zum Hauptinhalt
Darf nicht mehr so heiß frittiert werden wie bisher. Die EU-Kommission sorgt sich um die Gesundheit der Europäer.

© Ina Fassbernder/dpa

Acrylamid-Verordnung der EU: Vielleicht mehr gesund heißt bestimmt weniger lecker

Dass Gesundheitsgefahren von Acrylamid nicht ausgeschlossen werden, reicht der EU-Kommission für eine Verordnung. Eine ziemlich labberige allerdings. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Richard Friebe

Man muss sich nicht wundern, dass Fastenkuren so populär sind. Beim Fasten vermeidet man schließlich, was uns alle umbringt: Essen. Fett? Macht fett und Herzinfarkte. Kohlenhydrate? Sind Diabetes-Auslöser, Lebergift und Lieblingsfutter von Tumoren. Bliebe Eiweiß. Davon darf man aber auch nicht zu viel essen, denn das schafft die Niere nicht. Von all den anderen Molekülen ganz zu schweigen: L-Carnithin im Fleisch? Krebsgefahr. Isoflavone in Soja? Gar nicht gut, weil hormonähnlich. Salz? Muss reduziert werden, dem Herzen zuliebe.

Aktuell auf den Teller des nicht essbaren Essens hat die EU-Kommission das Acrylamid gelegt – beziehungsweise all die Sachen, in denen das Molekülchen vorkommt: Pommes, Chips, Kekse, sogar Brot. Noch vor einer Woche schüttelten wir die Köpfe über ein Gerichtsurteil aus Kalifornien. Richter Elihu Berle forderte da für Getränke auf Basis der gerösteten kenianischen, costa-ricanischen und vietnamesischen Bohnen einen Krebsgefahr-Hinweis. Wegen Acrylamids. Jetzt – allerdings schon lange angekündigt – legen die obersten Essensaufseher der EU noch einen drauf: Es muss nicht etwa nur ein Warnhinweis-Fähnchen in den Frittenhaufen gesteckt werden, die Kartoffelstreifen gehören gleich so frittiert, die Kekse so gebacken, dass möglichst wenig Acrylamid drin ist. Das bedeutet aber leider oft auch: weniger lecker. Denn einer der Gründe, dass heiß frittierte Pommes, heiß gebackene Kekse und scharf gerösteter Kaffee gut schmecken, ist, dass eben bei Hitze neben Acrylamid auch lauter wohlschmeckende Aromastoffe entstehen. Aber was tut man nicht alles für die Gesundheit.

Also einfach mehr selbst frittieren

Nur: Dass Acrylamid krebserregend ist, ist nicht nachgewiesen. Gefährlich ist das Abbauprodukt Glycinamid. Das fand man bei mit viel Acrylamid traktierten Ratten und Mäusen. Im menschlichen Stoffwechsel aber scheint es kaum zu entstehen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht das genauso. Nicht Studiendaten sind Grundlage der neuen Verordnung, sondern eine EFSA-Modellrechnung. Und deren Ergebnis ist so labberig wie Low-Acrylamid-Pommes: Eine Gesundheitsgefahr für den Menschen kann „nicht ausgeschlossen werden“.

Eine sogar von Gesundheitswächtern gutgeheißene Konsequenz könnte die neue Verordnung haben. Denn die Freiheit, zu Hause zu braten, zu backen, zuzubereiten, wie man will, ist noch kaum eingeschränkt. Vielleicht wird – um des guten Geschmacks und der nicht so guten Acrylamid-Beweislage willen – bald also wieder mehr selbst gekocht, frittiert und Plätzchen gebacken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false