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Julia Mateus.

© dpa

Frischer Wind beim Satiremagazin: „Satire darf bei mir nichts, außer nach unten treten.“

Julia Mateus ist nach 40 Jahren die erste Frau an der Spitze der „Titanic“. Worauf sich Leser und männliche Kollegen freuen können.

Ist weiblicher Humor anders, gar besser? Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Humor? Diese Fragen sind fast so alt wie die Menschheit. Sie lässt sich nun bei Deutschlands Satiremagazin Nummer eins aufs Neue stellen. Julia Mateus wird die erste Frau an der Spitze der „Titanic“. Am Dienstag gab das Blatt die 38-Jährige als neue Chefredakteurin bekannt. Wer hätte das gedacht: Über 40 Jahre lang wurde das Magazin mit Sitz in Frankfurt am Main nur von Männern geführt.

Gleichberechtigung, mehr Durchlässigkeit an der Spitze also auch hier, bei der „Titanic“. Nur, wer kennt die neue Chefredakteurin? Julia Mateus ist seit 2020 Redakteurin bei „Titanic“ und dort für die Rubrik „Briefe an die Leser“ zuständig. Sie löst Moritz Hürtgen ab, der das Blatt laut eigenem Tweet aufgrund von „Ermittlungen wg. Veruntreuung v. Verlagsgeldern“ verlässt.

Er freue sich, „wieder Leser, Fan und gewiss weiterhin Autor“ des Magazins zu sein. Bei der „Titanic“ wechselt die Chefredaktion turnusmäßig, in der Regel alle fünf Jahre. Hürtgen hatte den Posten 2018 übernommen.

Mateus studierte Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaft in Hamburg. Satirisch ist sie mit Beiträgen für „Titanic“, die „taz“ und die Satiresendung „extra 3“ in Erscheinung getreten. Ist also humormäßig gestählt, auch was die Kommunikation ihrer Anliegen betrifft. Dementsprechend halbernst zu nehmen sind ihre Ankündigungen zur Heft-Ausrichtung des „endgültigen Satiremagazins“.

Die neue Chefin wünscht sich mehr Mundart und Parfumproben im Heft und will sich mit den Witzen ihrer männlichen Autoren schmücken. „Ich möchte alle Witze aus den Texten männlicher Autoren rausstreichen und bei mir reinschreiben und mehr Satire in einfacher Sprache.“

Mateus beschreibt sich als „pragmatischer als die männlichen Vorgänger in der Chefredaktion, die eher Idealisten waren“. Sie möchte den Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung des Magazins legen (die Auflage liegt bei 37.000 Exemplaren, davon 17.500 Abo-Auflage), strebe eine gemeinsame Mantelausgabe mit der Funke-Mediengruppe an.

Zur künftigen inhaltlichen Ausrichtung des Hefts sagt sie: „Satire darf bei mir nichts, außer nach unten treten“ und „Ich distanziere mich grundsätzlich von allen Witzen meiner Vorgänger“. Die Definition der Grenzen der Satire möchte sie an ein Start-up ausgliedern, das diese in Zukunft auf der Grundlage eines Algorithmus bestimmen soll. Etcetera pp.

Das ist natürlich alles blanke Satire, ähnlich wie bei den Vorgängern Martin Sonneborn und Hürtgen. Kein Wort zur starken Satire-Konkurrenz im Fernsehen („heute-show“, „ZDF Magazin Royale“), die das Printgeschäft nicht leichter gemacht haben dürfte. Und wird auch in konkreten Nachfragen für den Tagesspiegel nicht wahrscheinlicher.

Ob es einen anderen Umgang mit dem Thema Sexismus gebe?

Was Sie als „Titanic“-Chefin anders machen wolle? „Ich möchte mehr Spar-Coupons als Beileger, Regionalausgaben in Mundart und ein ,Titanic‘-Sonderheft mit Arzt-Bewertungen.“ Außerdem würde Mateus gerne mit der Sat-1-ProSieben-Gruppe kooperieren und „Titanic“-Witze ins Frühstücksfernsehen bringen. Auf einen moralischen Kompass verzichte sie, „weil ich so was gar nicht brauche“.

Zweiter Versuch: Ob es mit Julia Mateus als Chefin einen anderen Umgang mit dem Thema Sexismus gebe? „Ja, ich werde in der Redaktion gläserne Decken für männliche Autoren einbauen lassen.“ Etwas ernster wird es mit der Frage nach typisch weiblichem Humor. Nein, sie würde nicht sagen, dass dieser sich grundsätzlich unterscheide. In den letzten fünf bis zehn Jahren habe sich der Frauenanteil bei „Titanic“ stark erhöht, inzwischen ist die Textredaktion überwiegend weiblich besetzt.

„Dadurch haben es manche Themen leichter, ins Heft zu kommen. Zum Beispiel hatten wir in letzter Zeit Texte über feministische Menstruationsprodukte, Quotenfrauen oder Roboterbordelle für Frauen.“ Solche Themen habe es früher seltener gegeben.

Die Dezember-Ausgabe (erscheint am 25. November) der „Titanic“ wird die erste mit Julia Mateus als Chefredakteurin sein. Themen und Rubriken der aktuellen Ausgabe: Frieren statt fordern, Rowlings Gender Trouble, Oligarchen-Lyrik – daran dürfte sich nicht allzu viel ändern. Vielleicht ist es doch so, wie schon Hazel Brugger sagte: „Ich hab viele weibliche Freundinnen, die nicht so lustig sind wie meine männlichen Freunde. Es gibt keinen männlichen und weiblichen Humor. Wenn es den gäbe, könnte er sich fortpflanzen, das kann er aber nicht.“

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