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Bekenntnis zu Rechtsaußen.

© Getty Images/Adam Berry, Bearbeitung: Tagesspiegel

Nach den jüngsten Übergriffen: Wächst Brandenburgs Problem mit dem Rechtsextremismus?

Erst der Brief von Lehrkräften in Burg zu rechtsextremen Vorfällen an einer Schule, nun eine in Heidesee bedrohte Schulklasse aus Berlin – wiederholen sich gerade die 90er Jahre? Drei Experten haben Antworten.

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Berliner und Brandenburger Medien erhielten Mitte April eine anonyme E-Mail. „Brandbrief zum Rechtsextremismus an unserer Schule“, stand in der Betreffzeile. In einem angehängten offenen Brief berichteten Lehrkräfte einer Gesamtschule aus dem Brandenburger Landkreis Spree-Neiße von rechtsextremen Vorfällen im Schulumfeld, die offenbar zur Tagesordnung gehören.

Am Wochenende sollen Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Berliner Lina-Morgenstern-Schule von einer Gruppe feiernder Jugendlicher in Heidesee rassistisch beleidigt und bedroht worden sein. Was sagen solche Vorfälle über den Rechtsextremismus in Brandenburg? Drei Einschätzungen in unserer Kolumne „3 auf 1“. (Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Rechtsextremismus ist kein Jugendproblem

Rechtsextremismus ist seit den 1990er Jahren in Brandenburg ein durchgängiges Problem. Während damals Skinheads mit Baseballschlägern Menschen und Regionen tyrannisierten, in den 2000er Jahren die NPD durch Kundgebungen prägend war, ist es aktuell die AfD, die rechtsextreme Stimmungen schürt.

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Die beiden medial diskutierten Fälle im Schulkontext suggerieren, dass es sich um ein Jugendproblem handle. Dem ist nicht so. Junge Menschen provozieren aber eher und suchen die Reibung zur Erwachsenenwelt. Mit rechtsextremen Verhalten gelingt das hervorragend. Uneindeutige Reaktionen darauf können zu sehr problematischen Dynamiken führen.

Es ist aber nicht allein die Verantwortung von Lehrer:innen und Jugendarbeiter:innen. Vielmehr ist Rechtsextremismus ein Problem und eine Daueraufgabe der gesamten Gesellschaft. Brandenburg hat das 1998 erkannt und mit dem Programm „Tolerantes Brandenburg“ ein entsprechendes Instrument entwickelt. Dieses setzt einen Rahmen für die präventiven, beratenden, unterstützenden und repressiven Maßnahmen, die nötig sind, um sich dieser Daueraufgabe zu stellen.


Viele fühlen sich diffamiert und stellen sich an die Seite der Falschen

Gerade Süd-Brandenburg hat ein großes Rechtsextremismus-Problem, das zeigen die Zahlen der Polizei und des Vereins Opferperspektive eindeutig. Neulich war ich bei einer Schulklasse zu Besuch, und in der hinteren Reihe saßen Schüler, die klar rechtsextreme Sympathien hatten. Zugleich muss man festhalten: Eine große Mehrheit in Brandenburg ist damit nicht einverstanden, das wurde auch in dieser Klasse deutlich.

Cottbus hat ein gutes Handlungskonzept unter Einbindung der Zivilgesellschaft gestartet. Wenn über die Region aber nur als rechtsextremer Problemort berichtet wird, hat das mitunter einen negativen Solidarisierungseffekt. Viele fühlen sich pauschal diffamiert und stellen sich an die Seite der Falschen. Das sind oft vernünftige, aber enttäuschte Menschen.

Mir sagen immer wieder Bürger:innen, sie hätten die AfD aus Protest gewählt, nicht aus Überzeugung. Und die, die sich dagegen engagieren, bekommen den Eindruck, sie seien umgeben von Nazis. Wir müssen Zivilcourage belohnen. Wenn sich Menschen trauen, rechte Umtriebe öffentlich zu machen, wie zuletzt Lehrkräfte in Burg im Spreewald, verdient das Unterstützung. Es darf nicht sein, dass sie Angst haben müssen, als Nestbeschmutzer zu gelten.


Die rechten Täter und Wähler sind nicht mehr überwiegend jung

Eine rechtsextreme Partei stellt die größte Oppositionsfraktion im Landtag, Meinungsumfragen sehen sie als stärkste Partei bei den Wahlen 2024. Ihr Bewerber als Landrat im Kreis Oder-Spree wird am 14. Mai als bislang stärkster Kandidat in die dortige Stichwahl gehen. Die Zahlen rassistischer Gewalttaten erreichten 2016 ein Niveau, das alle Vorjahre übertraf.

Sie sind zwar heute niedriger, aber immer noch beunruhigend hoch. Besonders betroffen ist der Südosten des Landes – gerade entlang jenem „Innovationskorridor“, von dem sich die Landesregierung entscheidende Zukunftsimpulse erhofft. Dies zeigen auch die jüngsten Vorfälle. 

Die neonazistische Kleinstpartei Der III. Weg mobilisiert gezielt unter Jugendlichen. Musik- und Kampfsportangebote aus Brandenburg sprechen junge Männer an. Zu den Veränderungen gegenüber den 1990er Jahren gehört indes, dass die Täter, ebenso wie die Wähler, nicht mehr überwiegend jung sind. Zustimmung zu rechtsextremen Parteien, ebenso wie rechtsextreme Handlungen, sind ein generationenübergreifendes Phänomen. In bestimmten Milieus werden sie akzeptiert, gerechtfertigt oder sogar begrüßt.

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