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Der Nahostkonflikt spiegelt sich in Berlins Schulen. Immer häufiger kommt es zu antisemitischen Vorfällen.

© dpa/Jörg Carstensen

Exklusiv

Flashmob, Fakenews, Schmierereien: Berlins Schulen kämpfen mit dem Nahostkonflikt

Der Nahostkonflikt zeigte sich am Mittwoch in weiteren Facetten. Eine weitere davon war ein offenbar gefakter Fragebogen, den ein Linken-Abgeordneter via X verbreitete.

| Update:

Der Nahostkonflikt erreicht Berlins Schulen auf immer neue Weise. Am Mittwochvormittag musste die Polizei wegen eines angekündigten Flashmobs zur Spandauer B.-Traven-Gemeinschaftsschule ausrücken. Die Kreuzberger Galilei-Grundschule wehrte sich gegen den Vorwurf einer „Gesinnungsprüfung“, und andere Schulen beklagten vermehrt Davidsternschmierereien.

Nach Angaben der Polizei hatte eine Schülerin der Spandauer Schule via Instagram zu einem Pro-Palästina-Flashmob aufgerufen. Nach Informationen des Tagesspiegels konnte eine größere Menschenversammlung aber verhindert werden, weil die Schulleiterin die Polizei gerufen habe.

Die Idylle trügt: Die B.-Traven-Schule gilt als Brennpunktschule.

© Susanne Vieth-Entus

Ganz anderer Art war ein Vorfall, der die Galilei-Grundschule unter Druck setzte. Am Mittwochmorgen hatte der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak bei X, ehemals Twitter, geschrieben, Schüler einer Grundschule hätten sich in einem Fragebogen zur Hamas positionieren sollen.

Koçak postete dazu ein Foto des vermeintlichen Fragebogens unter Nennung des Schulnamens. Die Kinder sollten etwa angeben, ob sie es „gerechtfertigt“ fänden, dass die Hamas im Krieg mit Israel „Männer, Frauen, Kinder“ tötet. Nachdem die Schule die Nachricht als Fakenews bezeichnet hatte, bekräftigte der Abgeordnete jedoch auf Tagesspiegelanfrage, dass seine Quelle zuverlässig sei. Ein Sechstklässler habe seinen Eltern davon berichtet.

Wir möchten unserer Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass ein Abgeordneter und andere hier eine Behauptung verbreiten, die nicht zutrifft und die von diesen Personen offenbar nicht geprüft worden ist. 

Aus der Erklärung der Kreuzberger Galilei-Grundschule

Die Bildungsverwaltung betonte, dass es sich um eine Falschmeldung handele. Die Schule verfasste eine eigene Stellungnahme: „Nach gründlicher Prüfung“ stehe fest, dass das sogenannte Arbeitsblatt nicht aus dem Unterricht an der Galilei-Grundschule stamme. Sie prüfe eine „Anzeige gegen die ursprünglichen Urheber dieser Behauptung wegen der Verbreitung von Unwahrheiten“. Weiter schrieb die Schule, sie wolle ihrer „Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass ein Abgeordneter und andere hier eine Behauptung verbreiten, die nicht zutrifft.“

Linken-Abgeordneter will Posts künftig „besser durchdenken“

Stunden später twitterte Koçak dann, er komme nach zahlreichen Reaktionen zu dem Fazit, dass er bei „so einem hochemotionalen Thema“ die Veröffentlichung „besser durchdenken muss“. Für ihn sei die Erzählung der Familien „weiterhin authentisch“. Falls das nicht der Fall gewesen sein sollte, werde er sich bei der Schule entschuldigen und den Post löschen.

Das Schreiben der Bildungssenatorin an die Schulen zum Download.

Angesichts der schwierigen Lage lobten Schulleiter das vierseitige Schreiben von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zum Umgang mit der Nahost-Problematik. Darin hatte sie die Möglichkeit eröffnet, in der aktuellen Situation palästinensische Symbole zu verbieten. „Ich finde das Schreiben absolut richtig“, sagte etwa Tilmann Kötterheinrich-Wedekind vom Hermann-Ehlers-Gymnasium in Steglitz. Er leitete zuvor das Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium und ist im SPD-Arbeitskreis für Bildung aktiv.

Das preisgekrönte Comic der Rütli-Schule, das den Nahostkonflikt behandelt, wird auch von der Landeszentrale für politische Bildung vertrieben. 

© Susanne Vieth-Entus

Die Leiterin der Neuköllner Rütli-Schule, Kerstin Ruoff, nannte Günther-Wünschs Schreiben am Mittwoch „hilfreich“, da es den rechtlichen Rahmen abstecke. Die Rütli-Schule setzt sich seit vielen Jahren aktiv mit dem Nahost-Konflikt auseinander, bietet dazu einen Wahlpflichtkurs und fährt mit diesem Kurs alle zwei Jahre nach Israel. Sie hat auch ein preisgekröntes Comic zum Nahostkonflikt geschaffen.

Das Zeigen von Fahnen soll unterbleiben, da es nicht zur Befriedung der Situation beiträgt.

Beschluss der Schulkonferenz der Ernst-Reuter-Schule

Die Schulkonferenz der Ernst-Reuter-Schule in Mitte beschloss am Montag einen Appell an die Schulgemeinschaft, „den Schulfrieden zu wahren und alles zu tun, um ein friedliches Miteinander in der Ernst-Reuter-Schule zu ermöglichen“. Trotz „starker Gedanken und Gefühle“ seien alle aufgerufen, „sich deeskalierend zu verhalten und respektvoll und menschlich fair miteinander umzugehen“. Auf politische Parolen, Symbole und Abzeichen sei zu verzichten, auch das Zeigen von Fahnen solle unterbleiben, „da es nicht zur Befriedung der Situation beiträgt“. Schule sei nicht der Ort, um politische Konflikte auszutragen.

Hoffnung auf Wachschutz

Unterdessen schöpfen einige Neuköllner Schulen Hoffnung, dass sie ihren Wachschutz zurückbekommen: Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte dies wegen der unsicheren Lage nach dem Hamas-Angriff in Aussicht gestellt, wenn auch die Finanzierung noch unklar sei. Zurzeit verfügt nur die Ernst-Abbe-Schule an der Sonnenallee über einen Wachschutz, weil sich dort eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und einem Schüler abgespielt hatte.

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