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Menschen laufen am Freitagabend vor dem Club ·Pony· in Kampen (Sylt). Hier hatten Party-Gäste zu Pfingsten rassistische Lieder gegrölt.

© dpa/Lea Sarah Albert

Update

Vorfälle auch in anderen Sylter Clubs: Junge Frau an Pfingsten offenbar rassistisch angefeindet und geschlagen

Am Donnerstag ging ein Video viral, in dem junge Gäste in der Sylter Bar „Pony“ rassistische Gesänge anstimmten. In Kampen soll eine Schwarze Frau beschimpft und ins Gesicht geschlagen worden sein.

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Ein zweiter Club auf Sylt, das „Rote Kliff“, hat auf seinem Instagram-Account am Samstag bekannt gegeben, dass es dort über Pfingsten zu einem ähnlichen Vorfall wie im „Pony“ gekommen sein soll. „Leider hatten auch wir zu Pfingsten einen Rassismus-Vorfall. Wir haben die betreffenden Personen, die wir finden konnten, aus dem Club verwiesen und ihnen Hausverbot erteilt“, heißt es in dem Post.

Eine dritte mutmaßlich rassistische Anfeindung soll sich am Pfingstwochenende auf den Friesen-Insel abgespielt haben. Eine junge Schwarze Frau soll rassistisch beleidigt und geschlagen worden sein. Wie die Staatsanwaltschaft Flensburg gegenüber „Bild“ bestätigte, ermitteln sie wegen Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung und Körperverletzung.

Vor dem In-Lokal „Sturmhaube“ in Kampen auf Sylt soll die 29-Jährige am Pfingstsonntag mit dem N-Wort beschimpft worden sein. „Bevor ich sagen konnte, was denkst du, wer du bist, habe ich auch schon einen Schlag ins Gesicht bekommen, bin ins Feld gefallen“, beschrieb sie den Angriff auf Instagram.

Unmittelbar nach dem Schlag habe sie den Täter mit dem Handy gefilmt. Auf dem Video sind mehrere junge Menschen, darunter auch der mutmaßliche Täter, zu sehen. Die Frau wird als „dumme Hure“ beschimpft, dann wird nach dem Handy geschlagen und die Aufnahme endet.

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Die junge Frau hat nach eigenen Anzeige erstattet. Da der mutmaßliche Täter noch unbekannt ist, bittet sie in den sozialen Medien um Hilfe, ihn zu identifizieren. „Eine Fahndung im Nahbereich nach dem Täter blieb ohne Erfolg“, sagt Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt gegenüber der „Bild“. Die Staatsanwaltschaft hat demnach ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet.

Die 29-Jährige sagte auf Anfrage von „Welt“: „Mein Ziel ist es, ihn ausfindig zu machen und ein Zeichen zu setzen, dass solche Taten nicht unbestraft bleiben.“ Sie bedauere, dass man so enorm ausgegrenzt werde, nur weil man eine andere Hautfarbe habe.

Rassismus-Vorfall im „Rote Kliff“

Im „Rote Kliff“ Offenbar wurde ebenfalls, wie zuvor im „Pony“, „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ auf die Melodie von „L’amour Toujours“ des italienischen Star-DJs Gigi D’Agostino gegrölt. Das berichtet die „Bild“. Die beiden Orte liegen nur wenige hundert Meter auseinander.

Betreiber Peter Kliem sagte: „Der ‚Club Rotes Kliff‘ steht seit 44 Jahren für Diversität. Einen weltbekannten Partysong zur Propaganda für Rassismus und Diskriminierung zu nutzen, ist erbärmlich und widerlich. Wir distanzieren uns eindeutig und unmissverständlich von jeglicher Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.“

Am Donnerstag hatte ein Video des rassistischen Gegröles mehrerer Party-Gäste auf Sylt bundesweit für Empörung gesorgt. Die Betreiber des Lokals hatten ihren Umgang mit dem Vorfall gerechtfertigt. „Hätte unser Personal zu irgendeinem Zeitpunkt ein solches Verhalten mitbekommen, hätten wir sofort reagiert. Wir hätten umgehend die Polizei verständigt und Strafanzeige gestellt. Das haben wir mittlerweile tun können“, schrieben die Betreiber des bekannten Lokals Pony im Nobel-Urlaubsort Kampen in der Nacht zu Samstag auf Instagram.

„Dieses zutiefst asoziale Verhalten dulden wir nicht. Haben wir nie und werden wir nie. Deshalb gehen wir jetzt mit allen Mitteln dagegen vor.“ Man sei immer noch geschockt und zutiefst bestürzt. „Rassismus und Faschismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft.“

Die Betreiber des Pony Clubs erhalten seit dem eigenen Angaben zufolge Morddrohungen . „Wir werden aufs Übelste beleidigt und erhalten Morddrohungen“, schreiben sie auf dem Instagramprofil des Clubs. Dazu veröffentlichten sie eine Sequenz aus einem Überwachungsvideo, das die Szene aus einem anderen Blickwinkel zeigt.

„An alle, die ständig fragen: „Hat man das nicht mitbekommen?“ Ihr seht selbst, dass die Mehrheit auf dem Video ihren Spaß hat, während eine kleine Gruppe etwas skandiert, das mit unseren Grundwerten nicht vereinbar ist.“ Man habe sich nach langer Überlegung entschlossen, das Video zu veröffentlichen, „um uns, unsere Mitarbeiter und unsere treuen Gäste zu schützen“.

Politikerinnen und Politiker äußerten sich schockiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Parolen am Freitag als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“ bezeichnet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wer Nazi-Parolen wie „Deutschland den Deutschen - Ausländer raus“ grölt, ist eine Schande für Deutschland“.

Konsequenzen für Beteiligte

Für manche Beteiligte hat das rassistische Gegröle bereits ein berufliches Nachspiel. Die Werbeagentur-Gruppe Serviceplan Group erklärte am Freitagabend auf Instagram, sie habe einen Mitarbeiter fristlos entlassen, der an dem Vorfall beteiligt gewesen sei. „Wir tolerieren Rassismus in jeglicher Form innerhalb unserer Agenturgruppe nicht“, erklärte das Unternehmen.

Die Hamburger Influencerin Milena Karl entließ nach eigenen Angaben ebenfalls eine Mitarbeiterin, die an dem Vorfall beteiligt gewesen sei. „Abgesehen von dem ohnehin abscheulichen Inhalt des Videos hat es mich schockiert, verletzt und enttäuscht, zu sehen, dass eine der Personen aus dem Video mit mir in einem Anstellungsverhältnis stand“, schrieb sie in einer Instagram-Story.

Sie habe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst und distanziere sich ausdrücklich „von sämtlichen Personen, die in diesem Video auftreten“. „Ich bin selbst Migrantin und als werdende Mutter steht alles, was in diesem Video zu sehen ist, für eine Gesellschaft, in der ich mein Kind nicht großziehen möchte.“

Vorfall auch in Niedersachsen

Sylt ist kein Einzelfall. Schon in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Vorfälle, bei denen zu dem Lied Nazi-Parolen gerufen wurden - etwa in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. In der Oberpfalz ermittelte die Polizei nach einem möglichen Vorfall bei einem Faschingszug im Februar. Auch auf anderen Veranstaltungen war es in den vergangenen Monaten zu ähnlichen Zwischenfällen gekommen.

Am Freitag wurde bekannt, dass es ebenfalls an Pfingsten in Niedersachsen zu einem ähnlichen Fall kam. Auch auf dem Schützenfest in Löningen westlich von Cloppenburg wurden rassistische Parolen gegrölt, auch zu „L'amour toujours“, auch dort ermittelt der Staatsschutz. Zeugen, die das Geschehene gefilmt hatten, zeigten den Vorfall bei der Polizei an.

Der Verein prüft nun einen Ausschluss der beteiligten Mitglieder. Am Montagabend werde der erweiterte Vorstand des Schützenvereins Bunnen zusammenkommen und über Konsequenzen aus dem Vorfall beraten, sagte Vereinspräsident Gregor Meyer am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auch ein Ausschluss der an den Gesängen beteiligten Mitglieder stehe zur Diskussion. Zuvor hatte der NDR berichtet.

Laut Satzung sei ein Ausschluss der Mitglieder bei vereinsschädigendem Verhalten möglich, sagte Meyer. „Unsere Satzung gibt das her.“ Beschließen müsse das aber der gesamte Vorstand und nicht er allein als Vorsitzender.

Expertin sieht in Sylt-Video Normalisierung rechtsextremer Inhalte

Aus Sicht der Expertin Pia Lamberty zeigt das Sylt-Video eine Normalisierung rechtsextremer Inhalte in der Gesellschaft. „Ohne dass es irgendeine Form von Widerspruch gibt, werden die sozialen Normen einfach gebrochen“, sagte die Co-Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz untersucht.

„Menschen können ohne Scheu in der Öffentlichkeit extreme Parolen äußern.“ Der Song „L'amour toujours“ sei mittlerweile immer mehr mit den rassistischen Parolen verknüpft, sagte Lamberty. „Das macht ja auch was im Gehirn.“ So schafften Rechtsextreme eine Akzeptanz solcher Parolen in der breiten Gesellschaft.

Für die Cemas-Expertin verdeutlicht der Fall: „Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem, das man in Ostdeutschland sieht oder bei Menschen, die ein geringeres Einkommen haben, sondern auch bei höheren Schichten.“ Das Bedrohliche für Betroffene sei vor allem die strukturelle Macht, die diese Personen potenziell einmal ausüben könnten.

Das Video zeige: „Rassismus geht auch von Menschen aus, die an Universitäten studiert haben oder in Managementpositionen stehen.“ Rechtsextremismus und rassistische Einstellungen seien etwas, was man in der gesamten Gesellschaft finde. (Tsp, dpa)

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