Brandenburg werde so „intensiv, engmaschig und regelmäßig von der Arbeitsschutzbehörde kontrolliert und beraten wie das Tesla-Werk in Grünheide.“

Jedem Hinweis werde nachgegangen. Selbst bei der Telefon-Hotline der Arbeitsschutzbehörde, wo auch anonym Arbeitsschutzverstöße gemeldet werden können, falle das Werk nicht auf.

Auch das Brandenburger Umweltministerium verwies auf regelmäßige Kontrollen und die Ahndung von Verstößen. Das Ministerium sei überzeugt, „dass das Landesamt für Umwelt seine Überwachungstätigkeit ordnungsgemäß durchführt“, erklärte Sprecherin Frauke Zelt. Tesla und die Behörden seien sich „der Sensibilität des Standorts durch dessen teilweise Lage innerhalb eines Wasserschutzgebiets bewusst“, sagt Zelt. „Auch aus diesem Grund informiert Tesla auch über Vorfälle innerhalb des Betriebs, deren Meldung nicht vorgeschrieben ist, überobligatorisch.“

Trotzdem wächst ein Jahr vor der Landtagswahl nun im Zuge der Schlagzeilen um Tesla der Druck auf Brandenburgs Regierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Landtag. „Es ist Zeit für einen Untersuchungsausschuss!“, erklärte Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter. „Es bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen. Elon Musk spielt hier wilder Osten.“

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