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Fluffiges Fladenbrot lässt keinen Tropfen Sauce ungenutzt.

© Getty Images/iStockphoto

Der Geschmack der Türkei und Kurdistans: Warum Fladenbrot ein Stück Heimat ist – und wo es in Berlin das beste gibt

Nicht nur Deutsche geben viel auf ihr Brot. Über die Bedeutung von Brot für türkisch- und kurdischstämmige Berliner und an welchen Orten man das schmecken kann.

Die besten Stullen machen die Deutschen. Es lässt sich darüber streiten, ob es am guten Pumpernickel liegt oder der vielfältigen Auswahl an Aufstrichen und Belag. Aber das beste Brot, jedenfalls in Berlin, kommt aus der Türkei und Kurdistan. Frisches, warmes Brot, das beim Abreißen die nötige Festigkeit hat, beim Reinbeißen weich genug ist und beim Zerkauen im richtigen Moment die mehlige Note freilässt.

Fladenbrot: Das kennen die meisten, die damit nicht aufgewachsen sind, aus türkischen Supermärkten, wo es trostlos auf einer Ablage vor der Fleischtheke oder hinter der Konservendosenabteilung im Regal liegt. In transparenten Plastiktüten erhärten sie oder werden weich, je nach Zubereitung, und was davon schlimmer ist, darüber kann man streiten.

Dabei ist vielen Menschen aus der Türkei und der kurdischen Region gutes Brot heilig, vielleicht ist das die größte Gemeinsamkeit, die sie mit den meisten Deutschen teilen.

Brot spielt aber nicht nur eine so große Rolle, weil es sich am besten eignet, um nach einer Portion Kuru Fasulye – ein deftiger Bohneneintopf – den wässrigen Tomatenmark-Öl-Film vom Teller zu wischen; oder weil das Zitronen-Granatapfelsirup-Dressing im Hirtensalat viel zu lecker wäre, um es achtlos in die Spüle zu schütten.

Das Restaurant von Amed Mardin verweist schon mit seinem Namen auf die kurdische Brotkultur: „Tênur“ heißt „Lehmofen“.

© Tagesspiegel/Büsra Delikaya

Den meisten ist Brot heilig, weil es sie an Stimmengewirr und Familie erinnert, die am Tisch Platz nimmt oder gleich am riesigen Essenstuch, das auf dem Teppichboden ausgebreitet wird und den Tisch ersetzt. Man hat ja eh immer zu viel Besuch, da ist der Tisch selten groß genug.

Wirklich gutes türkisches Fladenbrot findet man in Berlin etwa bei der Has Bäckerei in Neukölln, die aus einem Fenster heraus warme Fladen verkauft.

Wer lieber Platz nehmen mag, sollte das Kreuzberger Restaurant Tenûr in der Reichenberger Straße 147 besuchen. „Tenûr“ ist Kurdisch für „Lehmofen“ – in Kurdistan wird so traditionell das Brot gebacken. Für Inhaber Amed Mardin ist sein Laden eher ein Fenster in die kurdische Kultur, als ein Mittel zum Geldverdienen. An der Wand hängen Bilder kurdischer Intellektueller wie Musa Anter und von Künstlerinnen wie Eyşe Şan.

Der tenûr im gleichnamigen Restaurant ist das Herzstück der Küche. Hier werden die Nan, dünne Fladen, gebacken. Zuerst sind sie aber Teigknödel, die am besten von buttrigen Händen bearbeitet werden. Sie werden so lange gerollt, bis sie prall und rund sind, kein einziger Riss zeigt sich auf der leicht glänzenden Oberfläche. Dann werden sie auf einem Bett aus Mehl platziert, mit einer Teigrolle behände vergrößert, nach rechts, nach links, in alle Richtungen. Idealerweise geht das Brot nicht auf, allerhöchstens lässt die heiße Luft ein paar wenige Teigblasen entstehen.

Brot in einem Lehmofen, dem sogenannten Tênur.

© Büsra Delikaya

Brot kommt bei Türken und Kurden meist zum Schluss, wenn das Geschirr, das Essen, das Salz und die Getränke platziert sind. Wer den Brotkorb in der Hand hat, ruft alle Trödler zu Tisch, so will es das Gesetz.

Und sobald das Brot auf dem Tisch ist, lässt man es nicht lange stehen. Brot gebührt Respekt. Es verdient sich schließlich nicht leicht. Für Nicht-Deutsche aus der Arbeiterklasse schon gar nicht. Brot ist harte Arbeit. Sein Verdienst wie auch seine Zubereitung.

Brot steht für Familie, Heimat und Gemeinschaft. Große Begriffe, die um ein Gemisch aus Mehl, Wasser und Hefe schwirren. Mehr kommt nicht rein. Das muss es aber auch nicht, wenn bereits der Geruch aus dem Ofen an einen Ort erinnert, der einen zu Hause fühlen lässt – ein Gefühl, nach dem sich viele in Deutschland sehen. 

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