zum Hauptinhalt
Patricia Schlesinger, damals RBB-Intendantin, ließ es sich auf Kosten der Beitragszahler gut gehen.

© dpa/Britta Pedersen

Update

Vetternwirtschaft und Verschwendung beim RBB : Erster Prüfbericht wirft Ex-Intendantin Schlesinger Verstöße vor

In der Prüfung der RBB-Affäre liegt der erste Zwischenbericht vor. Schlesinger soll unter anderem eine private Reise über den Sender abgerechnet haben.

| Update:

Die Anwaltskanzlei Lutz|Abel hat den Aufsichtsgremien des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) am Donnerstag erste Ergebnisse ihrer Prüfung der Vorfälle rund um die entlassene Intendantin Patrica Schlesinger vorgestellt. Dabei ging es in erster Linie um private Abendessen, Londonreise, Dienstwagen und um etwaige Regelverstöße im Zusammenhang mit einem Umzug der Ex-Intendantin.

Ein Ergebnis ist laut RBB-Pressemitteilung: „Bei der objektiv nicht als dienstlich zu begründenden Reise nach London festgestellt, dass die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger diese Reise inklusive Verpflegungs- und Übernachtungskosten trotz des insgesamt fehlenden dienstlichen Charakters über den rbb abgerechnet und dabei zudem verschwiegen hat, dass sie in Begleitung ihres Mannes verreist war.“

Anlass für die Prüfung durch die Kanzlei waren Medienberichte unter anderem über dienstlich über den RBB abgerechnete Reisen und Abendessen, Beraterverträge im Zusammenhang mit dem inzwischen gestoppten Bau des Digitalen Medienhauses sowie mögliche Vorteilsnahmen und -gewährungen durch Organmitglieder und Mitarbeiter des RBB. In einigen Themenfeldern ermittelt auch die Generalstaatsanwaltschaft. Was die Kanzlei vorgelegt hat, ist ein Zwischenbericht, das Endergebnis steht noch aus.

Nina Rossi von der Kanzlei Lutz Abel sprach im Zusammenhang mit der Londonreise und der Abrechnung von Abendessen von einer „gewissen Systematik“. Die festgestellten Verstöße würde sie zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht als massiv bezeichnen. Hinweise aus dem eigens eingerichteten anonymen Hinweisgebersystem, dass ein privater Umzug der ehemaligen Intendantin über den RBB abgerechnet worden sei, bestätigten sich demnach nicht.

Auf dem „Intendantinnenauge“ bilnd

Schon vor dem Zwischenbericht war klar, dass Schlesinger nur deswegen in der inkriminierten Weise handeln konnte, weil Rundfunkrat und Verwaltungsrat auf dem „Intendantinnenauge“ blind waren. Entsprechend reagierte Dorette König, amtierende Vorsitzende des Verwaltungsrates: „Der Bericht bestätigt die bereits festgestellten Schwächen der bisherigen Arbeit im Verwaltungsrat. Das betrifft zum einen sein Selbstverständnis als Kollegialorgan.

Ich setze alles daran, dass sich solche Verkommnisse beim rbb nicht wiederholen können

Interims-Intendantin Katrin Vernau

Beschlüsse dürfen nie wieder auf Basis von Informationen eines einzelnen Mitglieds fallen.“ Der Vorsitzende, gemeint ist der abgetretene Wolf-Dieter Wolf, könne sich nicht über das Kollegialorgan stellen, Informationen zurückhalten und Vereinbarungen mit der Intendantin am Verwaltungsrat vorbei treffen. „Wir unterstützen die Empfehlung einer schriftlichen Berichtspflicht der Intendantin gegenüber dem Verwaltungsrat. Bisher gab es lediglich ein Auskunftsrecht“, sagte König.

Ralf Roggenbuck, der Vorsitzende des Rundfunkrates, zog folgende Konsequenzen aus der Untersuchung: „Die Handlungsempfehlungen der Kanzlei Lutz|Abel sind eindeutig. Das gilt insbesondere für die Intendantenverfassung. Sie hat ausgedient und sollte schnellstmöglich einer Regelung weichen, bei der auch das Gebaren einer Intendantin spezifisch festgelegten Kontrollmechanismen unterliegt.“

Ralf Roggenbuck, Vorsitzender des RBB-Rundfunkrates, am Rande der RBB-Rundfunkratssitzung.
Ralf Roggenbuck, Vorsitzender des RBB-Rundfunkrates, am Rande der RBB-Rundfunkratssitzung.

© Britta Pedersen/dpa

Die Interims-Intendantin Katrin Vernau schwor nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einen heiligen Eid: „Ich setze alles daran, dass sich solche Verkommnisse beim rbb nicht wiederholen können.“ Deshalb werde mit Hochdruck das interne Kontrollsystem verbessert und „vor allem wirksam gemacht“. Zudem will Vernau dafür sorgen, dass die Unternehmenskultur künftig durch Transparenz, Redlichkeit und Ordnungsmäßigkeit geprägt sei.

Alexander King, Medienpolitiker der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, plädierte in einer ersten Einschätzung dafür, den Bericht von Lutz Abel komplett der Öffentlich zugänglich zu machen. „Immerhin kostet die Kanzlei den Beitragszahler sehr viel Geld.“ Zugleich kritisierte er, dass die Tischvorlage im Rundfunkrat nicht schon zur gemeinsamen Beratung des Brandenburger Haupt- und des Berliner Medienausschusses vor drei Tagen zur Verfügung stand.

Inhaltlich sah sich King in seiner Forderung vom Montag bestätigt. „Wir brauchen viel mehr Transparenz, viel mehr Beteiligung der Zuschauer, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ihren Beiträgen finanzieren, mehr Kontrolle, mehr Mitarbeiterbeteiligung - und vor allem mehr Bescheidenheit auf den Chefetagen.“ Damit die gesamte Vergütungsstruktur gemeint, insbesondere die Ruhegeldregelungen der Direktoren.

Wir brauchen mehr Kontrolle, mehr Mitarbeiterbeteiligung - und vor allem mehr Bescheidenheit.

Alexander King, Berliner Medienpolitiker der Linken-Fraktion

Steffen Grimberg, der Vorsitzende des DJV-Berlin JVBB, beschäftigte die lange Dauer der Untersuchung. Es wäre für alle Beteiligten günstiger gewesen, wenn es schon früher Ergebnisse gegeben hätte, sagte er dem Tagesspiegel. Es sei aber zu begrüßen, dass die anfangs starre Haltung aufgegeben wurde, nun und doch erste Ergebnisse präsentiert werden.

Gründlichkeit vor Schnelligkeit, gilt dieses Prinzip auch hier? Das lasse sich anhand der bisherigen Veröffentlichung nicht sagen, meinte Grimberg. Bemerkenswert sei aber die klare Aussage der Kanzlei zur London-Reise von Schlesinger mit ihrem Ehemann Gerhard Spörl, dass dafür keinerlei dienstliche Veranlassung vorlag. Wobei gerade für eine Amtsträgerin strenge Maßstäbe gelten.

Besonders dramatisch: die Kosten für Berater und das Digitale Medienhaus

„Allerdings haben wir noch keine Informationen zu den ebenfalls strittigen Abendessen in der Privatwohnung der Ex-Intendantin, die von diversen Gästen als Einladung mit privatem Charakter angesehen wurden“, sagte Grimberg. „Da bin ich gespannt, ob die Kanzlei da zu einem ähnlichen klaren Ergebnis kommt.“ Von den Beträgen jedoch erheblich dramatischer beurteilte der DJV-JVBB-Vorsitzende die Kosten für die Beraterverträge und das Digitale Medienhaus. Auch dazu sollen dem Rundfunkrat erste Ergebnisse präsentiert werden.

„Es mag ja eine Tatsache gewesen sein, dass es im RBB keine Regelungen gegeben hat und die Intendantin anscheinend de facto nicht unter Compliance-Vorschriften gefallen ist und Mahnungen der Innenrevision ignorieren konnte, aber es dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass dies eine Regelungslücke war, die in anderen Unternehmen längst geschlossen worden wäre.“

Erinnerte an eine konstitutionelle Monarchie.

RBB-Personalrat Lutz Ohemichen über die Intendantinnenverfassung unter Patricia Schlesinger

Für Personalrat Lutz Oehmichen „hat sich die schlimme Erkenntnis bestätigt, dass die Intendantinnenverfassung Patricia Schlesinger so viele Freiräume ließ, dass sie eher an eine konstitutionelle Monarchie erinnerte als an eine Ordnungsregel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“.

Die Handlungsempfehlungen der Kanzlei bezeichnete der Mitarbeitervertreter als „sehr sinnvoll“. Das bisherige Compliance-System sei als mangelhaft dargestellt worden, auch die Beschaffungs-, Reisekosten- und Spesenordnung gehörten überarbeitet. Aus Sicht der Belegschaft reiche es überdies nicht aus, die Gehaltsstrukturen des Direktoriums zu veröffentlichen. Weitere Schritte müssten folgen. Auf einer Belegschaftsversammlung soll zeitnah über eine Reform der Strukturen diskutiert werden.

Auch das Thema Digitales Medienhaus ist noch nicht abgeschlossen, das wurde im weiteren Verlauf der Rundfunkratssitzung deutlich. Anders als bei der London-Reise steht eine Bewertung von Lutz Abel hierzu noch aus.

„Auch wenn die dicken Brocken – Digitales Medienhaus, Beraterverträge, Bonussystem – noch gar nicht Gegenstand des Zwischenberichts waren, wird doch klar: Nicht nur das völlig unzureichende Compliance-System und die mangelhaften Kontrollstrukturen müssen grundsätzlich erneuert werden“, sagte Christoph Hölscher von der RBB-Freienvertretung nach der Bekanntgabe einiger Zwischenergebnisse.

Die ganze Unternehmenskultur müsse auf den Prüfstand: „Hierarchien und Privilegien müssen abgebaut, Beteiligungsrechte der Belegschaft gestärkt, die unsägliche Zwei-Klassen-Gesellschaft von festen und freien Mitarbeitenden überwunden werden, damit der rbb seine eigentliche Aufgabe optimal erfüllen kann: Gutes Programm für die für die Beitragszahler in Berlin und Brandenburg zu machen.“ (mit epd)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false